"Szene" statt Apotheke: Eine Haftstrafe auf Bewährung hat das Amtsgericht Freudenstadt gegen einen 25-Jährigen verhängt, der sich Cannabis besorgt hatte – gegen Schmerzen.
Freudenstadt - Hanf als Schmerztherapie – das gibt es schon seit einiger Zeit. Insofern war es ist kein normaler Drogenprozess, wie er vor dem Amtsgericht Freudenstadt immer wieder vorkommt. Der Angeklagte erschien im Rollstuhl vor dem Richter. Vor drei Jahren hatte er einen schweren Arbeitsunfall. Das Cannabis habe er sich gegen die Schmerzen besorgt, an denen er seit seinem Unfall leide.
Die Anklage lautet "unerlaubter Besitz von Betäubungsmittel in nicht unerheblicher Menge". Das Urteil von Richter Rainer Graf-Frank lautet auf acht Monate Haft auf Bewährung. Reaktion des Verurteilten: "Ich akzeptiere das so." Ihm sei klar, dass er einen Fehler gemacht habe, hatte der junge Mann gleich zu Beginn des Prozesses eingeräumt. Die Anklage von Oberstaatsanwältin Sabine Mayländer stimmt er vollumfänglich zu. Ja, er sei im März vorigen Jahres mit dem Auto nach Frankfurt gefahren. Dort habe er im Bahnhofsviertel 195 Gramm Marihuana von guter Qualität gekauft, das Gramm zu sechs Euro. 50 Gramm habe er zum Selbstkostenpreis an einen Bekannten weitergeben wollen, mit dem Rest wollte er gegen seine Schmerzen angehen.
Warum kein Gang zu Arzt?
Warum er nicht damals schon zum Arzt gegangen sei und sich Cannabis zur Schmerztherapie habe verschreiben lassen – das könne er im Nachhinein allerdings selbst nicht genau erklären. Erst mehrere Monate nach der Tat und der Festnahme habe er einen Arzt aufgesucht und sich Cannabis verschreiben lassen. Zuerst habe er Cannabis-Öl eingenommen, doch das habe nicht so gut gewirkt. Jetzt inhaliere er den Rauch der Cannabisblüten. Derzeit benötige er zwei Gramm pro Tag.
Schwerer Arbeitsunfall
Der Unfall, so der Angeklagte weiter, habe sich vor dreieinhalb Jahren in einem Betrieb in Nagold ereignet. Er habe Kühlgeräte transportiert, tonnenschwere Geräte, einer der Maschinen sei auf ihn gestürzt. "Ich war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort", berichtet er beinahe lapidar. Seitdem sei er auf den Rollstuhl angewiesen. Zeitweise könne er schon mit Hilfe eines Rollators gehen.
Lauftraining ist hart
Die Querschnittslähmung sei glücklicherweise nicht vollständig, die Wirbelsäule nicht getrennt, sondern lediglich gequetscht. Er sei "guter Hoffnung", dass er eines Tages wieder gehen könne. Aber dies sei ein weiter und steiniger Weg. "Ich habe durch das Training große Schmerzen. Dabei hilft mir Cannabis, die Schmerzen zu verringern." Andere Schmerzmedikamente hätten unangenehme Nebenwirkungen bei ihm verursacht, seien ihm "aufs Gemüt" geschlagen. Den Tipp mit Cannabis habe ihm ein Mitpatient in der Klinik gegeben.
Staatsanwältin Mayländer sprach in ihrem Plädoyer den von einem minderschweren Fall von Drogenbesitz. Es sei "extrem unvernünftig" gewesen, dass sich der Angeklagte das Cannabis nicht von Anfang an legal besorgen habe. So bleibe der Tatbestand des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht unerheblicher Menge. Die Staatsanwältin fordert daher acht Monate Haft auf Bewährung sowie eine Geldauflage.
Richter folgt der Anklage
Die Verteidigung plädiert für drei Monate Haft auf Bewährung. Richter Graf-Frank schließt sich dem Plädoyer der Staatsanwältin an – acht Monate Haft auf Bewährung. "Es wäre richtiger gewesen, Sie wären damals direkt zum Arzt gegangen."