Zwei Erhebungen auf der Erweiterungsfläche der Erddeponie Schönbuch oberhalb von Tailfingen geben den Archäologen Rätsel auf. Deshalb schneiden sie dort "ins Fleisch" und schauen mal genauer nach.
Albstadt-Tailfingen - Luftbilder waren es zuerst, die den Verdacht geweckt haben, dass es Keltengräber geben könnte auf dem Areal der Erddeponie Schönbuch, die das Landratsamt des Zollernalbkreises erweitern lässt. Deshalb sondieren Archäologen der Berliner Firma ABB, Niederlassung Esslingen, derzeit das Gelände. Archäologin Jasmin Rüdiger und Damian Sarnezki sind dort am Werk, unterstützt vom Archäologen Jan König vom Landesamt für Denkmalpflege in Tübingen, für den es der erste Einsatz auf einer Deponie ist.
Diese hat der Zollernalbkreis zum 1. Juli 2018 von der Stadt Albstadt übernommen, wie Friedrich Scholte-Reh, Leiter des Amtes für Umwelt und Abfallwirtschaft beim Landratsamt Zollernalbkreis, berichtet. Weil das Genehmigungsverfahren eine Weile gedauert hat, liege erst seit Juli die endgültige Genehmigung vor. In der nächsten Woche sollen die Oberflächenarbeiten beginnen und dann eine Basisabdichtung sowie eine Entwässerung eingebaut werden, damit nichts ins Grundwasser und ins Erdreich dringen können, denn gelagert werden auf der Deponie – voraussichtlich ab 1. Juli 2023 – Bauschutt und Erdaushub. "Wir gehen davon aus, dass wir die nächsten 20 Jahre Entsorgungssicherheit haben", sagt Scholte-Reh. Kosten für den Steuerzahler: "Fünf Millionen Euro werden 2023 verbaut."
Sind schöne Grabbeigaben im Erdreich?
Ehe das knapp 50 Hektar große Areal – eine DK0 und eine DK1-Deponie sollen dort entstehen – aber unter den Erd- und Schuttmassen verschwindet, sollen die Archäologen Gelegenheit haben, nochmals nachzuschauen, ob sich vielleicht historisch wertvolle Gräber, schöne Grabbeigaben und Skelette im Erdreich befinden.
Zu diesem Zweck hat ein Baggerfahrer, von dessen Präzision alle schwärmen, vier Bahnen Erdreich weggeschoben und eine Kalksteinschicht mit ordentlichen Brocken abgetragen, damit die Archäologen nicht ganz oben anfangen müssen – es wäre zu mühsam, sich durch alle Schichten zu buddeln, die sich in Jahrhunderten angesammelt haben. Denn wenn sich Gräber dort befinden, stammten sie aus der Hallstattzeit, so König, und die dauerte von 800 bis 450 vor Christus. "Weil es aus dieser Zeit keine schriftlichen Aufzeichnungen gibt, können wir über den Totenkult nur spekulieren", betont er und erklärt, warum die Kelten ihre Toten so weit oben auf dem Berg begraben haben – auf dem nahen Degerfeld etwa seien schon vor langem Keltengräber gefunden worden: "Die Gräber waren Repräsentationsobjekte", sagt König, und Jasmin Rüdiger ergänzt: "So weit oben waren die Flächen nicht für den Ackerbau nutzbar."
Landwirte waren dort auch schon zu Gange
Die Fläche, die nun Deponie werden soll, war irgendwann aber landwirtschaftliche Fläche, darüber sind sich die Experten einig. Nun werden sie einer so genannten "harten Prospektion" unterzogen, die König bildreich erklärt: "Wir ziehen die Humusschicht ab und schneiden sozusagen mitten ins Fleisch."
Auf den vier Schnittflächen suchen Rüdiger und Sarnetzki nun nach Bodenverfärbungen – erst mal mit dem bloßen Auge, denn sie sind gut zu sehen inmitten des weißen Kalksteins. Die Archäologin deutet auf eine kräftig braune Stelle: "Das hier war wohl der Wurzelteller eines Baumes – irgendwann wurde hier wohl ein Baumbestand gerodet." Darüber hinaus haben sie und ihr Kollege jedoch noch nichts Spektakuläres gefunden.
"Pinsel gibt’s nicht!"
Für ihre Suche benutzen sie normale Gartengeräte. "Pinsel gibt’s nicht", sagt Jan König mit Blick auf das Bild der meisten Laien, die sich Archäologen mit Esslöffeln, Bürsten und Pinseln vorstellen, was angesichts der Kalkfelsen schon schwierig wäre.
"In bisher drei von vier Schnitten haben wir keine Befunde", sagt Jasmin Rüdiger. Das lasse den Schluss zu, dass auch unter den Bahnen dazwischen, wo aktuell der Aushub liegt, nichts zu finden sei.
Manchmal freilich haben die Archäologen Glück und finden Metalle, Bronze, Eisen, Keramikgefäße und Waffen – "zuweilen sogar Gold, und im besten Fall Knochen", berichtet König.
Darf jeder nach alten Funden graben?
Was passiert, wenn Hobby-Archäologen losziehen, um Überreste aus der Vergangenheit zu suchen? Anders als in Bayern, wo ein Finder die Hälfte des Fundes behalten dürfe, "gehört in Baden-Württemberg alles dem Land", betont Jan König. Wer graben wolle, brauche dazu eine Nachforschungsgenehmigung und für die Arbeit mit einem Metalldetektor eine spezielle Ausbildung. Auch für zufällige Funde, etwa beim Spazierengehen, gelte: Sie müssen gemeldet werden, schon damit sie untersucht und konservatorisch behandelt werden können, "sonst gehen sie nach wenigen Jahren kaputt", weiß König aus Erfahrung. "Das Land behält sich außerdem vor, außergewöhnliche Funde einzubehalten." In vielen Fällen erhielten Finder ihren Fund aber nach der Untersuchung zurück.
Listenschreiben ist ein wesentlicher Teil der Arbeit
Was tun Jasmin Rüdiger und Damian Sarnezki mit ihren Funden? "Sie werden gewaschen, verpackt und verlistet", erklärt die Archäologin, deren Arbeit überhaupt zu einem nicht unwesentlichen Teil aus Listenschreiben besteht. Auch der Fotoapparat gehört zum Handwerkszeug der Fachleute: Alles werde fotografisch dokumentiert, beschrieben, mit Nummer und Datum versehen, manches sogar dreidimensional vermessen und fotografiert.
Ob die Archäologen auf der Erweiterungsfläche der Erddeponie noch etwas finden werden? Jedenfalls befinden sich dort zwei Erhebungen, die Jan König für "potenzielle Grabhügel" hält.