Pendelverkehr? Autonomes Fahren? Eine Seilbahn? Alles Ideen der Gruppe "Mobilität und Ordnung" des Arbeitskreises Innenstadt, die zwei Mitglieder dem Gemeinderat präsentierten. Das Gremium zeigte sich angetan und fällte sogleich einen Beschluss. Nur in Bezug auf die Bestellung eines Mobilitätsbeauftragten blieben die Räte skeptisch.
Calw - Wenigstens das "Gründungstreffen" des Arbeitskreises Innenstadt im Februar 2020 hatte noch in Präsenz stattfinden können. Danach war erstmal Schluss mit realen Treffen. Die verschiedenen Arbeitsgruppen, aus denen der Arbeitskreis besteht, tauschten sich dennoch regelmäßig per Videochat aus und sammelten Ideen für ihren jeweiligen Themenbereich. Zwei Vertreter der Gruppe "Mobilität und Ordnung" stellten die ihren jüngst dem Gremium vor. Und zwar so konkret, dass am Ende ein einstimmiger Beschluss für das weitere Vorgehen stand. Die Stadtverwaltung wird damit beauftragt, einen Förderantrag für die "Erstellung eines integrierten Verkehrskonzepts für die Innenstadt" zu erarbeiten.
"Älles hängt mit ällem zamme" (Hochdeutsch: Alles hängt mit allem zusammen) – so der Grundsatz der Arbeitsgruppe. Was sie damit ausdrücken wollen: die Attraktivität der Innenstadt, der Individualverkehr, der ÖPNV, das Parken und so weiter sind untrennbar miteinander verknüpfte Themen, erklärte Herbert Syring, der als Vertreter der Gruppe sprach. Entsprechend seien auch die Lösungen für die daraus resultierenden Herausforderungen und Probleme nicht schwarz oder weiß, sondern sehr vielschichtig. Wichtig aus Sicht der Gruppe sei zum Beispiel auch, dass es kein "Entweder- oder" geben muss, sondern ein "und". "Nicht entweder Fußgänger oder Anlieferverkehr, Patiententransport oder Fahrräder oder Handwerker, sondern sowohl als auch", steht dazu in der Präsentation. Aber wie? Auch dazu hatte sich die Gruppe bereits Gedanken gemacht. Markus Köcher, ebenfalls Sprecher, kam auf einen ökologischen Pendelverkehr mittels eines Elektro-Kleinbusses zu sprechen. Von diesem könnten aus seiner Sicht beispielsweise Pendler, die in der Innenstadt arbeiten, profitieren. Oder Bürger, die dort einkaufen gehen wollen. Um allen Interessen gerecht zu werden, schlägt die Gruppe zwei Shuttleverkehre vor. Einer für Pendler zwischen einem noch festzulegenden "Park and Ride"-Parkplatz und der Innenstadt. Sowie einen weiteren zwischen der Innenstadt und den Halbhöhenlagen für Leute, die einkaufen gehen wollen oder ähnliches.
Um solch große Projekte anzugehen bräuchte es aber zunächst eine Ist-Analyse, die professionell angegangen wird, argumentierte Köcher. Daraus könne man dann langfristig ein Konzept für die Innenstadt ableiten. Eines, das sich in das Gesamtbild der Stadt mitsamt seiner Großprojekte wie Hermann-Hesse-Bahn oder Tunnel fügt. Angelehnt an das Leitbild des Landesverkehrsministeriums für die Entwicklung des Verkehrs. "Für so etwas gibt es Förderprogramme", betonte Köcher.
Weil aber ein solches Konzept professionell begleitet werden müsse, was eine Fülle an Aufgaben mit sich bringe, würde die Arbeitsgruppe einen Mobilitätsbeauftragten bei der Verwaltung dafür sehen. "Das kann sonst nicht gestemmt werden", ist Köcher überzeugt.
Nicht nur Geplänkel
Weniger traf das für Dieter Kömpf (Freie Wähler) zu. Bei all den Beauftragten und Managern tue er sich langsam schwer, räumte er ein. Klimamanager, Flächenmanager, Citymanager, Kinderbeauftragter und dann auch noch einen Mobilitätsbeauftragten? Wenn das Konzept aber stimmt, fügte er an, könne man seiner Ansicht nach nochmal darüber sprechen. Für die Ausarbeitung eines solchen sprach sich Kömpf ausdrücklich aus. Da etwas derartiges ohnehin für Heumaden geplant sei, könnte man das ja unter Umständen zusammenfügen, regte er an. Auch Irmhild Mannsfeld (Neue Liste Calw) begrüßte die Idee, ein Verkehrskonzept zu entwickeln. Dabei liegen ihr besonders die Bereiche rund um das Krankenhaus am Herzen, die – wenn der Tunnel kommt – für Fußgänger nur schwerlich zu erreichen sein dürften. "Man muss darauf achten, dass das berücksichtigt wird", appellierte sie.
Bernhard Plappert (CDU) erinnerte daran, auch die Themen Carsharing und E-Mobilität nicht außer Acht zu lassen. Ein Shuttlebus, erinnerte Evelin Menges (SPD), sei vor rund 20 Jahren schon einmal Thema gewesen.
Ebenso wie die Vision, die die Arbeitsgruppe ausgearbeitet hat: eine Seilbahn für Calw. Zum Beispiel von der Innenstadt zum Landratsamt, zum Gesundheitscampus bis zum Freibad oder von der Innenstadt auf den Wimberg. Als "modern und zukunftsfähig", beschrieb Köcher die Idee. Gerade für topografisch anspruchsvolle Gegenden wie Calw. Auch wenn das für viele möglicherweise wie eine surreale Zukunftsvision wirken mag – "das ist nicht nur Geplänkel im Köpfchen", unterstrich der Schulleiter des Hermann-Hesse-Gymnasiums. Ganz nebenbei hätte eine solche Seilbahn eine große Öffentlichkeitswirksamkeit. Während andere Städte und Gemeinden "irgendwelche Türme bauen", merkte Köcher an, hätte Calw ein Alleinstellungsmerkmal.
Kömpf zeigte sich, wie viele weitere Räte, angetan von der Idee. Wenngleich er "gar nicht wissen" wolle, was in der Bevölkerung los wäre, wenn man so ein Vorhaben plant. Schon beim Turmbau zu Schömberg gingen einige Bürger auf die Barrikaden. Dennoch: eine "tolle Idee", schwärmte Menges. "Das wäre eine Attraktion für Calw."
Zumal der Bau einer solchen sogar förderfähig wäre, sofern man in den Gondeln Fahrräder transportieren könne, erklärte Köcher.
Vor allem aber steht das im Beschlussvorschlag angedachte Verkehrskonzept. Oliver Höfle (Gemeinsam für Calw) wollte wissen, was so etwas kosten würde. Das sei schwer zu sagen, meinte Oberbürgermeister Florian Kling. Wobei die Förderung so hoch sei, dass es sich um ein "finanzierbares" Projekt handeln dürfte, meinte er.
In Calw herrschten, was den Verkehr angeht, schwierige Bedingungen, führte Kling aus. Im ÖPNV hake es zuweilen, Parkflächen fehlen, Fußgänger beschweren sich. "Eine große Herausforderung." Deshalb finde er es zielführend, auf Alternativen zu setzen. Zunächst ohne Mobilitätsbeauftragten – dieser Teil des Beschlussvorschlags wurde ausgeklammert –, dafür aber mit einem Verkehrskonzept. Dafür gelte es aber zunächst einen Förderantrag zu stellen. Denn: "Ohne Moos nix los", erinnerte Kling. Einstimmig beauftragte das Gremium die Verwaltung damit, einen entsprechenden Förderantrag zu erarbeiten.
Thomas Peter (CDU) konnte das nur gutheißen. "Es ist eine sehr heiße Situation", klagte er mit Blick auf den Verkehr vor seinem Restaurant. In Anbetracht der Tatsache, dass dort tagtäglich Fußgänger und Autos in Konflikt gerieten, könne man froh sein, dass noch nicht mehr passiert sei.