Mit der Nummer 91 wird Raphael Zistler heute im German Bowl um den Meistertitel kämpfen. Foto: Zistler

American Football: Gündringer spielt für die Schwäbisch Hall Unicorns im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft.

30 .000 Zuschauer werden in der Commerzbank-Arena in Frankfurt erwartet, der Fernsehsender Sport 1 überträgt live. Hunderttausende werden vor den Bildschirmen mitfiebern. Und mittendrin auf dem Spielfeld: Raphael Zistler aus Gündringen.

Der German Bowl XLI – das 41. Endspiel um die Deutsche Meisterschaft im American Football steigt am heutigen Samstag Es stehen sich gegenüber: Die Schwäbisch Hall Unicorns und die Braunschweig Lions.

Seit dieser Saison spielt der Gündringer Raphael Zistler für die Unicorns, das Team, das seit Jahren den American Football in Deutschland beherrscht. Zwei Titel und 50 Spiele haben die Unicorns in Folge gewonnen. Das ist die längste Serie, die je einem Bundesligateam in der deutschen Sportgeschichte gelang – in allen Sportarten. Die Unicorns sind damit besser als die weiteren Rekordhalter THW Kiel, Alba Berlin oder Bayern München. Im Finale bekommen es die Unicorns nun mit einem gleichwertigen Gegner zu tun. Die Rekordmeister aus Braunschweig sind ebenfalls ungeschlagen durch die Vorrunde und die anschließenden Play-offs marschiert.

Imposante Gestalt

"Aufgeregt oder nervös? Nein, das bin ich nicht. Eher angespannt", meint der 24-jährige Zistler nach kurzem Nachdenken. Wenige Tage vor dem bislang wichtigsten Spiel seiner Karriere sitzt er in Trainingshose und Pullover mit großem Einhorn-Emblem und Unicorns-Schriftzug am Küchentisch seiner Eltern in Gündringen.

Zistler ist eine imposante Gestalt, er gehört zu den großen, schweren Jungs seines Teams: 1,94 Meter groß, 132 Kilogramm schwer. Er spielt auf der Position des Defensive Tackle – also in der Mitte der ersten Defensivlinie, da braucht man diese Gardemaße. Denn jeder Spieler auf dem Feld hat eine genaue Jobbeschreibung. Football ist ein Spiel der Spezialisten. Zistlers Aufgabe ist es, den gegnerischen Spielmacher, den Quarterback, zu jagen und zu Boden zu bringen oder zumindest am gezielten Pass zu hindern. Gibt der Quarterback den Ball an den Running Back ab, muss Zistler diesen mit allen erlaubten Mitteln stoppen. "Bei uns gibt es nur Vollgas und immer vollen Körperkontakt", sagt Zistler zu den Anforderungen an seine Position und seine Augen leuchten dabei vor Begeisterung.

Akribische Vorbereitung

Er wisse auch schon, was ihn heute erwarten wird. Die Zeit nervös zu werden, habe er gar nicht. Denn im Football ist nicht nur die Athletik ausschlaggebend. Die Vorbereitung auf den Gegner gehört genauso zum Sport dazu. Die vergangenen Tagen waren durchgeplant. "Wir haben jedes Spiel der Lions auf Tape bekommen", sagt Zistler. Stundenlanges Filmmaterial, in das sich er und seine Teamkameraden bis ins kleinste Detail vertieft haben.

Genaue Anweisungen

Zusätzlich gab es vom Trainerteam genaue Anweisungen, auf was zu achten sei. "Ich weiß von meinen Gegenspielern alles, wie groß sie sind und wie schwer. Wie sie sich bewegen und in welche Richtung sie in welchem Winkel am liebsten ausweichen".

Auch die eigenen Spielzüge wurden für das wichtigste Spiel der Saison noch einmal justiert, neue Befehle und Laufwege einstudiert. Alles aus der Vogelperspektive mit einer Drohne aufgenommen, damit jeder kleine Fehler im Nachhinein analysiert und ausgemerzt werden kann. "Football lebt von Akribie", sagt Zistler.

Während der Saison ist der Aufwand nicht viel geringer. Dreimal in der Woche ist Mannschaftstraining in Schwäbisch Hall. Zwei bis drei Mal macht Zistler noch individuelles Krafttraining. Dazu kommen noch mehrere Stunden Video-Studium in der Woche. Ein straffes Pensum für ein Hobby – denn eigentlich ist Zistler noch Student. "Ich habe meine Bachelorarbeit in Maschinenbau bei einem Unternehmen in Ergenzingen gerade geschrieben. Deshalb bin ich wieder bei meinen Eltern eingezogen", erzählt er.

Studiert hat er an der Universität in Karlsruhe, dort kam er auch zum ersten Mal mit Football in Kontakt. "Früher habe ich Fußball gespielt, von den Bambini bis zur B-Jugend", erzählt Zistler. Nach eineinhalb Jahren Segelfliegen habe er dann mit Krafttraining im Fitnessstudio angefangen. Dort wurde er in Karlsruhe angesprochen. Schnell begeisterte ihn der Sport. Er sammelte in der Mannschaft der KIT SC Engineers in der Regionalliga Spielerfahrung und verbesserte sich stetig.

Großer Ehrgeiz

"Aber ich habe gemerkt, dass ich noch mehr will", sagte Zistler. "Ich bin sehr ehrgeizig". Deshalb der Wechsel zu den großen Unicorns nach Schwäbisch Hall. "Da war ich anfangs natürlich ein bisschen eingeschüchtert, aber ich habe einfach meine Klappe gehalten und alles aufgesogen", sagt Zistler.

Gleich im ersten Jahr schafft er so den Sprung, wird ein wichtiges Kadermitglied. "Ich darf recht viel spielen, scheinbar mache ich meine Sache nicht so schlecht", sagt Zistler bescheiden, der sich seine Position mit Alexander Kreß, dem vielleicht besten Defensive Tackle, den es in Deutschland gibt, teilt.

Kreß gebe ihm immer wieder wertvolle Tipps, meint Zistler. Und da es immer voll zur Sache geht, rotieren die beiden. Bei zwei Spielen der Saison stand Zistler sogar in der Startformation. "Von ihm kann ich in jedem Training noch was lernen", sagt Zistler, der stolz darauf ist, kaum ein Training verpasst zu haben. D a nimmt er auch die zwei Stunden Hin- und Rückfahrt in Kauf. "Man muss eben Opfer bringen, wenn man den German Bowl in der Commerzbank-Arena spielen will."