Hazor ist eine der ältesten Siedlungen in Israel. Schon 3000 v. Chr. entstand nördlich des Sees Genezareths diese bronzezeitliche Metropole. Archäologen aus Oldenburg suchen hier nach ersten Spuren des jüdischen Volkes.
Die Besiedlungsgeschichte der eisenzeitlichen Metropole Hazor in Israel und die Ursprünge des israelitischen Volkes stehen im Mittelpunkt eines neuen Forschungsprojekts an der Universität Oldenburg. Die Forscher wollen ein Gesamtbild der kulturellen und ethnischen Veränderungen entwerfen, die sich am Übergang von der Bronzezeit zur Eisenzeit in der Levante abspielten. Sie untersuchen zudem, wie sich im Verlauf dieses Umbruchs die Identität des Volkes Israel historisch herausbildete.
Über drei Jahre untersuchen Forscher unter Leitung des Alttestamentlers und Archäologen Benedikt Hensel, wie eine der größten bronzezeitlichen Megastädte im östlichen Mittelmeerraum verlassen und wiederbesiedelt wurde und welchen Einfluss die Geschichten darüber auf die Identitätsbildung des Volkes Israels hatten.
Hazor wurde bereits vor 5000 Jahren besiedelt
Die Ruinen der antiken Stadt Hazor liegen im Norden Israels, nördlich des Sees Genezareth. Erstmals wurde der Ort archäologischen Befunden zufolge vor rund 5000 Jahren in der frühen Bronzezeit besiedelt.
In der Mittel- und Spätbronzezeit erreichte Hazor dank seiner strategisch günstigen Lage an der Kreuzung mehrerer Handelsrouten eine Einwohnerzahl von rund 10.000 bis 15.000 Menschen und war damit die größte Stadt der gesamten Region. In Hazor finden bereits seit den 1990er-Jahren umfangreiche archäologische Grabungen statt.
Aus dieser Zeit gibt es verschiedene Quellen, etwa Briefe und Tontafeln aus Städten in Syrien und Ägypten, mit denen die Herrscher von Hazor Handel trieben. Sie alle zeigen, welche zentrale Rolle die Siedlung als Handelsknotenpunkt und kultureller Schmelztiegel für den gesamten vorderasiatischen Raum innehatte.
Vor 3300 Jahren zerstört
Am Ende der Bronzezeit, um 1300 vor unserer Zeitrechnung, wurde Hazor aus noch unbekannten Gründen zerstört und zeitweise aufgegeben. In der nachfolgenden Eisenzeit fand eine Wiederbesiedlung statt, allerdings in einem deutlich kleineren Rahmen.
„Welcher Kultur die Bewohner von Hazor angehörten, wissen wir nicht genau“, erläutert Hensel. Neben den archäologischen Befunden geben auch biblische Texte über Hazor Auskunft. Unter anderem wird im Buch Josua des Alten Testaments geschildert, wie die Israeliten das von Kanaanitern bewohnte Hazor eroberten.
Die Historizität dieser Passagen ist unter Forschern jedoch umstritten, da die Texte aus einer wesentlich späteren Zeit stammen. „Sie haben wahrscheinlich nicht unmittelbar etwas mit der Neubesiedlung Hazors zu tun“, so Hensel weiter.
Stadt aus der Zeit des Übergangs von der Bronzezeit zur Eisenzeit
Das interdisziplinäre Forscherteam untersucht die Periode der Wiederbesiedlung nun genauer. Forscher aus Archäologie, Sozial- und Kulturgeschichte, Anthropologie und hebräischer Bibelwissenschaft wollen anhand der Ergebnisse ein Gesamtbild davon entwerfen, welche kulturellen und ethnischen Veränderungen sich am Übergang von der Bronzezeit zur Eisenzeit im Gebiet zwischen Euphrat und der Halbinsel Sinai, der sogenannten Levante, abspielten. Und wie sich im Verlauf dieses Umbruchs die Identität des Volkes Israel herausbildete.
Ein Ziel des Projekts ist es, die Wiederbesiedlung der bronzezeitlichen Ruinen in der Eisenzeit zu erforschen. Die Forscher wollen beispielsweise herausfinden, wie die neuen Siedler mit den zerstörten Gebäuden umgingen und welche kulturelle und ethnische Identität sie hatten.
„Die Neusiedler scheinen bestimmte Stadtgebiete bewusst gemieden zu haben, so zum Beispiel den ehemaligen Tempelbezirk in der Oberstadt, der eigentlich ein idealer Siedlungspunkt gewesen wäre“, berichtet Hensel. Das Team plant, durch neue Ausgrabungen weitere Orte innerhalb der Stadtanlagen mit ähnlicher Geschichte zu finden.
Rekonstruktion der frühen Stammeskultur des Volkes Israel
Das zweite Projektziel besteht darin, das literarische und kulturhistorische Andenken an Hazor und die Kanaaniter innerhalb der biblischen Tradition zu rekonstruieren und herauszufinden, wie diese Geschichte mit dem Bild vom Ursprung des Volkes Israel als früher Stammeskultur verbunden ist.
„Hazor gilt in den biblischen Erzählungen als Hauptstadt der dort so genannten Kanaanäer. Dieses Bild ist in weiten Teilen artifiziell, bleibt aber über die Jahrhunderte der Fortschreibung der biblischen Texte immer mit Hazor verbunden, auch nachdem diese Besiedlung lange aufgegeben war“, erläutert Hensel.
Hazor diene als Gegenbild der Israeliten, durch das mit literarischen Mitteln die Identität des biblischen „Israel“ gezeichnet werde. Das Projektteam untersucht die möglichen historischen Ankerpunkte dieser Identitätsbildungsprozesse.