Dieses Areal zwischen Schelmengasse und Gewerbegebiet Hinter Stöck kommt für die Aufstellung von Container-Wohnraum infrage. Foto: Kauffmann

Bisingen muss Wohnraum für Geflüchtete schaffen. Die Containerlösung ist umstritten, der geplante Standort auch – unter anderem, weil er neben dem früheren KZ-Gelände liegt.

Bisingen - Der Sturm hat sich bereits vor der Gemeinderatssitzung am Dienstagabend angekündigt. Bürgermeister Roman Waizenegger hat sich schon Tage vorher mit Bürgern über die Unterkunft für Geflüchtete, die in Bisingen möglicherweise neu entstehen muss, ausgetauscht. Er habe "gewisse Hintergrundgeräusche" vernommen.

Anonymer Flyer kursiert in Bisingen

Ein anonym erstellter Flyer, der im Bereich Koppenhalde/Schelmengasse verteilt worden war, hat die Anwohner offenbar noch mal sensibilisiert, dass es in ihrer Nachbarschaft ein Grundstück für die Unterbringung von Geflüchteten im Gespräch ist.

Das sagen die Bürger

Waizenegger ist die Brisanz des Themas nicht entgangen: Den Tagesordnungspunkt 5 "Schaffung von Wohnraum für geflüchtete Personen und Asylbewerber" hob er auf der Agenda nach vorn. An die Besucher gerichtet: "Es ist wichtig, dass Sie hier sind. Dann bekommen Sie Informationen aus erster Hand."

Ihm sei klar, dass der Neubau einer Unterkunft für Geflüchtete emotional sei und wohl "nicht konfliktfrei" bewältigt werden könne. Waizenegger zeigte sich vorbereitet – die Anwohner auch.

Anwohnerin spricht von "sozialem Sprengstoff" in Bisingen

Gut 30 Besucher sind gekommen, ihre Wortbeiträge haben sie zu Papier gebracht, und am Mikrofon teils vorgelesen, teils frei gesprochen. Sie haben ihrem Unmut Luft gemacht. "Wir wollen das da nicht", sagt eine Anwohnerin in sehr verärgertem Tonfall mit Blick auf den Standort der Unterkunft. Sie befürchtet einen Wertverlust, "keiner will die Containerlösung, egal wo".

Jeder wisse doch um den "sozialen Sprengstoff". Sie selbst sei in einer Einrichtung für Geflüchtete in Meßstetten engagiert und habe gesehen, wie die Bewohner ein neu eingerichtetes Zimmer mit Billard und Sofa demolierten. Wie könne die Gemeinde den Bau einer Flüchtlingsunterkunft andiskutieren und den Bürgerwillen missachten? Die Besucher applaudieren.

Waizenegger: Standorte sind konfliktgeladen

Bei den Standorten stimmt Waizenegger zu: "Alle Standorte sind konfliktgeladen." Es gebe gleichwohl nicht viele Standorte, die in Bisingen in Frage kommen. Allerdings entscheide der Gemeinderat ja nicht sofort über den Standort, es gehe laut Sitzungsvorlage erst einmal um das Für und Wider einer Containerlösung – diese Entscheidung wurde wohl nicht zuletzt wegen der Bürgerbeschwerden am Ende jedoch erst einmal vertagt.

Weitere Bürger melden sich zu Wort: Warum man nicht ein, zwei Container auch in einem Neubaugebiet aufstellt? Waizenegger erneut: "Die Standortsuche ist nicht beendet." Ein anderer Anwohner findet die Informationspolitik des Rathauses "unter aller Sau". Man hätte erst eine Bürger-Info machen und das Thema danach in den Gemeinderat bringen müssen, "negative Informationspolitik" fällt als Schlagwort in diesem Zusammenhang.

Zu den Fakten gehört auch: Die Gemeinderatsunterlagen stehen seit Dienstag vergangener Woche im Rats-Informationssystem öffentlich zugänglich, am Donnerstag hat unsere Redaktion das Thema aufgegriffen und in öffentlicher Sitzung des Gemeinderats wird es an prominenter Stelle diskutiert – vorerst ohne, über den Standort zu entscheiden.

Wer für zukünftige Schäden aufkommt, will der Anwohner noch wissen. Waizenegger: "Die Personen, die dafür verantwortlich sind." Der Bürger verärgert: Von denen könne man nix holen. Er bemängelt zudem den historisch vorbelasteten Standort in direkter Nähe des ehemaligen KZ Bisingen.

Das sagt der Gemeinderat

Zu Wort gemeldet haben sich alle Fraktionen und alle stimmen überein, dass eine Containerlösung nicht ideal ist. So befürchtet Klaus Ertl eine "Ghettobildung", wenn zu viele Flüchtlinge an einem bestimmten Ort dauerhaft versammelt sind.

Bevor man das Geld für die Container ausgibt, sollte man doch auf Eigentümer zugehen. Dann würden sich die Menschen verteilen und finden vielleicht auch eher Anschluss.

Dieter Fecker sagte, dass die Belegung von Hallen Vereinsaktivitäten einschränke. Über die Container-Lösung sollte man "ganz am Schluss" sprechen. Natürlich: Wenn es unausweichlich ist, aber auch nur dann, müsse der Gemeinderat auch über den Standort von Containern entscheiden.

Gisela Birr: "Keiner will eine Containerlösung." Zuerst sollte man auf Eigentümer sprichwörtlich zugehen. Die Gemeinde dürfe nicht warten, bis jemand ins Rathaus kommt, sondern die Personen aktiv ansprechen.

Flegr: politische, juristische und humanitäre Pflicht zur Aufnahme

Konrad Flegr betonte, dass es die politische, juristische und humanitäre Pflicht der Gemeinde sei, Geflüchtete aufzunehmen. Auch er spricht sich für private Unterbringungen aus.

Falls nicht ausreichend Wohnraum gefunden werde, dann müssen als allerletzte Möglichkeit eben doch Container her.

Das sagt die Verwaltung

Dass die Gemeinde Flüchtlinge aufnehmen muss, ist unausweichlich: Die Kommunen sind dazu verpflichtet und kommen auch nicht umhin, diese gesetzliche Pflicht zu erfüllen. Wie andere Gemeinden hat auch Bisingen keinen Einfluss auf die Anzahl der Flüchtlinge, die unterzubringen sind. Verteilt werden die Menschen nach der Zahl der Einwohner. Wie andernorts auch, gehört es zur kommunalen Daseinsvorsorge, Unterkünfte bereitzustellen. Nicht nur für Ukrainer, sondern auch für Asylbewerber und Obdachlose.

Wie Waizenegger berichtete, würde das Thema Bisingen in Zukunft immer mehr fordern. Neben der steigenden Zahl ukrainischer Geflüchteter, kommen wieder verstärkt Asylbewerber, etwa aus Afrika, nach Deutschland. Er rechnet damit, dass aufgrund steigender Preise und wirtschaftlicher Unwägbarkeiten auch das Thema Obdachlosigkeit an Bedeutung gewinnen könnte.

Auch die Probleme, die manche Asylbewerber in Bisingen machen, werden benannt. In der Sitzungsvorlage heißt es: "Die teils mutwilligen Sachbeschädigungen (in den Asyl-Unterkünften) sind kaum bis gar nicht zu verhindern, da eine durchgängige Überwachung durch das Hausmeister-Team bzw. den Security-Dienst nicht (und schon gar nicht an acht Standorten zeitgleich) stattfinden kann." Und weiter: "Bei der Gemeindeverwaltung gehen zudem ständig Beschwerden der benachbarten Anwohnerschaft ein." Manche Befürchtungen der Anwohner sind also nicht von der Hand zu weisen.

"Gemeinsamer Austausch"

Egal wie: Die Verpflichtung, Geflüchtete aufzunehmen, bleibt. Waizenegger macht daher deutlich, dass man nicht nur den Gemeinderat für die Entscheidung über den Container-Standort braucht – falls diese ansteht –, sondern auch die Bevölkerung. Er sprach deshalb von einem "gemeinsamen Austausch" in der Hohenzollernhalle.