Foto: Schwarzwälder Bote

Althengstett übernimmt erneut eine Vorreiterrolle – diesmal in der Flüchtlingshilfe. Mit

Althengstett übernimmt erneut eine Vorreiterrolle – diesmal in der Flüchtlingshilfe. Mit einer Projektpartnerschaft soll die libanesische Stadt Chekka unterstützt werden. Vor allem auf wirtschaftlicher Ebene wollen beide Kommunen voneinander lernen. Ab Freitag wird das Vorhaben konkret.

Die gegenseitigen Informationsbesuche in Althengstett und Chekka zum Thema "Nachhaltige Stärkung der örtlichen Wirtschaftskraft" werden über das "Starterpaket I" des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finanziert, das mindestens 10 000 und höchstens 50 000 Euro Fördersumme umfassen darf. Neben den beiden Besuchen soll eine Bestandsaufnahme in Chekka in Auftrag gegeben werden. Für die Bearbeitung des Projektantrags wird eine Kraft geringfügig beschäftigt, die inhaltliche Projektarbeit wird von Ehrenamtlichen und Bürgermeister Clemens Götz geleistet. Der Verwaltungskostenbeitrag in Höhe von sieben Prozent deckt die Kosten der geringfügigen Kraft weitgehend. Der Gemeinde entstehen nahezu keine direkten Kosten. Wenn die Besuche zeigen, dass eine Zusammenarbeit vielversprechend ist, kann nach Angaben der Gemeindeverwaltung ein eigentliches Projekt ("Starterpaket II") der Zusammenarbeit in einem zweiten Schritt beantragt werden.

Althengstett. Die 17 000-Einwohner-Kommune Chekka, 60 Kilometer von der Hauptstadt Beirut entfernt an der Küste gelegen, stößt wie viele andere Gemeinden in dem Land unter der Last der Flüchtlingsströme aus Syrien an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. "Im Libanon kommen 20 Flüchtlinge auf 100 Einwohner, in Deutschland ein bis zwei", machte der Althengstetter Bürgermeister Clemens Götz im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten deutlich.

Kommunen tragen Hauptlast der Kosten

Die 1,5 Millionen syrischen Flüchtlinge in dem kleinen Libanon mit 4,5 Millionen Einwohnern seien nicht nur in Lagern untergebracht, hatte er bereits im Juni gegenüber dem Gemeinderat betont. "Viele leben mitten unter der Zivilbevölkerung in Wohnungen und Häusern, und die Kommunen tragen die Hauptlast der Kosten und Probleme", hatte der Rathauschef gesagt.

Die wichtigsten Erstaufnahmeländer sind die drei Nachbarstaaten Syriens: Jordanien, Libanon und die Türkei. Hier lebt ein großer Teil der Geflüchteten nicht in Flüchtlingslagern, sondern in Städten und Gemeinden. Diese stehen bei der Versorgung vor vielen Herausforderungen. Es mangelt an Ressourcen und vor allem an Know-how, um beispielsweise die Abfallwirtschaft, die Wasser- und Energieversorgung sowie die kommunale Verwaltung für die schnell gestiegene Anzahl von Einwohnern sicherzustellen.

Heimatnahe Aufnahme weitaus sinnvoller

In den vergangenen Jahren habe sich gezeigt, so Götz, dass die Aufnahme von Menschen aus einem anderen Kulturkreis und mit einer anderen Sprache in Deutschland nur in sehr beschränktem Maß möglich und sinnvoll ist. Wesentlich sinnvoller sowie kostengünstiger sei eine heimatnahe Aufnahme von Flüchtlingen in ihren Nachbarländern, so Götz. Wenn die libanesischen Kommunen die Last nicht mehr tragen könnten, würden die Flüchtlinge andere Aufnahmeländer suchen und sich dabei insbesondere in Richtung Europa orientieren.

Um die Kommunen zu entlasten, hat die deutsche Bundesregierung ein Programm aufgelegt, das deutsche Städte und Gemeinden in Kontakt mit libanesischen Kommunen bringt. Die Kosten dieser Projektpartnerschaften werden zu 100 Prozent von der Bundesregierung übernommen, da jeder Euro, der heimatnah für Flüchtlinge investiert werde, das Mehrfache an Folgekosten in Deutschland verhindern soll.

Götz, der den Libanon seit 1992 durch eigene Besuche gut kennt, hatte im April an einem Workshop des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Beirut teilgenommen und dort bereits Chekka als Partnergemeinde ausgemacht. Bei diesem Workshop wurde die Projektidee entwickelt, den Einzelhandel in Chekka zu stärken.

Für Althengstett bietet das Projekt die Chance, den eigenen Einzelhandel auf der Kontrastfolie des Libanon neu durchzudenken, den Horizont zu erweitern und ganz neue Ideen zu entwerfen. "Dabei werden gerade durch das Erleben einer anderen Gesellschaft, die die europäischen Grundgedanken von Freiheit, Toleranz, Zusammenhalt, Tradition teilt, aber auf ihre Weise verwirklicht, viele neue Anstöße in unsere Gemeinde kommen", ist sich der Rathauschef sicher.

Ganzen Tag über an Ständen ansprechbar

Nun wird das Projekt – das erste dieser Art in Baden-Württemberg – in einem ersten Schritt konkreter: Eine Delegation aus Chekka kommt in die Gäugemeinde, um die Arbeit des GHV besser kennenzulernen. Dafür gibt es fast keine bessere Gelegenheit, denn am Sonntag steht die GHV-Leistungsschau "Guck ond staun" an, die das Leben und Arbeiten in der Gäugemeinde in all seinen Facetten beleuchtet. Die Delegation wird den ganzen Tag über an Ständen ansprechbar sein, wie die Gemeindeverwaltung ankündigte.

Vor Ort will die Besuchergruppe erleben, wie in Hengstett das örtliche Gewerbe und der Handel mit der Konkurrenz von großen Handelszentren und dem Internet umgehen. Auch der Umgang mit Flüchtlingen wird ein Thema während des Aufenthalts sein. Am Freitag, 28. September, findet aus Anlass des Besuchs ab 17 Uhr ein Empfang für die Bevölkerung im Rathaus statt. Der Gegenbesuch einer Hengstetter Delegation im Libanon ist vom 27. Oktober bis 3. November vorgesehen (siehe auch "Info").