Weil er ihr Kind im Unterricht geohrfeigt haben soll, hat eine Mutter aus Balingen Anzeige gegen einen Religionslehrer gestellt. (Symbolfoto) Foto: michagehtraus - stock.adobe.com

Die Erzählung eines Grundschulkindes aus dem Raum Balingen hat nicht nur dessen Eltern schockiert. Weitere Kinder der Klasse haben die Ohrfeige des Lehrers bestätigt.

Es ist ein Freitagmittag Mitte Januar des Jahres. Die Familie freut sich auf das Wochenende. Alle sitzen gemeinsam beim Mittagessen. „Ganz nebenbei erzählt mir mein Kind: Ich hab’ heute im Unterricht eine Backpfeife vom Religionslehrer bekommen“, berichtet die Mutter. Sie möchte – wie auch alle anderen, die versichern, den Vorfall bezeugen zu können – anonym bleiben.

Die Sicht der Mutter

Sie sei so perplex gewesen und habe es erst nicht glauben können, was ihr da erzählt wurde. Ihr Kind habe das so belanglos berichtet – wohl, weil es die Tragweite eines solchen Vorfalls zunächst nicht verstanden habe.

„Unter der Achsel gekitzelt‘

Die Mutter lässt sich daraufhin schildern, was genau passiert war: Die Lehrkraft für evangelische Religion habe bei dem betroffenen Kind gestanden und sich zum Nachbartisch rübergebeugt, um mit den Kindern dort zu reden. Dabei habe ihr Kind den Lehrer „aus Spaß unter der Achsel gekitzelt“.

Darauf habe sich der Lehrer zum Kind gedreht, es kurz angesehen – und es dann geohrfeigt. Ihr und ein weiteres Kind hätten sich nach dem Unterricht einer Betreuungsperson an der Schule anvertraut. Doch die habe nicht weiter darauf reagiert, sagt die Mutter. „Ich hätte aber schon erwartet, dass ich darüber informiert werde“, sagt sie.

„Niemals ohrfeigen“

Völlig aufgeregt versucht die Mutter, jemanden in der Schule zu erreichen – doch es ist Freitagnachmittag. Einen Lehrer zu kitzeln sei nicht in Ordnung, aber: „Lehrer dürfen Schüler niemals ohrfeigen“, erklärt sie ihrem Kind und ruft aus Verzweiflung die 112 an.

Verzweifelt 112 angerufen

Dort rät man ihr, Anzeige zu erstatten. Das Polizeipräsidium Reutlingen bestätigt die Anzeige auf Anfrage der Redaktion. Später wird die Familie noch beim Kinderarzt vorstellig: „Ich wollte, dass das dokumentiert wird.“

Als sie zu Wochenbeginn schließlich Kontakt zur Schule aufnehmen kann, wird auf ihr Drängen hin ein Runder Tisch mit allen Beteiligten – jedoch ohne das Kind – einberufen. Das Ergebnis: Der Lehrer habe die Ohrfeige abgestritten. Er habe das Kind zwar berührt, wie er zugab, wisse aber nicht mehr wo – jedoch keinesfalls am Kopf. Es sei eine Abwehrreaktion gewesen, zitiert die Mutter die Aussage des Religionslehrers am Runden Tisch.

In den nächsten Unterrichtsstunden sei der Lehrer – so berichteten es mehrere Kinder der Klasse ihren Eltern – von einer weiteren Lehrkraft begleitet worden. Auch im Elternbeirat sei der Vorfall thematisiert worden.

Das Protokoll zum Runden Tisch forderte die Frau Anfang Februar schriftlich bei der Schule an, da es von Polizei benötigt wurde. Sie habe vom Rektor der Schule gesagt bekommen, das Protokoll sei schulintern und könne ihr deshalb nicht ausgehändigt werden, berichtet sie.

Unter den Teppich kehren?

Von der Schule oder von dem Lehrer selbst höre man zu all dem nichts mehr. »Doch ich will das nicht auf sich beruhen lassen. Ich habe das Gefühl, das soll unter den Teppich gekehrt werden«, sagt die Frau, weitere Eltern stimmen ihr da zu.

Hinter ihrer Familie und auch hinter anderen Familien mit einem Kind in der Klasse liegen schlaflose Nächte, beteuert die Mutter. Das Schlimmste aber sei, dass sich ihr Kind seitdem verändert verhalte. Es sei weinerlich und anhänglicher als davor.

Mehrere Versuche seitens der Redaktion, den Rektor telefonisch zu erreichen, schlugen fehl. Der Bitte um Rückruf, gesprochen auf den Anrufbeantworter der Schule, wurde nicht nachgekommen.

Das sagt das Schulamt

Ist man an der Schule korrekt mit dem Vorfall umgegangen? Diese Frage stellen sich die Eltern. Gernot Schultheiß, leitender Schulamtsdirektor im Schulamt Albstadt bejaht das.

„Richtig gehandelt“

„Der Rektor hat richtig gehandelt, er hat alles getan was, er in der Situation tun kann. Nämlich sich vom Unterricht des Religionslehrers zu überzeugen und einen Runden Tisch einzuberufen.“

Zur Erinnerung: Auch die betroffene Mutter hatte gesagt, sie habe den Runden Tisch einberufen.

Abgesehen davon, so Schultheiß weiter, sei das Schulamt nicht zuständig in dieser Angelegenheit, da es sich bei dem Lehrer nicht um eine staatliche Lehrkraft handele – sondern eine kirchliche.

Dekan darf nichts sagen

Auf Anfrage bei Beatus Widmann, Dekan im evangelischen Kirchenbezirk Balingen, wie das Dekanat sich zu dem Vorfall äußert, heißt es: „Dem Anliegen der Mutter wird nachgegangen.“ Mehr allerdings könne und dürfe er dazu nicht sagen, weil das Verfahren noch nicht abgeschlossen sei.