Soll Deutschland Panzer in die Ukraine liefern? Hier ein ukrainischer Panzer in einem Außenbezirk von Kiew Foto: AFP/Tobias Schwarz, dpa/Evgeniy Maloletka/Sina Schuldt

Auch die Regierungsankündigung, für Waffenkäufe der Ukraine deutlich mehr Geld bereitzustellen, trägt kaum zur Beruhigung der koalitionsinternen Debatte über weitere Militärhilfe bei. Der Vorwurf an Kanzler Scholz lautet, er sei viel zu zögerlich.

Eine Osterruhe hat es auch im vergangenen Jahr nicht gegeben. Damals wollte die Bundesregierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den Gründonnerstag zum zusätzlichen Feiertag machen, um die steigenden Coronazahlen zu senken. Das Vorhaben scheiterte an handwerklichen Mängel, was gewaltigen politischen Schaden anrichtete. Österliche Ruhe war nun auch Nachfolger Olaf Scholz (SPD) nicht vergönnt – seine Ampelkoalition streitet erbittert über die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine und macht dabei auch vor ihrem Chef nicht Halt.

Kurz vor den Feiertagen hatte sich eine heikle Gemengelage zusammengebraut. Da war einerseits der von ukrainischer Seite „nicht gewünschte“ Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der in Kiew wegen seiner Russlandpolitik als ehemaliger Außenminister nicht gut gelitten ist. Das führte am vergangenen Mittwoch zu harter Kritik unter anderem am ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk. Am selben Tag jedoch kehrten mit Anton Hofreiter (Grüne), Michael Roth (SPD) und Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) drei Bundestagsausschussvorsitzende von der ersten Ukrainereise einer deutschen Delegation seit Kriegsbeginn zurück – die sich den Forderungen Melnyks und dessen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nach Lieferung schwerer Waffen sowie ihrer Kritik an Scholz anschlossen. Das gipfelte in Hofreiters Satz: „Der Kanzler ist das Problem“.

Erster großer Streit in der Ampel

Das wiederum veranlasste Rolf Mützenich (SPD) als Vorsitzenden der größten Regierungsfraktion zu einer Art Ordnungsruf. „Die Bilder und Berichte über den von Russland geführten Angriffskrieg gegen die Ukraine sind schrecklich und verstörend. Sich davon vor Ort ein Bild zu machen, kann richtig sein“, teilte er der Dreierreisegruppe mit: „Unter diesem Eindruck allerdings bisher beispiellose Entscheidungen zu fordern, ohne sie selbst verantworten zu müssen, ist falsch – zumal diese weitgehende Konsequenzen für die Sicherheit unseres Landes und der Nato haben könnten.“ Die Erklärung führte zu neuem Widerspruch – und die Ampel hatte ihren ersten ganz großen Streit.

Scholz selbst hat sich dazu bisher nicht geäußert. Wohl aber sah er sich genötigt, sein Bundespresseamt und Finanzminister Christian Lindner (FDP) über eine geplante Aufstockung der Finanzhilfe für die Ukraine berichten zu lassen. So soll die sogenannte Ertüchtigungshilfe, ein Fonds auch zur militärischen Unterstützung von Partnerländern, auf zwei Milliarden Euro gesteigert werden. Davon sei, so ein Regierungssprecher, „der größte Teil für Militärhilfe für die Ukraine vorgesehen“. Auch ein entsprechender EU-Topf wird befüllt.

Um dem Eindruck von Zögerlichkeit entgegenzuwirken, wurde zudem betont, dass die Grundsatzentscheidung bereits vor zwei Wochen gefallen sei. Damit sind einem Regierungssprecher zufolge auch sofort Waffenlieferungen möglich, obwohl die Geldfreigabe erst mit dem noch zu beschließenden Ergänzungshaushalt 2022 erfolgt: „Bis zu dessen Inkrafttreten werden anfallende Ausgaben für militärische Beschaffungen zugunsten der Ukraine aus bestehenden Titeln finanziert.“

Noch viele Zweifel sind zu hören

Für Nils Schmid, den außenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, „hat sich die Debatte insofern erledigt“. Die Ampelkoalition ist sich seiner Einschätzung nach einig, dass die Ukraine so schnell wie möglich mehr Hilfe erhält: „Es gibt jetzt mehr Geld und auch keine prinzipiellen Einwände gegen die Lieferung schwerer Waffen, wie das Beispiel genehmigter Exporte ehemaliger deutscher Waffensysteme aus Tschechien zeigt“. Doch sind auch über Ostern in der Koalition noch viele Zweifel zu hören, dass die Ukraine mit dem Geld wirklich schnell schwere Waffen in Deutschland kaufen kann.

Die Debatte nimmt darüber hinaus ohnehin eher noch an Dynamik zu. Auf einen Gastbeitrag im „Spiegel“ etwa, in dem der frühere SPD-Außenminister Sigmar Gabriel Botschafter Melnyk im Umgang mit Steinmeier Bösartigkeit vorwarf, reagierte der Ukrainer empört – bösartig sei vor allem die „jahrelange Putin-freundliche Politik“ von Gabriel und dessen „SPD-Kumpanen“ gewesen. „Die Aufarbeitung kommt noch. Shame on you“, schrieb er. Er veröffentlichte auf Twitter zudem Schnipsel russischer Berichterstattung, um zu verdeutlichen, wie Gabriels Aussagen vom Moskauer Propagandaapparat genutzt würden.

Mitten in diese Debatte hinein sorgte SPD- Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoğuz am Montag für weitere Irritationen. „Seinem Volk hilft er damit nicht“, schrieb sie auf Twitter zu Melnyk.