Jürgen Chef präsentiert seinen Zuhörern Dokumente aus Hieronymus Edelmanns Hinterlassenschaft Foto: Martin Kistner

Der Ebinger Apotheker Hieronymus Edelmann war ein Pionier der Archäologie auf der Alb; seine Altertümersammlung verwahrt das Britische Museum in London. Jürgen Scheff, der seit langem über ihn recherchiert, hat ihm nun einen Vortrag gewidmet.

So voll ist der Ebinger Kräuterkasten seit Jahren nicht gewesen: Kein Sitzplatz war mehr frei; das Publikum drängte sich selbst im Vorraum und bis hin zur Haustür. Hieronymus Edelmann hätte wohl seine Freude daran gehabt.

 

Das Interesse an ihm ist jüngeren Datums; lange Zeit, versichert Jürgen Scheff, der Ebinger Polyhistor, sei sein Name allenfalls der Fachwelt in Großbritannien ein Begriff gewesen. Das hat sich offenbar geändert.

Foto: Kistner

Was nicht bedeutet, dass man nicht mehr erklären müsste, wer er war. Hieronymus Edelmann wurde 1853 in Schalkstetten auf der Ostalb geboren, betrieb von 1879 bis 1894 die Untere Apotheke in Ebingen und wurde 1922 in München Opfer eines Straßenbahnunfalls. Als passionierter Freizeitarchäologe nahm er systematische Grabungen auf der gesamten Südwestalb vor und häufte eine riesige Sammlung von Altertümern aus gut und gern 2000 Jahren auf – das Spektrum reichte von der Bronzezeit bis zum Frühmittelalter.

Ein Topf und ein Teller vom Degerfeld

1908 verkaufte er sie nach Großbritannien; heute ist sie die größte ihrer Art aus Kontinentaleuropa, die sich im Britischen Museum in London befindet. Ein Topf und ein Teller aus der Hallstatt-Zeit gehören zur ständigen Ausstellung.

In Albstadt sind, mit Ausnahme eines Armreifs, keine Kostbarkeiten aus Edelmanns Sammlung verblieben – dafür besitzt das Stadtarchiv andere: ein Album mit Gedichten und Sagen, das Hieronymus Edelmann als alter Mann für seine Enkelinnen verfasste und das diese als längst betagte Damen Jürgen Scheff überließen.

Eine Grabung von Edelmann auf dem Degerfeld – links steht der Chef und hat ein wachsames Auge auf das Geschehen. Foto: Stadtarchiv Albstadt

Dazu ein Büchlein, in dem der junge Edelmann Zeichnungen von Burgen der Alb und des Donautals verwahrte – es dokumentiert, wie sehr deren Verfall seither fortgeschritten ist – und ein Tagebuch aus den Lehr- und Wanderjahren 1873 bis 1878.

Edelmann hat zeitlebens Tagebuch geführt, aber nur dieses eine hat die Zeiten überdauert. Seine Erben überließen die anderen nach seinem Tod dem Stuttgarter Landesdenkmalamt, wo sie dem Bombenkrieg zum Opfer fielen. Das frühe Tagebuch hatte seinerzeit die Witwe Walburga Karoline Edelmann zurückbehalten, vermutlich weil darin auch die Zeit der ersten Liebe Thema war. Nur deshalb hat es überlebt.

Künstler oder Pfarrer? – Kompromiss: Apotheker

Weshalb man über die Sturm- und Drangzeit von Hieronymus Edelmann bemerkenswert gut Bescheid weiß. Der Sohn des Schalkstetter Hirschwirts wäre gerne Künstler geworden, die Eltern favorisierten den Beruf Pfarrer; der Kompromiss war Apotheker.

Stadtarchivar Schulz präsentiert ein Buch mit Edelmanns Zeichnungen. Foto: Kistner

Der junge Mann hospitierte im Zuge seiner Ausbildung bei Apothekern in allen Ecken Württembergs, in Sigmaringen, Göppingen, Heilbronn und Saulgau; er war, wie aus seinen Aufzeichnungen hervorgeht, ein vielseitig, vor allem aber historisch interessierter Zeitgenosse, ein ausdauernder Wanderer mit einem Tagespensum von 20 bis 30 Kilometern, ein trinkfester Zecher und kein Kostverächter in Sachen Weiblichkeit. Was gelegentlich zu überstürzten Trennungen durch eher prüde Dienstherren führte – Edelmann verwahrte sich zwar gern gegen Rufschädigung, aber ganz unschuldig wird er an seiner Reputation nicht gewesen sein.

Jürgen Scheff mit dem „Poesiealbum“ von Edelmanns Enkelinnen. Foto: Kistner

Die Studienzeit in München passt in dieses Bild. Der junge Mann, der dank wohlhabender Eltern nicht darben musste, ließ weder Wagneroper noch Hofbräuhaus noch Nockerberg links liegen; der fällige Kater blieb danach nicht unerwähnt. Sein Examen bestand Edelmann dennoch mit Bravour; wenn es darauf ankam, konnte er auch klotzen.

Ein Mädchen aus gutem Hause

Nach dem Studium kehrte er nach Sigmaringen zurück, das er immer gemocht hatte, heiratete die bereits erwähnte Walburga Karoline Steidle, ein Mädchen aus gutem Hause, und kaufte die Untere Apotheke in Ebingen, die damals ziemlich auf den Hund gekommen war. Edelmann verwandelte sie in eine Goldgrube – geschäftstüchtig war er nämlich auch.

Ja nicht ohne Handschuhe! Foto: Kistner

Und zwar auch als Archäologe – eine Passion, die er in den 1880er-Jahren entdeckte. Vermutlich war er der Finder der berühmten „Schwertscheide von Gutenstein“, die ihm und dem Sigmaringer Baurat Eduard Eulenstein zum einen wissenschaftliche Reputation, zum anderen gutes Geld einbrachte. Die Kostbarkeit kam nach Berlin und ist heute in Moskau – sie wurde nach dem Krieg Beute der Sowjets.

Hieronymus Edelmann im Alter Foto: Kistner

Womit sich der Ausverkauf der Sammlung Edelmann nach London nachträglich als großes Glück erweist. Wäre sie nach Stuttgart gekommen, wäre sie verbrannt – hätte Berlin sie erworben, dann läge sie heute in russischen Depots. Mit dieser Pointe endete Jürgen Scheffs Vortrag. Jetzt schon, zur Halbzeit? Doch, so ist es – die zweite, traurigere Lebenshälfte des Hiieronymus Edelmann ist einem weiteren Vortrag vorbehalten. Ihm ist ein großes Publikum garantiert.