Gedenksteine liegen am 11. März 2010 nach der Gedenkfeier für den Amoklauf in Winnenden vor der Albertville-Realschule. Foto: dpa

Bald sind alle Zeugen gehört. Die Mutter und die Schwester des Amokläufers sagen nicht aus.

Stuttgart - Der bundesweit erste Prozess gegen einen Angehörigen eines Amokläufers vor dem Landgericht Stuttgart ist am achten Verhandlungstag in die Tiefen der Strafprozessordnung abgetaucht. Der wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz angeklagte Vater des Amokläufers von Winnenden und Wendlingen schweigt seit Beginn der Hauptverhandlung. Jetzt wird darüber gestritten, ob das Gericht die Aussagen des 51-jährigen Jörg K. verwerten darf, die er kurz nach der Tat seines Sohnes Tim im März 2009 gemacht hatte.

Die Verteidiger Hans Steffan und Hubert Gorka sagen: "Nein." Am 11. März 2009 hatte Tim K. erst in der Albertville-Realschule und im Garten des Psychiatriezentrums in Winnenden und dann in Wendlingen mit einer Waffe seines Vaters insgesamt 15 Menschen erschossen, ehe er sich selbst richtete. Ab ungefähr 10 Uhr sei klar gewesen, dass es sich bei dem Täter um Tim K. gehandelt habe, so Verteidiger Steffan. Und kurz darauf sei ebenso klar gewesen, dass die Tatwaffe die "unsachgemäß aufbewahrte" Beretta des Vaters gewesen sei. Also hätte Jörg K. bei seinen Vernehmungen am 11. und 12. März als Beschuldigter belehrt werden müssen. Dies sei nicht geschehen. Also dürften die Aussagen des Vaters nicht verwertet werden, so Steffan.

Gleiches gelte für die Gespräche des Angeklagten am 12. März mit seiner Frau und seiner Tochter in einem Polizeifahrzeug, in dem die Familie ins Robert-Bosch-Krankenhaus zum Leichnam des Sohnes gebracht worden war. "Die Familie musste in der wohl schwersten Stunde ihres Lebens nicht davon ausgehen, dass sie belauscht wird", kritisiert Hans Steffan. Die Richter werden über das beantragte Verwertungsverbot zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden.Vorsitzender Richter Reiner Skujat hat zudem angekündigt, die umfangreiche Beweisaufnahme zu straffen. Dies sei möglich, da weder die Mutter noch die Schwester des Amokläufers aussagen werden. Der Prozess ist derzeit bis 11. Januar 2011 terminiert. Nun könnte noch im Dezember ein Urteil verkündet werden.