Der Kessel von Kariv (Ukraine) – besonders auffällig sind die Köpfe mit den Haarknoten, auch „Suebenknoten“ genannt. Foto: Yam, Landesamt für Denkmalpflege

Im Limesmusem in Aalen sind in einer Sonderausstellung erstmals Gegenstände aus Germanengräbern in der Ukraine zu sehen.

Für die alten Römer, insbesondere in der Zeit vom erste bis zum dritten Jahrhundert nach Christus, ist der Fall klar gewesen: Die Germanen sind ein Volk von Barbaren, dazu bestimmt, notfalls mit Waffengewalt niedergeworfen zu werden. Das belegen mancherlei frühe Kunstwerke, die Germanen in Bild oder Skulptur unter Pferdehufen zeigen oder in Ketten kniend, seitlich am Kopf den typischen geflochtenen Haarknoten, auch „Suebenknoten“ genannt.

 

Der römische Geschichtsschreiber Tacitus festigte dieses Bild in seinem etwa 98 nach Christus verfassten Werk „Germania“ und fügte hier eine Charakterisierung an, die für die späteren Deutschen identitätsstiftend und fatal zugleich werden sollte: „Ich selbst trete deren Meinung bei, die glauben, dass die Völkerschaften Germaniens, ohne je durch eheliche Verbindungen mit anderen Stämmen fremdartige Bestandteile in sich aufgenommen zu habe, ein eigenständiges, reines, nur sich selbst ähnliches Volk geworden sind.“

Die Germanen haben keine Aufzeichnungen hinterlassen

Das Werk des Tacitus diente, wie man längst weiß, vor allem der Selbsterhöhung des römischen Reiches, es war in vielem „reine Propaganda“, wie Claus Wolf sagt, Direktor des Archäologischen Landesmuseums Konstanz und Präsident des Landesamts für Denkmalpflege. Das beginnt im speziellen Fall damit, dass die Germanen nie ein „Volk“ mit eigenen Staatsorganen bildeten. Und doch sind römische Aufzeichnungen bis heute alles, woran sich Interpretationen anknüpfen lassen, denn die Germanen selbst hinterließen nichts Schriftliches. Selbst ihre Grabbeigaben: Häufig verbrannt und zerschmolzen in der Glut damals üblicher Feuerbestattungen. So also erklärt sich der Titel der neuesten Großen Sonderausstellung des Landes im Limesmuseum Aalen, die jetzt begonnen hat und bis April kommenden Jahres dauert. Er lautet „Fremde Nachbarn – Rom und die Germanen.“

Das Verhältnis von Germanen und Römern war ambivalent

In Aalen befand sich nicht nur das größte römische Reiterkastell nördlich der Alpen, die Stadt war auch Markierungspunkt des Obergermanisch-Raetischen Limes, der vor 20 Jahren den Titel des Unesco-Welterbes erhielt. Die Germanen, weist die Schau nach, traten den Römern nicht nur auf Schlachtfeldern entgegen, sondern trieben auch Handel mit ihnen, ahmten sie nach, etwa in der Gestaltung von Grabsteinen oder der Herstellung von Trinkgefäßen.

Das weiß man nicht so sehr von Funden aus baden-württembergischer Erde, wo sehr stark die keltische Kultur wirkte. Abgesehen von Überresten einer germanischen Stammesattacke auf das Kastell Osterburken im Neckar-Odenwald-Kreis sind die spektakulärsten bekannten Funde germanischer Kultur weit weg gemacht worden. Entsprechend setzt sich die Ausstellung in Aalen überwiegend aus Leihgaben assoziierter Museen zusammen. Das nimmt ihr aber nichts von der Faszination, die viele Exponate ausüben, selbstverständlich auch die Varusschlacht im Teutoburger Wald bezeugend.

Absolute Neuheiten zeigt die Ausstellung mit Artefakten, die mittels eines Spezial-Umzugsunternehmens aus dem ukrainischen Kriegsgebiet bei Lviv nach Aalen geschafft wurden. Dort sind 2017 germanische Gräber entdeckt worden, darunter ein so genanntes Fürstengrab, gekennzeichnet vor allem durch einen Kessel aus Buntmetall. Seine Aufhängevorrichtungen sind in der Form von Männerköpfen gestaltet, die alle einen seitlichen Haarknoten tragen. Möglicherweise handelt es sich um ein römisches diplomatisches Geschenk für einen germanischen Stammesführer. Friedliche Koexistenz mit den vermeintlichen Barbaren, auch das gab es also. Finanziert wurde dieser Teil der Aalener Sonderausstellung von der Ernst von Siemens Kunststiftung.

Mancher Bezug auf die Gegenwart wirkt zu bemüht

Natürlich will auch diese Schau nebenbei politisch wirken, sucht aktuelle Bezüge zur Wahrung des Friedens herzustellen, wartet mit Zitaten auf, etwa von der in diesem Jahr verstorbenen Margot Friedländer. Das wirkt angesichts der dürren historischen Informationslage dann doch ein bisschen bemüht. Wer die Germanen wirklich gewesen sind, werden Besucher auch nach Verlassen des Limesmuseums nicht exakt wissen. Die Ausstellung wirkt vielmehr, indem sie die Phantasie anregt, Ideen freisetzt, Lust auf ein Weitersuchen nach unseren zivilisatorischen Ursprüngen entstehen lässt. Grund genug, sich das anzuschauen.