Der Unfall am 19. Februar bei Schopfloch. Foto: Sdmg Schulz/dpa

Emotionaler Auftakt beim Todesfahrer-Prozess vor dem Amtsgericht. Die Mutter eines Opfers stürmt auf den Angeklagten Karsten T. (34, Name geändert) zu. Zeigt ihm das Foto ihres Kindes. Ruft: „Mörder!“

Eine Frau daneben: „Tragisch!“ Die Mutter des Opfers: „Sie hätten Ihren Sohn besser erziehen müssen. Keine Drogen. Er hat drei Familien zerstört!“

Im Gerichtssaal schaut der Angeklagte meistens nach unten. Seine Finger zittern. Nur, wenn er die Finger seiner Hand um den Stift schließt, hört das Zittern auf.

Der Unfall auf der B 28

Was war passiert?

Der Staatsanwalt: „Am 19. Februar um 1.45 Uhr ist der Angeklagte auf der B 28 bei Schopfloch in der Rechtskurve Richtung Freudenstadt mit 200 km/h hinein gefahren. Er kam nach links auf die Gegenfahrbahn, stieß frontal auf den VW Touran. Alkoholisiert. T.s Beifahrer und die beiden VW-Insassen sind tot. Deshalb lautet die Anklage auf fahrlässige Tötung in drei Fällen.

Was sagt Unfallfahrer Karsten T.? „Ich war mit meinem Freund Stefan H. (Name geändert) unterwegs. Wir waren in Horb, haben geredet und Bier getrunken. Er wollte noch zu einem Freund nach Rexingen. Da waren wir auch noch. Was dann war, weiß ich nicht mehr!“

Das Auto bezahlt er immer noch ab

Der Unfall. Vorher hatte Karsten T. noch bergauf überholt. Dann rast der 388 PS-Mercedes E 500 – den T. nach drei Jahren immer noch abbezahlt – frontal gegen einen VW Touran. Sein Freund Stefan kam noch in die Notaufaufnahme. Der nicht angeschnallte VW-Fahrer rausgeschleudert. Sein Beifahrer – eingeklemmt. Beide starben noch an der Unfallstelle.

Verkehrsgutachter Frank Rauland hat Spuren und Schäden genau untersucht. Seine Analyse: „Die Tachonadel blieb bei 170 km/h stehen. Der Mercedes E 500 muss mit 200 bis 215 km/h in die Kurve gegangen sein. Driftete nach links und prallte seitlich mit der Fahrerseite gegen den Touran.“

Beide Fahrzeuge schleuderten

Zeigt die Fotos des VW. Zusammengeschoben bis zur Rücklehne des Fahrersitzes. Beide Autos schleuderten Richtung Freudenstadt, blieben nach 54 Metern stehen.

Monteur Ali H. griff beherzt ein. Weil er auf Montage war und nicht im Gerichtssaal, gab es gleich 300 Euro Ordnungsgeld. Richter Albrecht Trick verlas seine Polizei-Aussage : „Die Insassen des VWs schienen leblos zu sein. Ging zum Mercedes, der brannte schon. Karsten saß auf dem Fahrersitz, die Hände fest am Steuer. Der Mund weit offen. Er schien unter Schock zu stehen.“

Ein Bild von der Unfallstelle Foto: Feuerwehr

Der Zeuge weiter im Polizeiverhör: „Ich machte den Gurt los, die Tür auf. 15 Sekunden lang passierte nichts. Dann reagierte er. Ich legte ihn auf die Straße. Ich erklärte ihm, dass er einen Unfall hatte. Karsten antwortete: What the fuck! Wie? Wo? Warum?“

Zwei Polizisten, die vor Ort waren, sagen unisono: „So einen Unfall hatten wir in unserer langjährigen Karriere noch nicht gesehen!“

Tränen der Reue nach der Mittagspause

Nebenkläger und Verteidiger haben sich geeinigt. Karsten T. zahlt 2500 Euro Schmerzensgeld an die Eltern seines Beifahrers. Entschuldigt sich.

Um 13.17 Uhr steht der Angeklagte auf. Weint: „Es tut mir Leid, dass ich euren Familien so viel Leid angetan habe. Ich würde so gerne tauschen mit den dreien. Ich kann mich nur entschuldigen und um Vergebung bitten!“

Stefans Mutter: „Das bringt mir den Buben nicht zurück. Für den Raum hier reicht es!“

Ein Urteil ist das freilich noch nicht: Der Prozess geht am Donnerstag weiter.

Wie schuldig ist der Angeklagte im Todesfahrer-Prozess?

Drogen und Alkohol
Rechtsmediziner Tobias Marx stellt fest: Keine Drogen anhand aller vorliegenden Untersuchungen. Obwohl die Polizei am Unfallort am Tag danach ein Päckchen mit gut 2 Gramm Amphetamin gefunden haben. Der Polizist: „Aufgrund des Windes damals ist unklar, woher die Droge stammt.“ Aufgrund der Blutproben muss Karsten T. beim Frontal-Crash zwischen 0,59 und 1,12 Promille im Blut gehabt haben. Marx: „Das hat auf die Schuldfähigkeit keine nennenswerte Auswirkung. Es handelt sich höchstwahrscheinlich um einen alkoholbedingten Fahrfehler. Gerade bei eher geringen Alkoholwerten führt das zum Enthemmungsphänomen und zu schnellem Fahren!“

Wie geht es weiter?
Der Prozess wird am Donnerstag um 9 Uhr im Amtsgericht Horb fortgesetzt. Letzter Zeuge: Der Freund aus Rexingen. Das Amtsgericht will wissen, ob und was Karsten K. auf seiner letzten Station vor dem Unfall noch getrunken hatte. Wie er wirkte. Dann folgen die Plädoyers und das Urteil.