Ein Hechinger Arzt ist vom Amtsgericht wegen des Ausstellens falscher Maskenatteste verurteilt worden. Foto: Link

Viel Aufmerksamkeit für den Prozess um falsche Maskenatteste eines Hechinger Arztes: Die Zuschauerreihen im Gerichtssaal waren voll besetzt. Der Angeklagte sagte, er habe die Atteste aus "ethischen Gründen" ausgestellt.

Hechingen - Der Andrang im Gerichtssaal verwundert nicht, denn der Hechinger Arzt, der vor Gericht steht, gilt in der Querdenker-Szene nicht als Unbekannter. Der in Hechingen praktizierende Arzt hatte an Schülerinnen und Schüler aus Rutesheim und Pliezhausen, aus Rottweil und Tuttlingen, aus Markdorf und Meersburg Maskenatteste ausgestellt.

In mindestens elf Fällen, die sich zwischen Oktober 2020 und März 2021 abgespielt haben, glaubt die Staatsanwaltschaft nicht, dass die Befreiungen zurecht und mit der gebotenen medizinischen Sorgfalt ausgestellt wurden. Deshalb hatte der Arzt, in dessen Praxis es im November 2020 bereits eine Razzia gegeben hatte, einen Strafbefehl wegen des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse erhalten.

"Familienweise" ausgestellt

Laut der Aussage eines Polizisten waren es in Summe 469 Maskenfälle, die der Angeklagte in seiner Praxis bearbeitet habe. Bei 49 davon handele es sich gar um ganze Familien, denen der Hechinger Arzt allesamt Atteste für Maskenbefreiung ausgestellt habe. Der Staatsanwalt hebt hervor, dass diese Atteste zum Teil "familienweise" mit je 5 Euro pro Attest abgerechnet wurden. Er schätze es als "äußert zweifelhaft" ein, dass die Familien gleichzeitig zur Untersuchung da waren. Wie denn diese Untersuchung genau ausgesehen habe, wollte die Richterin von dem Angeklagten wissen.

Belastungs-EKG mit und ohne Maske

Die jungen Patienten seien, so der Angeklagte, in Begleitung ihrer Eltern zu ihm in die offene Sprechstunde gekommen und hätten ihre Beschwerden vorgetragen, worauf er ihnen ein Attest zur Maskenbefreiung ausgestellt habe. Der Angeklagte gab an, er hätte allein schon aus "ethischen Gründen" die Beschwerden der Patienten nicht ignorieren wollen und können. Diesem Ersttermin folgten seinen Angaben zufolge in allen Fällen zwei weitere Untersuchungstermine, bei denen zum einen ein Belastungs-EKG ohne Maske und zum anderen eines mit Maske durchgeführt worden wäre.

Der Angeklagte berichtet davon, dass bei einigen der untersuchten Kinder direkt nach ein paar Minuten die Untersuchung abgebrochen hätte werden müssen, da diese über unterschiedliche Beschwerden wie Schwindel oder Kopfschmerzen geklagt hätten. Eine maßgebliche Rolle bei den Untersuchungen hätte das Gerät zur Kohlendioxid-Messung gespielt, das der Angeklagte eigens dafür angeschafft hätte. "Viele Ärzte schreiben Atteste aus, ohne über so ein Gerät zu verfügen", merkt die Anwältin des Angeklagten an.

Patienten "angeworben"?

Ob er Patienten mit dem Ausschreiben von Maskenbefreiungs-Attesten "angeworben" habe, wollte die Richterin wissen. Dies verneint der Angeklagte deutlich. Dafür, dass sein Name auf "einschlägigen Seiten" im Zusammenhang mit dem Ausstellen von Attesten für Maskenbefreiung genannt worden war, könne er nichts. "Wie stehen Sie selbst zu der Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske?", wollte der Staatsanwalt wissen. Er sei der Meinung, dass die Corona-Vorgabe der Landesregierung zu beachten sei, versichert der Arzt.

Sachverständiger erstellt Gutachten

Die Anwältin des Angeklagten hebt hervor, dass es durchaus auch Fälle gegeben habe, bei denen der Angeklagte sich geweigert habe, ein Attest für Maskenbefreiung auszustellen. Eine Zeugin bestätigt dies. So habe der Angeklagte ihrem Kind, das in logopädischer Behandlung gewesen ist, kein Attest zur Maskenbefreiung deswegen ausgestellt.

Der ärztliche Sachverständiger, der mit der Erstellung eines Gutachten betreut gewesen war, hatte sich die Werte angeschaut, die der Angeklagte während seiner Untersuchungen der Patienten gesammelt habe.

Untersuchungsrahmen passt nicht

Dabei hat es sich um den Kohlendioxidpartialdruck und die Sauerstoffsättigung gehandelt, jeweils festgestellt bei dem EKG mit und ohne Maske. "Die angegebenen Werte sind vollkommen im Normbereich", lautet das Fazit von dem Sachverständigen. Er hätte keinerlei "gravierende Gesundheitsbeeinträchtigung" feststellen können. Zudem gibt er zu bedenken, dass der ganze Untersuchungsrahmen nicht richtig gewesen sei, denn man könne unmöglich die Situation der körperlichen Belastung während eines EKGs mit der doch eher geistigen Belastung des Kindes während der Schulzeit vergleichen, wenn es um die schulbezogene Maskenpflicht gehe. Die Ergonomie würde hierbei keine Rolle spielen.

Das Urteil

Die Richterin sah es zuletzt als erwiesen an, dass der Angeklagte falsche Maskenatteste ausgestellt hat. Sie verurteilte ihn zu 90 Tagessätzen zu je 100 Euro. Der Angeklagte hat sich laut Gericht in sechs Fällen dem Ausschreiben von falscher Maskenbefreiungs-Attesten schuldig gemacht.