Becky (Lea Drinda), Mark (Jeremias Meyer) und Memo (Zoran Pingel, von links) haben das Tor zu einer anderen Welt entdeckt. Foto: Amazon/SMPSP/W&B/Gordon Timpen

An diesem Freitag startet bei Amazon Prime „Der Greif“. Die Macher legen sich in der Fantasyserie, die auf Wolfgang Hohlbeins Kultroman beruht, mit Netflix an und hätten am liebsten auch Metallica auftreten lassen.

Eine Außenseiter-Clique entdeckt im Provinzkaff Krefelden im Jahr 1994 den Übergang zu einer albtraumhaft-düsteren Parallelwelt, in der Menschen versklavt werden. Wer sich an „Stranger Things“ erinnert fühlt, liegt nicht falsch. Eine Kopie der Netflix-Erfolgsserie ist „Der Greif“ trotzdem nicht. Die Serienmacher Erol Yesilkaya und Sebastian Marka verraten, warum.

Herr Yesilkaya, Herr Marka, Wolfgang Hohlbeins Bücher haben sich 40 Millionen Mal verkauft. Wenn man eine Serie nach einem seiner Bestseller macht: Kann das nicht schiefgehen – oder kann das nur schiefgehen?

Erol Yesilkaya Das ist eine Frage, die wir uns auch stellen.

Sebastian Marka Wir kommen ja vom „Tatort“. Das heißt, wir sind sehr erfahren darin, eine große Marke im Hintergrund zu haben. Obwohl man dadurch auch etwas Neues schafft, Neues ausprobieren kann, muss man keine große Angst haben zu scheitern, weil einem acht bis zehn Millionen Zuschauer sicher sind. Das ist bei Hohlbein auch ein bisschen so: Man hat diese Marke im Hintergrund, das heißt, viele, viele Leute werden einem eine Chance geben. Aber es ist natürlich auch so, dass sehr viel Geld investiert wurde. Da ist der Druck schon hoch.

Yesilkaya Aber ehrlich gesagt, selbst wenn die Serie die eine oder andere Million weniger gekostet hätte, wäre der Druck trotzdem groß gewesen. Wir sind selbst Fans von Wolfgang Hohlbeins Büchern, und es gibt bisher keine erwachsene, wirklich große Verfilmung seines Werks. Und das, obwohl wir vom erfolgreichsten lebenden deutschen Autor aller Zeiten sprechen.

Warum ist das so?

Marka Er wäre längst verfilmt worden, wenn seine Werke nicht so hohe Budgets benötigen würden. Fantasy ist teuer. Und dafür gab es in Deutschland bisher nicht die Mittel. Das hat sich mit den Streamern geändert. Eine Serie, die das Dreifache oder Vierfache eines deutschen Kinofilms kostet, ist nun möglich. Und die Streamer können das auch machen, weil sie die Serie per Knopfdruck auf der ganzen Welt auswerten können. Das ist der eine Grund, der andere ist, dass wir in Deutschland zwischen U- und E-Literatur unterscheiden und uns daher mit der Verfilmung von Genre-Literatur schwertun.

Yesilkaya Man kämpft gegen eine Grundskepsis an. Dabei stand die Wiege vieler Genres in Deutschland: „Nosferatu“, „Die Nibelungen“, „M“ oder „Metropolis“. Trotzdem gibt es seit Generationen keine Präzedenzfälle mehr. Das wollen wir ändern.

Aber ist die Netflix-Serie „Dark“ nicht letztlich ein Präzedenzfall, der zeigt, dass Deutschland auch Genre kann?

Marka Stimmt. „Dark“ ist ein gutes Beispiel. Wir wissen jedenfalls, dass viele Streamer und Studios in Deutschland in den Startlöchern stehen mit Fantasy- und Genrestoffen und jetzt auf „Der Greif“ schauen und abwarten, wie das läuft.

Yesilkaya Was „Dark“ gezeigt hat, ist, dass ein deutscher Stoff im Ausland gut funktionieren kann. Und bei einem Projekt, das so groß ist wie „Der Greif“, ist es zwingend notwendig, dass es international funktioniert.

Marka Wir haben zehn Synchronfassungen erstellt, es gibt Untertitel in 35 Sprachen.

War für Sie als Hohlbein-Fans alles, was Sie seit „Notruf Hafenkante“, Ihrer ersten Zusammenarbeit im Jahr 2015, gemacht haben, die Vorbereitung darauf, den „Der Greif“ verfilmen zu können?

Marka Ich habe nie so viel in so kurzer Zeit gedreht wie bei „Notruf Hafenkante“. Auch beim „Tatort“ steht man enorm unter Druck, Ich würde das als Abhärtungsprogramm bezeichnen. Wir haben aber beim „Tatort“ auch genretechnisch und filmästhetisch viel ausprobiert, mal Thriller, mal Horror, mal Komödie, mal realistisch. Nicht nur, aber auch mit dem „Greif“ im Hinterkopf.

Yesilkaya Aber nichts gegen den „Tatort“. Die Wahrscheinlichkeit ist extrem groß, dass wir wieder einen „Tatort“ machen werden. Er ist einfach ein tolles Format, das einzigartig in der deutschen Filmlandschaft ist.

Stört es Sie, wenn man sagt, dass „Der Greif“ ein bisschen wie die deutsche Antwort auf „Stranger Things“ wirkt?

Yesilkaya Die Vergleiche werden kommen. Es gibt junge Leute in Hauptrollen. Es gibt einen Nostalgie-Ansatz. Da denkt man natürlich an „Stranger Things“. Die Ähnlichkeit liegt auch daran, dass die Duffer-Brüder, die „Stranger Things“ gemacht haben, eine ähnliche Generation wie wir sind. Wir leben künstlerisch gesehen in einer postmodernen Gesellschaft. Unsere Generation ist mit Filmen aufgewachsen, die nun Teil unserer Vergangenheit, unserer Identität, unserer Sprache sind.

Marka Die BMX-Räder bei „Stranger Things“ verweisen natürlich auf „E.T. – Der Außerirdische“, die Clique erinnert an „Die Goonies“. „Stranger Things“ ist eine Hommage an die 80er Jahre und an die Amblin-Filme von Steven Spielberg. Und wir machen eine Hommage an die Grunge-Zeit in den 90er Jahren und an die Amblin-Filme.

Yesilkaya Als Sebastian und ich anfingen, „Der Greif“ zu entwickeln, kannten wir „Stranger Things“ noch gar nicht. Etwas frustriert waren wir aber schon, als in der vierten Staffel elf Minuten lang „Master of Puppets“ von Metallica gefeiert wurde.

Marka Wir hatten nämlich selbst den Traum, Metallica ganz groß in einer ähnlichen Szene auftauchen zu lassen: Memo, eine unserer Filmfiguren, sollte „One“ von Metallica auf der Gitarre spielen und dann eine Vision haben, dass er auf einmal mit Metallica auf der Bühne steht. Wir hatten angefragt, ob wir dafür Metallica bekommen können, doch es war einfach kostentechnisch nicht möglich. Als die „Stranger Things“-Staffel mit der Metallica-Szene dann rauskam, hatten wir schon abgedreht. Damit, dass es trotzdem Leute geben wird, die denken, wir hätten kopiert, muss man als Filmemacher leben.

Wolfgang Hohlbeins Kultroman „Der Greif“ als Serie

Showrunner
 Ihre Begeisterung für das Werk des deutschen Fantasyautors Wolfgang Hohlbein hat Erol Yesilkaya (46) und Sebastian Marka (45) zusammengebracht. Seit 2015 arbeiten sie als Team, haben gemeinsam viele „Tatort“-Episoden geschrieben und inszeniert. Für die Berliner „Tatort“-Folge „Meta“ wurden die beiden 2019 mit einem Grimme-Preis ausgezeichnet.

Termin
 Seit acht Jahren planen Yesilkaya und Marka die Fantasyserie nach Hohlbeins Kultroman „Der Greif“ aus dem Jahr 1989. An diesem Freitag startet die Serie bei Amazon Prime.