Die Waldenserkirche ist eine der Stationen des neuen Rundwegs in Neuhengstett. Fotos: Claus Adam Foto: Schwarzwälder Bote

Waldenserkirche, Waldenserstein und das Waldensermuseum "Bourcet" sind allesamt Wahrzeichen der Gemeinde

Waldenserkirche, Waldenserstein und das Waldensermuseum "Bourcet" sind allesamt Wahrzeichen der Gemeinde Neuhengstett. Wanderer können bald zusätzlich auf einem neuen Rundweg einiges über die Glaubensflüchtlinge erfahren – und sich selbst, quasi auf spiritueller Ebene.

Der spirituelle Rundweg um Neuhengstett soll auf den mit der gelben Raute markierten Wegen des Schwarzwaldvereins verlaufen. Die Wegstücke sind allesamt gut begehbar und für die ganze Familie gut zu bewältigen. Es gibt nur ein kurzes, anstrengenderes Stück: Beim Teich in Ottenbronn geht es etwas bergauf.

Auf elf Kilometern sind elf Stationen vorgesehen. Für die Tour benötigt man rund dreieinhalb Stunden. Impulsstationen, darunter die Waldenserkirche, deren 250-jähriges Bestehen im Oktober gefeiert wird, gehen der Geschichte der Waldenser vom Chisonetal bis zum Ankommen und Sesshaftwerden in Neuhengstett nach. Der Rundweg verläuft wie folgt: neuer Friedhof, Schönbiegel, Esslesbrunnen, Anstieg nach Ottenbronn bis vor den Naturteich, hinunter nach Neuhengstett, Simmozheimer Gerechtigkeitswald, vorbei am Hofgut Georgenau, Waldenserstein, Stiftungsgarten, Waldenserkirche und alter Friedhof/Museum.

"Wanderer machen sich künftig auf den Weg, um anderen, Gott, sich selbst zu begegnen, Natur und Schöpfung (neu) zu erleben, sich von Geschichte(n) inspirieren zu lassen und sich auszutauschen, nachzudenken, den Alltag zu unterbrechen, Erholung für Leib, Geist und Seele zu erleben", sagt die pädagogische Projektmitarbeiterin der Evangelischen Erwachsenenbildung nördlicher Schwarzwald, Susanne Haselbacher.

Althengstett-Neuhengstett. Die Idee für den neuen Waldenserweg ist einem Projekt der Evangelischen Erwachsenenbildung nördlicher Schwarzwald entsprungen. Die dortige pädagogische Projektmitarbeiterin Susanne Haselbacher befasst sich derzeit intensiv mit dem Thema "Schätze der Kirchen". Weil sie inzwischen seit 250 Jahren besteht, wird auch die Neuhengstetter Waldenserkirche einbezogen. Dann kam im vergangenen Juli eins zum anderen. "Im Bereich Nagold des nun gemeinsamen Kirchenbezirks Calw-Nagold haben wir bereits gute Erfahrungen mit einem spirituellen Wanderweg zum württembergischen Reformator Johannes Brenz gemacht. Die spannende Geschichte der Waldenser und das Jubiläum der Kirche boten sich an, mit dem Heimatgeschichtsverein ›Bourcet‹, Kirchengemeinde und Kommune etwas Gemeinsames zu entwickeln", sagt Haselbacher.

Inzwischen ist ein Netzwerk entstanden, das sich um die Umsetzung der Idee kümmert: "Bourcet"-Mitglieder, die evangelische Kirchengemeinde, Ortsvorsteher Gerhard Dietz sowie Ortschaftsräte und die Evangelische Erwachsenenbildung nördlicher Schwarzwald, angegliedert an das Projekt "Schätze der Kirchen", ziehen an einem Strang. Die Beteiligten haben sich ein sportliches Ziel gesetzt: Das erste Treffen mit einem Dutzend Teilnehmern gab es im September, "und schon am 2. Juni soll der Rundweg mit einem Gottesdienst und anschließendem Mittagessen sowie der Möglichkeit, den neuen Rundkurs zu begehen, eingeweiht werden", kündigen Haselbacher und "Bourcet"-Mitglied Claus Adam an.

Aktueller denn je

Zum einen hat das Schicksal der Glaubensflüchtlinge einen starken Bezug zur Gegenwart, denn die Themen Flucht und Vertreibung sind aktueller denn je. Zum anderen kann es Wanderern auf dem neuen Rundweg künftig dabei helfen, nicht nur historisches Wissen anzuhäufen, sondern innezuhalten sowie die eigene Lebens- und Glaubensgeschichte zu hinterfragen. Die Wanderer sollen sich fragen, wie es ist, sich auf den Weg zu machen, anzukommen, sesshaft zu werden und wie es heutigen Asylbewerbern ergeht. Die Geschichte der Waldenser soll laut Haselbacher "ins heutige Leben übertragen werden".

Zu den Glaubensflüchtlingen heißt es in einer alten, sehr eindrücklichen Beschreibung zur Gründung der Waldensergemeinde Neuhengstett unter schwierigsten Bedingungen: "Es war ein sonniger Septembertag des Jahres 1700. Da sah man auf der Straße, die von Calw nach Althengstett hinaufsteigt, in langem Zuge Männer, Weiber und Kinder, mit Bündeln und Tragkörben beschwert, zu Fuß und zu Wagen langsam bergauf wandern. Ihre Tracht und ihre Gesichter verrieten sogleich die Fremdlinge. Die Haare waren braun oder schwarz, die Augen dunkel, die Nase bog sich energisch, die Gesichtsfarbe hatte einen Stich ins Gelbliche. .... Herzogliche Beamte begleiteten den Zug und dienten als Führer. Als sie auf der Höhe angekommen waren, machten sie halt und lagerten sich. Einer der Führer erklärte den Fremdlingen, hier habe des Herzogs Gnade ihnen eine neue Heimat angewiesen."

Nicht nur Bauten und ein Gedenkstein, sondern auch der Rundweg erinnern künftig an das Schicksal der Waldenser – heute eine protestantisch reformierte Kirche, die Ende des 12. Jahrhunderts durch den Lyoner Kaufmann Petrus Valdes gegründet wurde, mit starker Verbreitung in Italien und später im Mittelalter von der Inquisition verfolgt. Nach vielen Anfeindungen und der Verfolgung durch die römisch-katholische Kirche mussten die Waldenser ihre alte Heimat verlassen. 1698 und 1699 flohen sie in die Schweiz und nach Württemberg. Nach dem biblischen Grundsatz "Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen" (Apg. 5,29) standen die Waldenser zusammen und machten sich schließlich gemeinsam auf den Weg in eine neue, ungewisse Zukunft.

Von vorn anzufangen, sich eine neue Existenz aufzubauen und sich fernab der Heimat wohl zu fühlen, fiel sicher nicht leicht. Viele kamen für einige Jahre erst einmal nur in Baracken und Zelten unter. Die Neuhengstetter Siedler ließen sich, wie in Großvillars, Perouse oder Pinache mit Serres sowie vielen anderen Orten, aber nicht unterkriegen. Sie bauten sich mit viel Fleiß und Sparsamkeit ein neues Leben auf.

Es soll nicht nur geführte Touren über den Rundweg geben, sondern Besucher sollen sich ihn auch auf eigene Faust erkunden. "Das Wandern, Pilgern und in der Natur zu sein, boomt", sagt Haselbacher. Der Verlauf des Wegs und die Impulse zu den Stationen würden in einem Flyer zusammengefasst. Außerdem sei das neue Angebot künftig auf "outdooractive", einem Internet-Tourenportal für Outdoor-Aktivitäten, zu finden.