Apache bleibt gleich – gleich erfolgreich, seitdem er angefangen hat, Musik zu machen. Foto: WDR

Apache 207 hat den Thronsaal des Deutschrap in Windeseile erobert. Sein janusköpfiges neues Album „Gartenstadt“ konsolidiert seinen Ruf als Hip-Hop-Mysterium – und setzt seiner Heimatstadt Ludwigshafen ein überraschend sensitives Denkmal.

Hip-Hop und Lokalpatriotismus sind aufs Engste miteinander verwoben. Seit den späten Siebzigern besteht eine direkte Korrelation zwischen geografischer Lage und Musik, streng wird in verschiedene Lager unterteilt. East Coast versus West Coast in den USA etwa, Compton gegen Bronx, Southern Rap gegen Atlanta. Hervorgegangen aus den Wünschen junger Afroamerikaner nach einer musikalischen und kulturellen Heimat und Partizipation, breitet sich das Phänomen in den Neunzigern nach Deutschland aus.

Der Hamburger Hip-Hop klingt hier nicht wie der harte Berliner Straßenrap, wieder anders die Stuttgarter Szene mit Freundeskreis oder den Fantastischen Vier. Eine Stadt, die bis vor wenigen Jahren noch niemand so recht auf der Sprechgesangslandkarte hatte, ist Ludwigshafen am Rhein. Nun muss man wissen, dass Ludwigshafen von Haus aus nicht für Schönheit berühmt ist, zerbaut, beherrscht von tristen Wohnblocks und kolossalen Autobrücken, die sich mitten durch die Stadt fressen, dazu in der Ferne das Qualmen der BASF-Werke. Keine Stadt für feinfühlige Folksongs vielleicht, aber gewiss der perfekte Ort für Hip-Hop, seit jeher die Musik für urbane Wüsten, für Graffiti auf Beton. 2019 ändert sich das. Wie in diesem Genre so häufig, taucht über Nacht ein neuer Player im Block auf, ein großer Mann mit Sonnenbrille und langen Haaren, der so gar nicht in das klischeeverzerrte Bild des Rappers passen will. Apache 207 nennt er sich, der Name ein Spitzname der Mutter, die Zahl bis heute ein Geheimnis. Das ist überhaupt das Stichwort für Apache 207. Der Mann ist ein Mysterium, gibt lange keine Interviews. Er wächst im Ludwigshafener Bezirk Gartenstadt auf, wo Helmut Kohl einst Landtagsabgeordneter war, macht ganz bürgerlich sein Abitur am Theodor-Heuss-Gymnasium, beginnt ein Studium der Rechtswissenschaften in Mainz. Apache bricht mit Rollenbildern, mit den vorgefertigten Schubladen, die man für Künstler wie ihn parat hat.

Apache gibt keine Interviews

Im August 2019 erscheint seine Single „Roller“. Und beginnt eine beispiellose Karriere, die selbst im erfolgsverwöhnten Deutschrap-Game für sich steht. Alle nachfolgenden Singles bekommen mindestens Gold, sein Mix aus Pop, Achtziger-Flair, Cloud Rap und Eurodance-Tunes trifft nicht nur den Zeitgeist; er gibt ihn vor. Insgesamt 28 Wochen hat Apache 207 schon an der Spitze der deutschen Singlecharts verbracht. Mehr als jeder andere deutsche Solokünstler.

Vom Studium der Rechtswissenschaften direkt an die Chartspitze

Sein neues Album „Gartenstadt“, erschienen letzten Freitag und angelegt als Hommage an sein Zuhause, wird ebenfalls ein gewaltiger Erfolg werden. Das ist so sicher wie der Autotune-Effekt auf seiner Stimme. Längst hat der Künstler sein Schaffen transzendiert, ist zu einer Lebenseinstellung geworden, bei der die Qualität der Musik nicht zwangsläufig an erster Stelle steht. In einer Zeit, in der Rapper eher mit Eistee oder Pizza Millionen scheffeln als mit Musikverkäufen, ist die Marke längst zum zentralen Bestandteil des Erfolges geworden.

Apache aber, der bleibt gleich. So sang er es schon in „Roller“ 2019. Nach dieser Textzeile benannt ist die Dokumentation, „Apache bleibt gleich“, ausgestrahlt Ende 2022 auf der Streamingplattform Prime und für einen 25-Jährigen durchaus recht früh für eine Lebensbestandsaufnahme. Es scheint aber etwas dran zu sein: Wo viele Deutschrap-Kollegen möglichst „reale“ Gäste für Feature-Beiträge auswählen, um Integrität und Toughness zu beweisen, nimmt Apache einfach einen Song mit Udo Lindenberg auf. „Komet“ erscheint im Januar, nach dem Lied wird sogar ein Stern benannt.

All das sind Puzzleteile im enigmatischen Konzept des letzten großen Deutschrap-Mysteriums. Apache macht, was er will. Oder eben: Apache bleibt gleich. Sein drittes Album „Gartenstadt“ ist dem Hype trotzdem gewachsen. Inzwischen hat sich Apache gefunden, macht Rap mit der Ästhetik eines Achtziger-Popsongs, singt mehr, als er rappt, lässt sich Beats pochen und die Synthesizer flirren. Ein wenig Falco steckt da ebenso drin wie amerikanischer Hip-Hop, allgemein verfeinert er seinen Stil eher, als dass er ihn revolutioniert.

Und warum auch nicht? Das Rezept, es geht schließlich auf. Apache 207 gibt das, was seine Fans von ihm erwarten. Er singt von langen Nächten und dem Morgengrauen danach, von Erinnerungen an seine Jugend, vom plötzlichen Erfolg und, ja, auch von Autos. Um manche Dinge kommt eben auch ein Apache 207 nicht herum. Dennoch ist die Sensitivität seiner Texte auffällig. Es geht nachdenklich zu, sanft geradezu, Apache erzählt von Abschieden, von Trennungen, von zufälligen Begegnungen.

So wie auf „Gartenstadt“ klingt derzeit kein anderer deutscher Rapper. Apache 207 ist ein Genre für sich, Alleinstellungsmerkmal. Die melancholische, sehnende Grundstimmung seiner Songs spiegelt sich in den tristen Betonfassaden seiner Heimatstadt. Und plötzlich wird sogar Ludwigshafen irgendwie schön. Das kann man Apache durchaus als größte Leistung attestieren.

Was man über Apache 207 weiß

Privat
 Apache 207 heißt eigentlich Volkan Yaman. Er hat türkische Wurzeln und wird am 23. Oktober 1997 in Mannheim geboren. In seiner Jugend spielt er Fußball beim Ludwigshafener SC und beim VfR Frankenthal.

Karriere
 Seine Single „Roller“ ist mit knapp zwei Millionen verkaufter Exemplare eine der erfolgreichsten deutschen Singles aller Zeiten. Insgesamt hat Apache 207 bald zehn Millionen Tonträger verkauft.

Fragen
 Seine Texte sind voller Botschaften und vager Andeutungen. So vermuten Fans etwa, dass er Vater geworden ist, einen Zehnmillionendeal von Sony bekommen und einen Adidas-Werbedeal abgelehnt hat. Was davon stimmt? Weiß man nicht.

Termine Apache 207 ist Headliner beim diesjährigen Kesselfestival auf dem Cannstatter Wasen in Stuttgart und tritt am 24. Juni auf. Zudem stehen zahlreiche Konzerte diesen Sommer auf Open-Air-Bühnen in Deutschland an, etwa in Mannheim, Essen und Berlin.