Anna Netrebko Foto: dpa/Georg Hochmuth

An diesem Samstag (18. September) feiert die Starsopranistin Anna Netrebko ihren 50. Geburtstag. Auf den großen Bühnen der Welt bezaubert sie weiterhin mit ihrem glutvollen, farbreichen Sopran – wenn sie nicht absagt.

Wien/Moskau/Salzburg/New York - Als sie in diesem Jahr bei den Salzburger Festspielen die Tosca sang, trug sie ein Kleid, in das 50 000 blitzende Kristalle eingenäht waren. Das passt zu ihr: Anna Netrebko liebt den Glamour, das Extravagante. Die Vorstellung selbst war keine Galavorstellung, aber das gibt es bei Anna Netrebko immer mal wieder und hat dem Glanz der Diva bisher noch nicht nachhaltig geschadet. Schließlich liefert die Russin, die an diesem Samstag (18. September) ihren 50. Geburtstag, meist zuverlässig ab, was Opernfans bei ihr lieben. Also Glut, Intensität, einen immensen Farbreichtum der Stimme und zwischendurch präzise gesetzte leise Spitzentöne. Das gilt vor allem für russische, italienische und manchmal auch französische Opernpartien der Romantik. Bei ihnen fühlt sich Anna Netrebko zu Hause, und an guten Abenden gelingt es ihr dann auch, die Leidenschaft ihrer Stimme in ihre Darstellung hineinzutragen. Dafür liebt und bejubelt sie das Publikum.

Dabei hat die Sopranistin als Kind Opern gehasst. Dann aber sprang der Funke so intensiv über, dass sie alle Hindernisse überwand, um selbst Sängerin zu werden. Um ihr Studium in St. Petersburg bezahlen zu können, putzte sie die Böden im berühmten Mariinski-Theater. 1994 wagte sie am selben Haus ein Vorsingen – und wurde sofort vom Intendanten und Dirigenten Valery Gergiev engagiert. Als noch fast unbekannte Sopranistin sang sie dann 2002 in Salzburg die Donna Anna in Mozarts „Don Giovanni“ (unter Nikolaus Harnoncourt!) – und wurde zum Opern-Popstar. Auch die Kritiker jubelten: Netrebko vereine dramatische Kraft und lyrische Geschmeidigkeit. Seither reist sie singend um die Welt, seit 2015 mit Vorliebe gemeinsam mit ihrem zweiten Lebensgefährten Yusif Eyvazov, einem allerdings stimmlich limitierten Tenor aus Aserbaidschan. Mit ihrem ersten langjährigen Partner, dem Bariton Erwin Schrott, hat sie einen gemeinsamen Sohn.

Familienmensch und Opernstar

Anna Netrebko ist gleichzeitig Familienmensch und hochprofessioneller Opernstar. Und sie vermarktet sich selbst recht gut. Auf Instagram folgen ihr Hunderttausende, die sie immer wieder auch an privaten Erlebnissen und Empfindungen teilhaben lässt. „Was soll die Scheiße, Sommer??? Das war’s???“, schrieb sie etwa an einem frühherbstlichen Augusttag dieses Jahres. „Ich habe doch noch so viele Blümchenkleider zum Anziehen.“ Das An- und Verkleiden hat die temperamentvolle Tochter eines Geologen und einer Ingenieurin schon als Jugendliche im südrussischen Krasnodar nahe der Schwarzmeerküste geliebt und kultiviert. Bis heute tanzt sie gerne, obwohl sie mittlerweile weit entfernt ist von einer ranken, schlanken Figur. Es gibt Fans, für die Anna Netrebko ein Bühnen-Gesamtkunstwerk ist.

In den letzten Jahren ist die Stimme der Sängerin dramatischer geworden. Im deutschen Repertoire ist sie allerdings schon deshalb nicht heimisch geworden, weil die Textverständlichkeit unter ihrem Farbreichtum stark leidet. Ihre CD-Aufnahme von Orchesterliedern Richard Strauss’ mit Daniel Barenboim am Pult blieb künstlerisch unbefriedigend. Wagners Elsa (im „Lohengrin“) hat sie 2016 in Dresden gesungen, 2019 bei den Bayreuther Festspielen für dieselbe Partie aber kurzfristig „erschöpfungsbedingt“ abgesagt. Vielleicht hat sie da zu viel Erwartungsdruck gespürt.

Netrebkos politische Statements wurden stark kritisiert

Absagen sind bei Anna Netrebko insgesamt nicht selten. Wohl am spektakulärsten ging’s an der Bayerische Staatsoper zu, wo sie in Puccinis „Manon Lescaut“ hinschmiss – mit Hans Neuenfels als Regisseur konnte sich die Diva schlicht nicht anfreunden.

Heute lebt sie in Wien, besitzt seit 2006 auch den österreichischen Pass, tourt ansonsten um die Welt und feiert ihren Geburtstag mit einer Gala im Moskauer Kremlpalast, an der neben ihrem Ehemann Eyvazov auch Cecilia Bartoli, Plácido Domingo und Rolando Villazón teilnehmen. Dass Netrebkos Management ausdrücklich betont, die Wahl des Konzertortes sei kein politisches Statement, hat gute Gründe. Viel Kritik hat sich die Sängerin eingehandelt, als sie 2012 Wladimir Putin vor der russischen Präsidentenwahl unterstützte und 2014 eine Spende für Künstler in der von pro-russischen Separatisten kontrollierten Ostukraine übergab. Heute hält sich die Diva stärker zurück. Bleibt bei der Kunst. Der Jubel dort ist ist ihr sicher.