Das Interesse an Corona-Impfungen im Kreis ist derzeit wieder extrem groß Foto: Wolfilser

Die Arztpraxen im Kreis Freudenstadt, die Corona-Impfungen anbieten, werden derzeit förmlich mit Terminanfragen überrannt.

Freudenstadt - "Wir arbeiten wie die Verrückten und impfen, was das Zeug hält. Und bei der Praxisgemeinschaft Hausärzte am Spritzenhaus in Baiersbronn sieht es genauso aus", sagt Matthias Kraft. Er ist Pandemiebeauftragte der Kreisärzteschaft und Vorsitzender des Ärztenetzes Kreis Freudenstadt.

Rund 2000 Anrufe gingen derzeit täglich in seiner Praxis in Freudenstadt ein, dazu kämen Anfragen per E-Mail. Zwei Mitarbeiterinnen seien nur damit beschäftigt, die Anfragen entgegenzunehmen, und kämen dennoch kaum mit ihrer Arbeit hinterher. "2000 Anrufe bedeuten natürlich nicht 2000 Personen. Viele rufen mehrfach an, weil die Telefone ständig besetzt sind", so Kraft.

Neues Termin-Portal

Da es andernorts kaum anders aussieht, hat die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg ein Portal im Internet eingerichtet, um die Praxen bei den Terminvereinbarungen zu entlasten. Dort können Anfragen eingereicht werden, die dann an die jeweiligen Praxen gemeldet werden, die Impfungen anbieten. Die jeweilige Praxis vor Ort biete Interessenten dann per E-Mail freie Termine an.

Sonder-Termine

Der Arzt hofft, dass viele Impfwillige diesen Weg wählen. Denn die Praxis komme mit der Arbeit kaum nach. "Anzurufen, ist derzeit die schlechteste Lösung, um einen Impftermin zu vereinbaren." Er habe seine Mannschaft bereits verstärkt, um allen Impfwilligen so schnell wie möglich eine Spritze geben zu können. Die Kassenärztliche Vereinigung rufe ihre Mitglieder dazu auf, die Praxen am Samstag, 27. November, für eine Sonderimpfaktion zu öffnen. "Die Ärzteschaft strengt sich an", so Kraft.

400 Spritzen pro Woche

Aktuell würden pro Woche in seiner Praxis zwischen 300 und 400 Injektionen verabreicht. Das sei angesichts des Ansturms jedoch "ein Tropfen auf den heißen Stein". Mittlerweile hätten die meisten seiner chronisch kranken Patienten die Auffrischungsimpfung erhalten. Es seien aber auch viele Interessenten unter den Anrufern, die bislang ungeimpft sind und sich jetzt doch noch immunisieren lassen wollen.

Auch viele junge Leute hätten Interesse. Derzeit werde seine Praxis mit ausreichend Impfstoff beliefert. Kraft geht davon aus, dass die große Nachfrage nach Impfterminen noch länger anhält. Auf die Frage, ob es ein Fehler war, die Impfzentren zu schließen, will er keine Antwort geben. Das sei eine "politische Entscheidung" gewesen.

Täglich tragische Fälle

Mit generellen Impfempfehlungen hält sich Kraft zurück. Es komme immer auf den konkreten Einzelfall an. Wer Zweifel habe, solle sich von seinem Hausarzt beraten lassen. Schwangeren ab dem dritten Monat und allen, die besonders verletzliche Menschen in ihrem direkten Umfeld haben, legt Kraft die Immunisierung dennoch ans Herz. Die Gefahr sei sehr real, dass das Virus eingeschleppt werde, etwa von der Schule, dann aber ein anderes Mitglied im Haushalt eine Ansteckung mit schwerem Verlauf erleide. "Wir erleben praktisch jeden Tag eine tragische Geschichte."

Messdaten werden per App weitergeleitet

Ansonsten verweist Matthias Kraft auf die Empfehlungen der Impfkommission. Kinder und Jugendliche von zwölf bis 17 Jahren könnten das Vakzin mit Einwilligung ihrer Eltern erhalten. Ab dem Alter von 18 Jahre entscheide ohnehin jeder für sich selbst. Dass die Impfung nicht zwingend vor einer Ansteckung schützt, wohl aber vor schweren Verläufen, erlebe die Praxis auch täglich. "Wir hatten jüngst den Fall eines Ehepaars. Der Mann war geimpft, die Frau nicht. Beide waren infiziert. Der Mann hat fast nichts gemerkt, der Frau ging es richtig dreckig." Eine Reihe von Patienten der Praxis werde per Fernüberwachung betreut. Messgeräte überwachen Atemfrequenz und Sauerstoff-Sättigung im Blut, die per Handy-App "Huma" direkt an den Arzt übertragen werde. Fallen die Werte ab, werde die Praxis alarmiert.

Wer kommt, hat Corona

Dass die Zahl der Infektionen alarmierende Ausmaße angenommen habe, sei nicht mehr von der Hand zu weisen. Die Praxis habe wieder eine spezielle Infektsprechstunde eingerichtet, in denen Patienten mit entsprechenden Anzeichen getrennt von den anderen untersucht und getestet werden. Ergebnis: "Die, die dort sitzen, haben Corona, keinen Schnupfen. Und 50 Prozent unserer Patienten, denen es nicht gut geht, haben ebenfalls Corona."