Die digitale Revolution im Auto: Mercedes integriert als erster Premium-Hersteller das iPhone.
Genf - Die Zukunft des Automobils hat einen Kinnbart, trägt ein zu großes Sakko und hat lange Haare, die zu einem Schwanz zusammengebunden sind. Andrew Hill steht bei der Genfer Mercedes-Mediennacht in einem Nebenraum und erklärt Interessierten, was in zwei bis drei Jahren möglich sein wird. Auf dem Bildschirm erscheint eine Zeitleiste, bei Berührung taucht der Vorschlag einer Fahrt zum Supermarkt auf, ganz wie es der Gewohnheit des Fahrers am Morgen entspricht. Das System erkennt außerdem, ob es das Navi aktivieren muss oder die Strecke bereits bekannt ist.
Andrew Hill ist einer von über 100 Mercedes-Ingenieuren, die in den USA unweit von Google und Apple daran forschen, das Internet mit dem Auto zu verknüpfen. Kurz zuvor hat Daimler-Chef Dieter Zetsche auf der großen Bühne von den Chancen der neuen Technologien geschwärmt, um sich neue Käuferkreise zu erschließen. „Es ist ein bisschen wie in der Politik: Wenn man Wahlen gewinnen will, liegt das größte Potenzial bei den Nichtwählern“.
Ein wesentlicher Baustein in dieser Strategie soll das Infotainment-System CarPlay von Apple sein. Nach eigenen Angaben ist Mercedes der erste deutsche Premium-Hersteller, der damit das iPhone ins Auto bringt. Über einen simplen Kabelanschluss werden wesentliche Funktionen des Smartphones auf den Bildschirm im Auto übertragen. Das Gleiche soll bald auch mit der Android-Plattform von Google möglich sein. Zunächst wird CarPlay in der neuen C-Klasse verfügbar sein. „Unser Ziel ist es, den Einsatz von Online-Diensten, Tabletcomputern und Smartphones im Auto möglichst nahtlos und bequem zu ermöglichen“, sagt Vertriebschef Ola Källenius.
Alle im Auto auflaufenden Daten, so verspricht Mercedes-Entwicklungschef Thomas Weber am Rande der Veranstaltung, würden von einem eigenen Server verarbeitet, seien also nicht für Fremde zugänglich. Dass es mit der neuen Technik ähnliche Probleme geben könnte wie früher, als die Elektronik erstmals Einzug hielt und vor allem die E-Klasse deutlich häufiger in die Werkstatt musste als üblich, schließt Weber aus. „All diese Neuheiten werden anders als früher speziell für den Einsatz im Auto entwickelt.“
Doch damit nicht genug. Von Sommer an soll die Internetplattform Mercedes.me an den Start gehen. Das Konzept basiert auf fünf Säulen. Unter dem Stichwort Mobilität („move me“) soll es möglich sein, ein Taxi zu rufen, sich einen Smart für Car2go zu reservieren oder ein E-Bike zu mieten. Konnektivität („connect me“) bedeutet, etwa die Heizung im geparkten Auto zu bedienen oder die Benzinanzeige abzurufen. Werkstatttermine können in Zukunft unter der Rubrik Service („assist me“) rund um die Uhr vereinbart werden. Auch die Finanzierung („finance me“) wird digitalisiert, etwa bei maßgeschneiderten Angeboten für Leasing oder Versicherung. Wer Inspiration („inspire me“) nötig hat, kann sich zudem über Neuigkeiten und Ideen für die Zukunft der Marke Mercedes informieren lassen.
Keine Frage, die digitale Revolution im und um das Auto läuft auf Hochtouren. So hat Audi seinen in Genf präsentierten neuen Designklassiker TT mit dem schnellen Internetstandard LTE ausgestattet. Bis 2015 soll dieser flächendeckend in allen Modellen verfügbar sein. Auch BMW arbeitet unter dem Titel Connected Drive an der Vernetzung seiner Dienste im Auto. Vielleicht stimmt ja der Satz, der in Genf immer wieder zu hören ist: „Auf absehbare Zeit wird das Auto ein elektronisches Gerät mit vier Rädern.“