Zahlreiche Bürger verfolgen Informationsabend zu aktuellem Stand der Planungen. Mit Kommentar.
Althengstett - Ohne Hermann-Hesse-Bahn kommt es für Althengstett und den gesamten Landkreis teurer als mit dem ehrgeizigen Schienenprojekt – das sagten Landrat Helmut Riegger und Bürgermeister Clemens Götz am Mittwochabend zur geplanten Reaktivierung der Bahnverbindung zwischen Weil der Stadt und Calw.
Die Bevölkerung in den Anliegerkommunen soll intensiver über den Fortgang der Planungen für die Hermann-Hesse-Bahn informiert werden. Die erste Abend zu diesem Thema fand am Mittwochabend in der Althengstetter Festhalle statt. Weitere Bürgerinformationsabend sind am 24. Februar in Ostelsheim und am 27. Februar in Calw geplant.
Riegger und Götz gingen auf das Projekt "Anschluss Zukunft" ein. Die Hesse-Bahn sei unverzichtbar, um nicht vom Ballungsraum Sindelfingen/Böblingen und der Landeshauptstadt abgehängt zu werden – in wirtschaftlicher und touristischer Sicht ebenso wie im Hinblick auf den demografischen Wandel. Das Schienenprojekt werde die Attraktivität des Wohn -und Gewerbestandorts erheblich steigern. "Man darf nicht nur an die Auspendler denken, sondern auch die Fachkräfte, die wir hier brauchen", sagte Riegger.
Weitsichtiges Handeln zeichne die Gemeinde Althengstett aus, betonte Götz. Das habe sich bereits beim Gerhard-Schanz-Sportzentrum, beim Schulzentrum und beim Ausweisen des Gewerbegebiets gezeigt. Schon in früheren Zeiten sei immer Wert darauf gelegt worden, vorne zu sein. Auch die Hermann-Hesse-Bahn sei für die Gäugemeinde zukunftsweisend. Die Ortsteile würden einen Gewinn aus der S-Bahn ziehen, weil sich der Busverkehr künftig Richtung Althengstett und nicht gen Weil der Stadt und Calw orientiere.
Haltepunkt auf Gelände des Verkehrsübungsplatzes
Michael Stierle, im Landratsamt zuständig für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und damit auch für das Projekt Hesse-Bahn, ging unter anderem auf die Projektentwicklung und die Standardisierte Bewertung ein, mit der nach festen Kriterien untersucht wird, ob ein Projekt wirtschaftlich und damit förderfähig ist.
Der künftige Althengstetter Haltepunkt soll auf dem Gelände des jetzigen Verkehrsübungsplatzes gebaut werden. Mit Angaben zu den beiden Bahnübergängen im Ort – Ortseinfahrt an der Bundesstraße und im Bereich des ehemaligen Edeka-Markts – nahm Stierle Fragen aus dem Publikum vorweg. Befürchtet wird von der Bevölkerung nämlich, dass es an den Schranken zu Rückstaus kommen wird. Davon geht der Projektleiter nicht aus: "Am Ortseingang werden die Fahrzeuge 53 Sekunden stoppen müssen, innerorts 48 Sekunden".
Eine weitere Sorge der direkten Bahnanlieger ist der Schallschutz. Der Landrat sagte zu, die Anwohner zu Gesprächen einladen zu wollen. Es werde auf jedes Gebäude eingegangen und Messdaten würden offengelegt.
Beim Infoabend waren Fragen an Landrat, Projektleiter und Bürgermeister ausdrücklich erwünscht. Angelika Holzäpfel erkundigte sich beispielsweise nach dem künftigen Schulbusverkehr. Diesen werde es weiter parallel zur Hesse-Bahn geben, was den ÖPNV aufwerte, lautete die Antwort. Manfred Schiz wollte wissen, wie es bei den Planungen um den Naturschutz stehe, etwa die Umsiedlung von Fledermauskolonien in den Tunnelanlagen und die Steinkrebspopulationen Im Hau. Was Erstere betrifft, ist der Landkreis mit fünf Grundstückseigentümern in Verhandlungen, und was die Krebse angeht, sind bereits geeignete Gewässer ausgemacht worden.
Reichlich erstaunt reagierten die meisten Zuhörer auf eine Frage eines Zuhörers zur jüngsten Abstimmung im Verkehrsausschuss des Verbands Region Stuttgart. Danach wird Letzterer beauftragt, mit dem Land Baden-Württemberg sowie den Kreisen Calw und Böblingen Gespräche über die Verlängerung der S 6 nach Calw aufzunehmen. Diese endet bislang in Weil der Stadt. Der gemeinsame Betrieb von Hesse- und S-Bahn auf dem Abschnitt Weil der Stadt-Renningen wirke sich negativ auf das bereits stark belastete S-Bahnnetz aus, wird im Ausschuss argumentiert.
Kommentar: Am Puls
Von Marion Selent-Witowski
Können wir uns die Hermann-Hesse-Bahn leisten? Mit dieser Frage taten und tun sich die Althengstetter Gemeinderäte sowie viele Einwohner der Gäugemeinde schwer. Es fallen mehr als zwei Millionen Euro Invest und jährlich rund 200 000 Euro an Betriebskosten an. Das Gremium sprach sich am Ende deutlich für das derzeit wichtigste Infrastrukturprojekt im Landkreis aus. Es gelangte zur Erkenntnis, dass man es sich eher nicht leisten kann, wenn die Bahnverbindung nicht reaktiviert würde. Schließlich will man den Anschluss an den pulsierenden Wirtschaftsraum Sindelfingen/Böblingen und die Landeshauptstadt nicht verlieren. Bürgermeister Clemens Götz brachte es am Mittwoch bildhaft und nach der Reaktion der Zuhörer treffend auf den Punkt: Ohne Bahn werde man bei den Nachbarn als kleine, arme Verwandte aus dem Schwarzwald betrachtet.