Im Stuttgarter Nordbahnhofsviertel hat die LBBW Wohnungen der Eisenbahner-Siedlungsgesellschaft übernommen Foto: Wagner

Städte mit LBBW-Bestand erwägen Wohnungskauf, um Spekulanten abzuwehren.

Stuttgart - Die Europäische Union hat Bedingungen an die erfolgte Milliardenspritze von Land, Sparkassen und Stadt Stuttgart für die Landesbank Baden-Württemberg gestellt. Zu diesen zählt der Verkauf der 24.000 LBBW-Wohnungen. Städte mit LBBW-Bestand erwägen den Wohnungskauf, um Spekulanten abzuwehren.

Der Esslinger OB Jürgen Zieger (SPD) war einer der ersten, der sich an LBBW-Vorstand Hans-Jörg Vetter wandte und über den Kauf der rund 430 Wohnungen der Bank Esslingen verhandeln wollte. Doch Zieger hat inzwischen zwei Absagen erhalten: Es stehe in absehbarer Zeit kein Einzelverkauf an einzelne Träger der Bank an. Der Wohnungsverkauf gehöre zu einem Paket von Auflagen der EU, die bis Ende 2012 erfüllt werden müssten. Die Liegenschaften seien dabei nur ein Baustein. Zieger bedauert das: Die Apartments wären eine interessante Ergänzung des städtischen Wohnungsbestandes, sagt sein Sprecher Roland Karpentier. Vor allem aber befürchtet Esslingen, dass sogenannte Heuschrecken die Wohnungen übernehmen könnten. Die Mieter hätten dann aus Sicht der Stadt das Nachsehen.

"Das wäre der gleiche Fehler wie bei der LBBW"

Esslingen würde den Kauf über die Esslinger Wohnungsbau GmbH stemmen, an der die Stadt zu 50 Prozent beteiligt ist, die großen Esslinger Unternehmen ebenfalls zu 50 Prozent. Geschäftsführer Hagen Schröter warnt davor, die Immobilien dem "freien Heuschreckenmarkt" zu überlassen. Es würde einem "Erdbeben" auf dem Mietwohnungsmarkt gleichkommen, wenn nichts mehr investiert würde - was er bei einem Verkauf an private Investoren unterstellt. Zu deren Ehrenrettung muss gesagt werden: Es gibt auch städtische Wohnungsbaugesellschaften, die ihre Bestände über Jahrezehnte vernachlässigt haben und einen Renovierungsstau vor sich herschieben.

Die diskutierte Übernahme aller LBBW-Immobilien durch die landeseigene L-Bank lehnt Schröter ab: "Das wäre der gleiche Fehler wie bei der LBBW." Schröter favorisiert, dass die Kommunen Anteile an der LBBW Immobilien GmbH übernehmen und die Wohnungen wie bisher selbst bewirtschaften. "Der heterogene über Jahre hinweg gewachsene Bestand der LBBW-Wohnung würde unseren Bestand ideal ergänzen", meint Schröter.

In Stuttgart geht es um rund 4000 Wohnungen. Erster Bürgermeister Michael Föll (CDU) sieht in Schröters Vorschlag "kaum einen gangbaren Weg". Föll kennt die Hintergründe: Einen Verkauf unter der Hand an die Städte oder deren Wohnungsbautöchter könnte von der EU-Wettbewerbskommission als Verzerrung des Markts gegeißelt werden. Sie könnte sogar eine EU-weite Ausschreibung zur Folge haben, was am Ende die Preise steigen, die Erfolgsaussichten der Kommunen für einen Zuschlag aber sinken lassen würde.

Heuschrecken sollen außen vor bleiben

Stuttgart hat dennoch ebenfalls großes Interesse, die Wohnungen zu erwerben. Grüne und auch SPD im Gemeinderat hatten Ende 2009 massiv auf einen schnellen Kauf gedrängt. Föll meint, sie seien bei der stadteigenen Wohnbaugesellschaft SWSG richtig angesiedelt. Die Landeshauptstadt warte nun ab, bis die Bank "ihre Überlegungen offenlegt". Bisher bleibt sie stumm.

Unsicherheit herrscht in den Kreishauptstädten der Region. Andreas Veit, Geschäftsführer der Wohnungsbau Ludwigsburg GmbH, geht davon aus, dass sein "kerngesundes und gut aufgestelltes Unternehmen" eine Übernahme der dortigen etwa 50 Wohnungen schultern könnte. Er rechne aber damit, "dass der Bestand an die L-Bank geht", und sieht das positiv. Hauptsache sei doch, dass die Wohnungen langfristig zu angemessenen Mietpreisen auf dem Markt blieben.

Heuschrecken sollen außen vor bleiben

In Waiblingen sieht sich OB Andreas Hesky nicht zu einer Stellungnahme in der Lage, solange ihm die LBBW nicht die Anzahl ihrer Wohnungen in seiner Stadt nennt. In Böblingen hat der ehemalige OB Alexander Vogelgsang (SPD) bereits in Januar Interesse am Kauf der dortigen 40 bis 50 Wohneinheiten bekundet. Auch er bekam aber zur Antwort, es gebe derzeit keine Kaufoption. Sindelfingens OB Bernd Vöhringer (CDU) will verhandeln: "Unser Ziel ist es, die kommunale Wohnungsversorgung zu sichern." In Göppingen gibt es keine LBBW-Mietwohnungen.

Heftig diskutiert wird das Thema Wohnungskauf am morgigen Dienstag. Dann trifft sich die Vereinigung baden-württembergischer kommunaler Wohnungsunternehmen (KoWo) zur Mitgliederversammlung in Heidelberg. Der Vorsitzende, Peter Bresinski, ist überzeugt, dass es Einzelverkäufe nicht geben wird. Sonst bliebe die LBBW womöglich auf den unrentablen Objekten sitzen. Das sieht die Bank dem Vernehmen nach - neben den Wettbewerbs-Problemen - genauso.

Bresinski sieht Probleme bei der Gründung eines Konsortiums aus Wohnungsunternehmen, weil deren Interessen einfach zu unterschiedlich seinen. Am realistischsten sei die Übernahme durch die L-Bank. Auf diese Weise würden immerhin mögliche Heuschrecken außen vor bleiben.