Weil er seinen Saufkumpanen ohne Vorwarnung und ohne ersichtlichen Grund mit Fäusten und einem Messer attackierte, muss ein 46-Jähriger jetzt für ein Jahr und fünf Monate in Haft. (Symbolfoto) Foto: Brian Jackson – stock.adobe.com

Weil er seinen Saufkumpanen ohne Vorwarnung und ohne ersichtlichen Grund mit Fäusten und einem Messer attackierte, muss ein 46-Jähriger jetzt für ein Jahr und fünf Monate in Haft.

Freudenstadt/Rottweil - Die Gründe, warum der aus Kasachstan stammende Angeklagte, der 1994 als Spätaussiedler nach Deutschland kam, auf sein Opfer losging, konnten in dem mehrtätigen Verfahren vor dem Amtsgericht Freudenstadt allerdings nicht geklärt werden. "Das hätte buchstäblich ins Auge gehen können", sagte Richterin Jennifer Dallas-Buob mit Blick auf die Schnittverletzungen im Gesicht des Opfers.

Bewährung wollte die Richterin auch mit Blick auf Vorstrafen und angesichts einer ungünstigen Sozialprognose wegen massiver Alkoholprobleme des Täters nicht gewähren. Wegen eines Wasserschadens am Gerichtsgebäude in Freudenstadt musste das Verfahren nach Rottweil verlegt werden. Der Tathergang wurde vor Gericht wie folgt rekapituliert: Es geschah vor ziemlich genau einem Jahr in einer Gartenlaube in Freudenstadt. Täter und Opfer hatten sich zuvor am Bahnhof getroffen, es wurde viel bis sehr viel getrunken, dann entschlossen sie sich, in der Gartenlaube zu übernachten. "Total besoffen", war denn eine hauptsächliche Zustandsbeschreibung von Täter und Opfer. So richtig konnte sich ein Jahr nach der Tat niemand mehr an das Geschehen erinnern. Fest steht, dass in der Gartenlaube zunächst weitergetrunken wurde – bis sich urplötzlich Wut und Aggression des Angeklagten entluden. Die entscheidende Frage im Prozess war jedoch: Schlug der Beschuldigte lediglich mit den Fäusten zu oder attackierte er auch mit einem Messer?

Opfer widerspricht sich

Um die Frage zu klären, war zum Abschluss des Prozesses eigens eine Gerichtsmedizinerin angereist. Sie war sozusagen der Mittelpunkt des letzten Prozesstages, nachdem das Opfer, das auch als Nebenkläger auftrat, entgegen ersten Angaben nach der Tat behauptete, der Täter habe ihn ausschließlich mit Fäusten, nicht aber mit dem Messer attackiert.

Mit oder ohne Messer?, hieß denn die Kreuzfrage an die Sachverständige. Eingehend wurden mehrere Bilder der Verletzungen auf einer Leinwand im Gerichtssaal begutachtet. Es waren Blutergüsse in Augennähe zu sehen, die wohl von einem Faustschlag stammten, sowie Schnitte, etwa ein Schnitt vom Nasenrücken bis zum Augenrand, die die Sachverständige als "glattrandige Verletzungen" bezeichnete – die gemeinhin "von einem Schneidewerkzeug verursacht werden". Auf gut Deutsch: Von einem Messer.

Auch nach beharrlichen Zweifeln und Fragen der Verteidigung, ob die Schnitte nicht auch durch die Brille des Geschädigten verursacht worden sein könnten, blieb die Expertin bei ihrem Urteil. "Aus rechtsmedizinischer Sicht ist es plausibler durch ein Schneidwerkzeug". Auch der Angeklagte habe nach der Tat zunächst erklärt, dass er zum Messer gegriffen habe. "Ich war so wütend, ich wollte ihn umbringen", habe der Angeklagte seinerzeit sogar gesagt, so die Richterin zur Begründung des Urteils.

Richterin hat keine Zweifel

Die Staatsanwaltschaft forderte schließlich wegen Körperverletzung (sowie einer weiteren, kleineren Straftat wegen Sachbeschädigung und Beamtenbeleidigung) insgesamt ein Jahr und acht Monate Haft ohne Bewährung. Für den Angeklagten spreche, dass er gestanden und sich zudem bei dem Opfer entschuldigt habe, auch müsse "die alkoholbedingte Enthemmung" berücksichtigt werden. Zu seinen Lasten sprächen aber die Vorstrafen. Die Verteidigung blieb bei den Zweifeln, ob tatsächlich ein Messer im Spiel gewesen ist und plädierte für zehn Monate Haft – eine Strafe, die durch die Untersuchungshaft so gut wie verbüßt sei.

Richterin Dallas-Buob und die Schöffen entschieden auf ein Jahr und fünf Monate Haft. Ihr Fazit: "Bei uns gibt es keinen Zweifel, dass es ein Messer war." Die Frage, warum es zu der Aggression und der Wutattacke in der Gartenlaube gekommen war, konnte vom Gericht allerdings nicht geklärt werden. Immerhin, so die Richterin, der Verurteilte hat sich bei seinem Opfer entschuldigt.