Stadtplaner und Architekt Werner Gerhardt aus Karlsruhe (rechts) skizzierte mögliche Gestaltungsvarianten des Althengstetter Bahnhofsareals. Foto: Selent-Witowski Foto: Schwarzwälder Bote

Kommunales: Gemeinderatssitzung als offener Workshop zur künftigen Gestaltung des Bahnhofsareals

Das gibt es nicht alle Tage: eine Gemeinderatssitzung als offener Workshop, bei dem auch Zuhörer zu Wort kommen. Dieses Format wurde am Mittwoch in Althengstett genutzt, um über die künftige Gestaltung des Bahnhofsareals zu diskutieren – ohne Denkverbote.

 

Althengstett. Werner Gerhardt, Stadtplaner und Architekt aus Karlsruhe, hatte keine fertige Lösung mitgebracht, sondern alle Teinehmer der Sitzung waren dazu aufgefordert, an dem Aufgabenheft mitzuschreiben, das die künftigen Gestaltungselemente für dieses Filetstück im Herzen der Gäugemeinde beinhaltet. Die Lösung schlechthin konnte während der rund zweieinhalbstündigen Sitzung am Mittwochabend freilich nicht gefunden werden. Vielmehr reifte die Erkenntnis, dass ein Großteil des Areals erst einmal Entwicklungsfläche bleiben wird. Zum einen, weil längst nicht alle Grundstücke auf dem Areal im Besitz der Gemeinde sind und zum anderen, weil ein guter Teil des Geländes in östlicher Richtung nicht zur Verfügung steht, so lange die Firma VTS keinen neuen Standort gefunden hat. Der Workshop war aus Sicht aller Beteiligter trotzdem ein Gewinn, weil Planer, Verwaltung, Gemeinderat und Zuhörer sich immer wieder den Ball zuspielten und so verschiedenste Ideen ins Spiel brachten, deren Machbarkeit und Grenzen deutlich umrissen wurden.

Weiteren bezahlbaren Wohnraum gefordert

Der Ausgangspunkt: Philipp Jourdan und Amei Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) hatten, wie berichtet, einen Antrag auf Innenverdichtung "Am Gleis" gestellt mit dem Ziel, in diesem Quartier weiteren bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Nach deren Ansicht bietet das Gelände "die einmalige Chance für eine grundlegende städtebauliche Innenentwicklung rund um den Bahnhof", wie es in ihrem Antrag geheißen hatte.

Als Ziel hatten Jourdan und Fischer die Überplanung des gesamten Gebiets "Am Gleis" zwischen Industriestraße, Stuttgarter Straße, Bahnstraße und Eugen-Zeyher-Straße genannt, was über einen Wettbewerb erfolgen könne. Das Thema war bereits in einer nichtöffentlichen Sitzung des Technischen Ausschusses vorberaten worden, weil die Kommune nicht Eigentümer aller Grundstücke im betreffenden Areal ist. In der Februar-Sitzung hatte sich der Gemeinderat dann darauf geeinigt, mit einem Planer die diversen Entwicklungsmöglichkeiten, die es gibt, auszuloten.

Es gehe nicht um eine fertige Lösung, "sondern wir treten einer Idee näher, die zukunftsfähig ist und legen die Leitplanken für die weitere Planung fest", sagte der Stadtplaner zum Auftakt. Es gehe darum, ein Gefühl für Gebäudehöhen, Kubaturen und gestalterische Durchgängigkeit zu bekommen. Das Areal sei interessant wegen seines Standorts, denn das Areal des Bahndamms liegt zentral zur Infrastruktur von Althengstett: Neben der Nähe zu den Kindertagesstätten, Grundschule, Gemeinschafts- und Realschule führen kurze Wege zum Hallenbad sowie zum Sportzentrum, in die Ortsmitte mit Dienstleistern und Geschäften, zum Einzelhandel, zum Rathaus sowie zum künftigen Halt der Hermann-Hesse-Bahn. Auch die Topografie, also die erhöhte Lage, habe einen besonderen Reiz, so Gerhardt.

Was die Schaffung von weiterem Wohnraum angeht, könnte ein zweites Gebäude gleich dem Am Gleis entstehen, daneben zwei weitere, also ein "Doppel-Zwilling", wie es der Architekt nannte, mit Tiefgarage. Darin sahen sowohl einige Gemeinderäte als auch Zuhörer Konfliktpotenzial. Es wird eine Ghetto-Bildung befürchtet. Außerdem sei die Lärmbelastung durch den angrenzenden Betrieb, oft in den Morgen- und Abendstunden, zu groß für direkt angrenzende Wohngebäude.

Verkehrstechnische Probleme befürchtet

Durch die Zu- und Abfahrt des künftigen Parkhauses werden außerdem zunehmende verkehrstechnische Probleme, die auch mit dem Anlieferverkehr in der Industriestraße zu tun haben, befürchtet. Anstatt des "Doppel-Zwillings" konnten sich hier einige Gemeinderäte schon eher eine Gewerbeansiedlung oder ein Ärztehaus vorstellen.

Sämtliche Ideen zum Thema Wohnen und einem Mischgebiet bleiben wohl erst einmal Gedankenspiele. Eigentlich sollten im Vorfeld des absehbaren Baus der Herman-Hesse-Bahn (HHB) alle Entwicklungsmöglichkeiten geprüft werden, bevor die Bahnlinie reaktiviert wird. Genau darin liegt aber auch eine große Unsicherheit, denn noch ist unklar, wie viele Park-and-ride-Stellplätze am Althengstetter Halt der HHB benötigt werden. Der Bahnbetrieb beziehungsweise die dadurch entstehende Lärmbelastung spielt laut Gerhardt zudem für eine mögliche Wohnbebauung eine nicht unerhebliche Rolle, "auch wenn hier nicht wie auf der Bahnstrecke Genua-Rotterdam jeden Tag 200 Züge entlang fahren werden".

Mit dem Bus zur HHB-Haltestelle

Den Bedarf an Parkflächen könne ein potenzieller Bauträger wohl besser abschätzen, "ohne Parkraumbewirtschaftung ist das aber nicht denkbar", sagte Bürgermeister Clemens Götz an und deutete damit auch eine Ausdehnung derselben auf den gesamten Ort aus. Damit gar nicht erst zahlreiche Parkplätze benötigt werden, müsse der ÖPNV so verbessert werden, dass das Auto stehen bleibe und man die HHB-Haltestelle mit dem Bus erreichen könne, wurde betont.

Mehrheitsfähig scheint nach dem Workshop der Bau eines weiteren Gebäudes Am Gleis, wofür schon eine Genehmigung vorliegt, ansonsten aber vorerst keine weitere Wohnbebauung. Vielmehr soll laut Rathauschef nun in Rücksprache mit dem Landratsamt daran gearbeitet werden, dass der Haltepunkt, also die "Vorhalle oder das Entrée zum Ort" landschaftsplanerisch so attraktiv wie möglich gestaltet wird.

Der Großteil des Bahnhofsareals bleibt damit erst einmal Entwicklungsfläche: "Lassen wir es wachsen", resümierte Götz.