Das Kiffen mit Minderjähren bringt einen 49-jährigen Mann nun ins Gefängnis. (Symbolfoto) Foto: Karmann

Weil er mit Minderjährigen einen Joint rauchte, muss ein schwer Drogensüchtiger ins Gefängnis. "Man lädt Kids nicht zum Kiffen ein", sagt selbst der Verteidiger. Die Richterin meint: Die einzige Chance für den Verurteilten wäre eine Therapie.

Freudenstadt - Der Angeklagte erscheint mit kurzer Hose und T-Shirt vor dem Amtsgericht Freudenstadt. Demnächst wird er 50 Jahre alt, er stammt aus Berlin. Rauschmittel nimmt er nach eigenen Angaben, seitdem er 15 ist. Sein Vorstrafenregister ist lang, es umfasst rund 30 Eintragungen, immer wieder Diebstahl, Raub, Körperverletzung – die Juristen sprechen von Beschaffungskriminalität.

Immer wieder gab es Geldstrafen, auch Haftstrafen. Ob er noch mal die Kurve kriegt – das Gericht hat erhebliche Zweifel. Jetzt muss der Berliner erst einmal über ein Jahr ins Gefängnis. Die offizielle Anklage lautet "unerlaubte Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige". Tatort, so die Anklage, ist Freudenstadt vor zwei Jahren, die Jungen seien im Alter von 12 bis 14 Jahren gewesen, man habe sich am Bahnhof getroffen, sei dann in eine nahe gelegene Obdachlosenunterkunft gegangen.

Wer die Idee hatte, einen Joint zu rauchen, lässt sich am Ende nicht wirklich klären. Es war wohl auch so etwas wie Neugier der Jungen im Spiel. Fest steht, dass einer der Jungen die "Tüte" mit Gras gedreht hat. Zum Abschluss soll der Angeklagte einem der Jungen sogar noch etwas Marihuana, weniger als ein Gramm, geschenkt haben.

Drei kleinere Fällevon Diebstahl

Hinzu kommen noch drei weitere eher kleinere Fälle von Diebstahl: Unter anderem habe der Angeklagte aus einem Hofladen in Dornstetten einmal 14 und ein anderes Mal 28 Euro entwendet. Der Kommentar des Beschuldigten zur Anklage könnte knapper nicht sein: "So war es." Zumindest einen der Minderjährigen habe er bereits vor dem Treffen gekannt: Er sei zeitweise mit dessen Mutter zusammen gewesen. "Ich weiß nicht, was mich da geritten hat", meint der Angeklagte auf die Frage, wie er dazu komme, einem Minderjährigen Marihuana zu geben. "Ich war nicht mehr Herr meiner Sinne", er habe seit Tagen nicht mehr geschlafen, habe total unter Drogen gestanden.

Seine Hauptdrogen seien Amphetamin und Ecstasy gewesen, "eher aus Not" habe er auch zu Marihuana oder Haschisch gegriffen. Drei Mal habe er bereits eine Drogentherapie gemacht – ohne Erfolg. Zwei Brüder, zur Tatzeit 12 und 14 Jahre alt, bestätigen im Kern die Anklage – an Einzelheiten können sie sich aber nicht mehr erinnern.

Aufgewachsen ist der Angeklagte über viele Jahre in einem Kinderheim, mit 15 Jahren sei er "wieder in eine Familie gekommen", sagt er. "Da fing es an mit den Drogen", begonnen habe er mit Alkohol, dann Kiffen. Den Hauptschulabschluss habe er geschafft, zeitweise habe er bei einer Umzugsfirma, bei einem Abrissunternehmen oder als Lagerist gearbeitet. Den letzten Job habe er im März 2010 gehabt, "der Drogenkonsum wurde zu viel".

Er habe zwei Söhne, Unterhalt könne er nicht zahlen, seine Drogen finanziere er sich durch Hartz 4. Er sei "geprägt von seiner Sucht", meint denn auch die Bewährungshelferin. Die Krux: Bislang habe er keine Therapie durchgehalten oder habe sie erst gar nicht angetreten. In Kürze wolle er wieder eine Entgiftung beginnen – doch ob es anschließend einen Übergang zur alles entscheidenden Langzeittherapie geben wird, sei mehr als fraglich. Auch die Staatsanwältin erkennt die schwere Drogensucht an, das mindere jedoch nicht die Schuldfähigkeit. Der Angeklagte versuche zwar zeitweise, von den Drogen wegzukommen, "doch der letzte endgültige Wille fehlt".

Eine Behandlung alseinzige Hoffnung

Für das Kiffen mit Minderjährigen, unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung, fordert die Staatsanwältin acht Monate Haft, für den Diebstahl vier Monate. "Bewährung ist nicht mehr möglich." Die Verteidigung stimmt im Wesentlichen zu, fordert alles es in allem zwei Monate weniger Haft. Die Richterin Jennifer Dallas-Buob schließt sich der Forderung der Staatsanwaltschaft an: Acht Monate Haft für das Kiffen mit Minderjährigen, vier Monate für den Diebstahl, jeweils ohne Bewährung. "Letztlich ist für Sie die Behandlung der Sucht die einzige Hoffnung", meint die Richterin. Die Aussichten seien aber nicht günstig.