ZDF-Reporter Jan-Frederik Fischer fragte Russlanddeutsche vor dem Mini-Markt am Bahnhof nach einem Interview, wobei er sich von manchen auch eine Abfuhr abholte. Der hier gezeigte Mann sprach aber mit dem TV-Team. Screenshot: Schabel

Der Ukraine-Krieg und die Folgen rücken auch Lahr in den Blickpunkt. Jetzt berichtete das Heute-Journal aus der Stadt und entwarf dabei ein durchaus düsteres Bild des Zusammenlebens zwischen Aussiedlern und Alteingesessenen.

Lahr - "Etwa 10.000 Russlanddeutsche leben hier, knapp ein Viertel der Bevölkerung. Eigentlich sehen sie sich längst als gut integrierten Teil Deutschlands, doch jetzt scheint etwas ins Wanken zu geraten" – mit diesen Worten beginnt der Beitrag, den das ZDF am Samstagabend im Heute-Journal sendete. Dazu sind zum Einstieg Luftaufnahmen aus dem Kanadaring zu sehen. Lahr werde "Klein-Moskau" genannt, ist dann noch zu hören.

Die Fernsehmacher waren am Samstagvormittag in der Stadt unterwegs und interviewten Kunden vor dem Mini-Markt am Bahnhof – dort kaufen auch viele Menschen mit Wurzeln aus Russland ein. Ein Mann namens Dimitri sagt in die Kamera, dass das Kind eines Bekannten in der Schule gemobbt werde, "weil er Russe ist". Eine Aussiedlerin meint, dass sie sich bisher als Deutsche gefühlt habe, doch jetzt habe sie das Empfinden, als Russin angesehen zu werden, "Stempel drauf und fertig".

Zu sehen sind auch kurze Szenen, die zeigen, wie die Fernsehmacher mit Interviewanfragen scheitern – Passanten, die abwinken, als der Reporter mit dem Mikro in der Hand und dem Kameramann im Schlepptau auf sie zukommt. Nicht alle hätten mit ihnen reden wollen, sagt der Kommentator dazu.

Nicht jeder will mit dem ZDF-Reporter reden

Das ZDF-Team hat auch Kiril Maslow besucht, der in Mietersheim eine Tanzschule eröffnen will. Das Gebäude war in der Nacht zum vorvergangenen Samstag wohl das Ziel eines russenfeindlichen Angriffs. Auf eine Wand wurde eine anti-russische Parole geschmiert, auch eine Glasscheibe wurde beschädigt. Über den Fall hatte zuerst die Lahrer Zeitung berichtet.

Maslow zeigt den Fernsehmachern die Schäden am Gebäude und äußert sich im TV-Interview betroffen: "Was da drüben passiert, das ist nicht mein Krieg." Darüber hinaus zeichnet er ein düsteres Bild davon, was der Ukraine-Krieg und seine Folgen für das Zusammenleben in Lahr bewirkt habe: Manche Aussiedler würden sich nicht mehr trauen, Russisch zu reden.

Es seien keine Einzelfälle, ist zu hören. Maslow sagt dem ZDF-Team, dass Aussiedler in einer eigenen Whatsapp-Gruppe Beispiele für Anfeindungen sammeln. Deren Quelle seien oft unklar, auch Manipulationen von Kreml-treuen Russlanddeutschen seien nicht auszuschließen, äußert der TV-Sprecher. Dazu kommt in dem TV-Beitrag ein Migrationsforscher der Uni Wien zu Wort, demzufolge es kritisch zu sehen ist, dass Russlanddeutsche Anfeindungen gegen sich sammeln und unter sich weitergeben. Das könne "in der aufgeheizten Stimmung Spannungen noch verstärken", sorgt sich der Migrationsexperte.

Der Krieg spalte auch russlanddeutsche Familien, heißt es in dem TV-Beitrag. Die Trennlinie verlaufe oft zwischen Jung und Alt – wobei die Jüngeren Putin kritisch sehen würden und die älteren ein teils anderes Bild von ihm hätten. Tatsächlich hat das TV-Team auch einen älteren Russlanddeutschen vor die Kamera bekommen, der Putin in Schutz nimmt: Alle seien schuld am Krieg, nicht nur der russische Präsident.

Fazit der Fernsehmacher am Ende des Beitrags, in dem weder OB Markus Ibert noch ein anderer Vertreter der Stadt zu Wort kommt: Der Krieg in der Ukraine hinterlasse in Lahr "eine Mischung aus Scham, Betroffenheit, aber auch alter Kreml-Treue."

Den TV-Beitrag über Lahr haben am Samstag nicht gerade wenige Menschen gesehen, an dem Abend hatte das Heute-Journal 4,06 Millionen Zuschauer. Wer die Sendung verpasst hat: Sie kann auf Youtube abgerufen werden. Als Suchbegriff braucht man nur Heute-Journal und das Datum 12. März einzugeben.

Kommentar von Herbert Schabel: Nicht gut für das Image der Stadt

Ist es wirklich so schlimm? Ist die Stimmung in der Stadt tatsächlich so aufgeheizt? Diese Fragen dürften sich so manche Lahrer beim Betrachten des Beitrags im Heute-Journal gestellt haben. In der Nachrichtensendung des ZDF entstand der Eindruck, dass nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine Russlanddeutsche in Lahr massenweise diskriminiert werden, das Zusammenleben schwer belastet ist. Aber trifft das auch zu? Das TV-Team war sicher nicht mit der Absicht angereist, um über eine Stadt in Harmonie zu berichten – entsprechend kommen in dem Beitrag nur Russlanddeutsche zu Wort, die Negativ-Erlebnisse mitzuteilen haben. Man habe auch Aussiedler angetroffen, die nichts zu klagen hatten, wird in dem TV-Beitrag nebenbei eingeräumt – aber diese Stimmen waren im ZDF nicht zu hören. Klar ist, dass russischstämmige Lahrer tatsächlich schon Anfeindungen erleiden mussten – darüber hat auch die Lahrer Zeitung berichtet. Die Anzahl dieser Fälle ist offen, da sich die wenigsten Betroffenen an die Polizei wenden. Ob das TV-Team übertrieben hat, lässt sich somit schwer sagen. Fest steht aber, dass der Beitrag sicher keinen Imagegewinn für die Stadt darstellt. Natürlich ist auch bereits jeder einzelne Fall einer Diskrimierung einer zu viel. Zumindest ein eindeutiges verbales Foul hat das ZDF aber in jedem Fall begangen: Lahr als »Klein-Moskau« zu bezeichnen, das ging dann doch zu weit.