Das Althengstetter Findbuch umfasst die Jahre 1945 bis 1965. Kreisarchivar Martin Frieß (links) übergab das gebundene Werk gemeinsam mit Archivarin Pia Caroline Drewes (rechts) an Bürgermeister Clemens Götz. Foto: Selent-Witowski Foto: Schwarzwälder Bote

Kommunales: Kreisarchivare stellen Findbuch für die Jahre 1945 bis 1965 vor / Spannender Einblick in die Zeit des Wiederaufbaus

Akten, Urkunden, Briefe, Verträge, Notizen oder Zeitungsausschnitte – mit den Jahren geht meist der Platz im Archiv aus und auf Anhieb findet man dort gar nichts mehr. Abhilfe schafft ein sogenanntes Findbuch, das in Althengstett jetzt für die Jahre 1945 bis 1965 vorliegt.

Althengstett. Seit seinem Amtsantritt 2007 habe er die Neuordnung des Gemeindearchivs im Hinterkopf gehabt, erläuterte Bürgermeister Clemens Götz in einem Pressegespräch im Althengstetter Rathaus, an dem auch Kreisarchivar Martin Frieß und Archivarin Pia Caroline Drewes teilnahmen. Man habe das Projekt Archiv dann lange quasi ausgesessen, "weil es einen nicht ständig piekst", so Götz.

Vor sechs Jahren kam Bewegung in die Sache und die Idee sei auf Initiative des Althengstetter Rathauschefs weiter gewachsen, wie Frieß erläuterte. Im Kreise seiner Amtskollegen habe Götz das Projekt angestoßen. Zunächst sei geplant gewesen, mit einem Historiker zusammenzuarbeiten, der sich in einem begrenzten Zeitraum der Sache mit dem Hengstetter Archiv annehme. Dieser habe sich dann aber anders entschieden. Das Althengstetter Vorhaben diente laut Götz als Katalysator für andere Gemeinden im Landkreis, die ebenfalls Bedarf bei der Überarbeitung und Erfassung der Archivalien angemeldet hatten. Das Ergebnis des jahreslangen Prozesses: Der Landkreis beschäftigt inzwischen einen Archivar, seit Juli dieses Jahres ist das mit Pia Caroline Drewes eine Archivarin. Die Kosten für die Stelle tragen die Gemeinden, die die Arbeiten in Auftrag geben. "Althengstett hat eine Vorreiterrolle übernommen", betonte Frieß.

"Dieses Modell hat den Vorteil eines verlässlichen, einheitlichen Niveaus und macht die Erstellung eines Findbuchs für die einzelnen Kommunen berechenbar, was Zeitumfang und Kosten angeht", sagte Götz. Ein Dutzend Gemeinden haben ein solches Buch in Auftrag gegeben. "Ich habe ausreichend Arbeit und zwar bis 2025", sagte Drewes. Pro Kommune werde mit einem Zeitaufwand von sechs Monaten gerechnet. Althengstett sei die erste Gemeinde, in der die Erfassung der Archivalien in einem Findbuch abgeschlossen sei.

Titel werden nicht einfach abgeschrieben

Sämtliches Material im Gemeindearchiv wird zunächst gesichtet. Zur Bearbeitung kommt alles, was für die Nachwelt gesichert werden soll, ins Kreisarchiv. Dort werden Klammern von Dokumenten entfernt, Unterlagen von etwaigen Verschmutzungen gereinigt, es wird zusammengeklebt, was im Laufe der Jahre auseinander gefallen ist, und es muss viel empfindliches, unter Umständen brüchiges Papier in spezielle Folien verpackt werden, um es erhalten zu können. "Bei der inhaltlichen Erschließung geht es für den Archivar nicht darum, Titel von Schriftstücken einfach abzupinseln, sondern es werden Akten inhaltlich zusammengeführt und eigene Titel gefunden. Und dafür ist der fachliche Hintergrund eines Archivars notwendig", sagte Frieß.

Für ihn und seine Kollegin Drewes ist das ein mehr als spannender Prozess, bei dem es einiges zu entdecken sowie einige Überraschungen gibt. "Das ist so, wie wenn man ein Mosaik Stück für Stück zusammensetzt", beschrieb Frieß das Vorgehen. Auch im Althengstetter Gemeindearchiv gibt es einiges, was irgendwann einmal von den damals dafür zuständigen Menschen für würdig befunden wurde, aufbewahrt zu werden; vieles, was seitdem nicht woandershin gebracht, zerstört, gestohlen oder verloren wurde. Beispielsweise einen umfangreichen Aktenbestand zum Bau des Schulzentrums, zur Nutzung der Flakhalle nach dem Zweiten Weltkrieg oder zur einstigen IBM-Kantine, die in der heutigen Kita Nordstraße untergebracht war.

"Die Zeit des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg ist nun minutiös nachvollziehbar", betonte Frieß. Kollegin Drewes ergänzte: "Die Unterlagen geben auch Auskunft darüber, wie es der Gemeinde mit Heimkehrern, Kriegsgefangenen und Heimatvertriebenen erging". Das Findbuch bezieht sich auf die Jahre 1945 bis 1965, weil es für die Zeit davor schon welche gibt, "und weil 1965 ein neuer Aktenplan, also eine völlig neue Struktur für das Anlegen von Akten, eingeführt wurde. Deshalb haben wir hier den Schnitt gemacht", erläuterte Drewes. Insgesamt wurden 851 Archivalieneinheiten auf 18 laufenden Metern Papier zusammengetragen.

Mit der Erschließung des Althengstetter Papierarchivs und der zusätzlichen Digitalisierung des Materials werden künftig außer den Rathausmitarbeitern Privatpersonen und Familienforscher ebenso unterstützt wie Behörden, Wissenschaftler, Studierende und auch Schüler  bei der Suche nach Dokumenten sowie Informationen zur  Geschichte  der Gäugemeinde.  Das Ottenbronner Archiv haben Frieß, Götz und Drewes bereits im Blick, und danach ist das in Neuhengstett an der Reihe. Die Angaben des Althengstetter Findbuchs, das von Pia Caroline Drewes und Janina Beseler bearbeitet wurde, sind auch online abrufbar.

Weitere Informationen: www.kreisarchiv-calw. findbuch.net