Melanie Groß und Ulrich Holzäpfel sorgen sich um ihre Existenz als Landwirte und um die Anerkennung sowie Wertschätzung der bäuerlichen Klein- und Familienbetriebe. Foto: Stöß Foto: Schwarzwälder Bote

Lebensmittelproduktion: Zwei Junglandwirte wollen mehr Bewusstsein für qualitativ hochwertige Produkte schaffen

Was bedeutet das grüne Kreuz, das auf einem freien Feld an der Landesstraße zwischen Neuhengstett in Richtung Hirsau aufgestellt worden ist? Antworten gibt Ulrich Holzäpfel, der damit ein deutliches Zeichen an die Menschen in der Region senden möchte.

Althengstett-Neuhengstett/Ottenbronn. Die Sache mit der Natur ist vielschichtig und derzeit höchstaktuell. Die einen demonstrieren, als Bienen verkleidet, gegen das Insektensterben und für das Verbot von Pflanzenschutzmitteln. Dennoch sollte der Apfel beim Einkauf makellos glänzend aussehen und köstlich munden. Dann möchte jeder Mensch dem Grunde nach Eier von glücklichen Hühnern essen wie auch das Schnitzel von sich im Freien suhlenden, grunzenden Schweinen stammen sollte.

Aber der Mensch im Allgemeinen verhält sich in seiner Eigenschaft als Konsument und Verbraucher genau in die entgegengesetzte Richtung. Zudem scheint sich vieles aus dem soeben von der Bundesregierung beschlossenen Agrarpakt zu einem Gemisch aus Halbwissen und Ideologien zusammenzubrauen. Zwischen dem ambivalenten Verbraucher und (gut gemeinten) Naturschutz steht noch ein Dritter: Es ist der Produzent der Nahrungsmittel. Der Bauer. Ein solcher ist Ulrich Holzäpfel, der im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten seine derzeitige Gefühlslage beschreibt.

Ein schöner und vielseitiger Beruf

Der 20-Jährige hat soeben erfolgreich seine Ausbildung zum Landwirt beendet. An seiner Seite kämpft seine Freundin Melanie Groß (18), Noch-Auszubildende zur Landwirtin. Beide sorgen sich um ihre Existenz als Landwirt, um die Anerkennung sowie Wertschätzung der bäuerlichen Klein- und Familienbetriebe. Holzäpfel bezeichnet seinen Beruf als schön und vielseitig. Deshalb möchte er gerne einen der elterlichen Höfe weiterführen. Aber man müsse davon auch leben können und das werde zunehmend schwierig.

Beim Betreten der Wohnstube der Holzäpfels in Ottenbronn sticht einem sofort das Zertifikat des "Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des Ländlichen Raums" ins Auge. Hiernach trägt der Betrieb exakt zu dieser positiven Entwicklung des ländlichen Raums, der Kulturlandschaft und der Landwirtschaft bei.

Spätestens mit dem Agrarpakt aus Insektenschutzprogramm, Tierwohlkennzeichen und Umschichtung von Direktzahlungen sieht sich auch dieser bäuerliche Kleinbetrieb an der Grenze der Belastbarkeit, denn mittlerweile tun sich viele der Klein- und Familienbetriebe mit manchen Entwicklungen besonders schwer.

Produktion wird erheblich erschwert

Es geht die Angst um, dass mit dem Agrarpaket jegliche Produktion auf dem Acker und im Stall erschwert und in Einzelfällen nahezu unmöglich gemacht wird. Vielmehr noch: Die Maßnahmen griffen massiv in Eigentumswerte der Landwirte ein, so Holzäpfel und Groß. Einzelne Flächen würden wertlos und könnten nicht mehr für die Nahrungsmittelproduktion genutzt werden. Die Folge: Die Lebensmittel würden aus dem Ausland importiert, ohne Rücksicht darauf, wie sie dort erzeugt werden. "Das kann doch nicht im Sinne des Verbrauchers sein", sagt der Junglandwirt.

Nun wissen die Holzäpfels auch, dass derzeit die Diskussion über Glyphosat und Insektensterben in aller Munde ist. Immer wieder betont die Familie, dass auch sie für den Erhalt einer ausgeglichenen Natur stehe, denn dies sei ihre Existenzgrundlage. Auf den Ackerflächen haben sie zwischenzeitlich einen Ökolandanteil von 40 Prozent. Die Wiesen werden durchgehend ökologisch, also ohne Pflanzenschutz und Kunstdünger, gepflegt, ohne dass man an einem besonderen Programm teilnimmt. Konventionelle Bauernhöfe würden versuchen, möglichst viel Ertrag mit der Ackerfläche zu erzielen; im Grund auch jeder davon, ohne den Boden zu zerstören – von wenigen Ausnahmen abgesehen. Oder man wolle den gesetzlich vorgeschriebenen Stallplatz möglichst optimal auszunutzen, um so das nötige Einkommen zu erzielen. In Baden-Württemberg seien diese aber relativ selten, man finde sie eher im Norden. Holzäpfel: "Durch unsere Maßnahmen gibt es eine vielfältigere Fruchtfolge, wir halten bestimmte Bodenwerte ein, legen Blühstreifen an und tun noch einiges mehr". Dafür gebe es einen (teilweisen) Lastenausgleich und regelmäßige Kontrollen, darüber hinaus verschiedene Programme zur Umstellung auf reine Biolandwirtschaft. Daran nehme man nicht teil, weil das als eine von vielen Maßnahmen einen 100-prozentigen Verzicht auf Pflanzenschutzmittel bedeuten würde. "Genau dies ist beim Maisanbau und der Milchviehhaltung fast unmöglich."

Man müsse beachten, dass der Verbrauer Mängel nicht akzeptiere. Weshalb Biobauern, die für den Markt produzieren, einen deutlich höheren Arbeitsaufwand hätten, was wiederum die Produkte verteuere. Auch erhöhe sich der Kohlendioxid-Ausstoß durch häufigere maschinelle Arbeitsgänge. Man kann also resümieren: Anstatt der Chemie erhöhen sich die Arbeitsvorgänge und somit der Kohlendioxid-Ausstoß. Das sei nämlich einer der Haken an der Sache: Die meisten Wissenschaftler würden den ökologischen Vorteil der Biolandwirtschaft auf die Fläche beziehen, auf der sie besser abschneide und nicht auf das erwirtschaftete Produkt. Dort schneide sie wegen des geringeren Ertrags schlechter ab.

Am Beispiel Kartoffel macht dies Ulrich Holzäpfel deutlich. Man habe diese viele Jahre lang angebaut. Die Pflanzen wurden gar nicht oder mit nur wenig Pflanzenschutzmitteln behandelt. Dafür hatten sie aber häufig Schorf oder dunkle Flecken. Die Kunden akzeptierten dies nicht.

Holzäpfel und Groß weisen darauf hin, dass es noch nie eine so gut ausgebildete Generation an Landwirten wie die heutige gegeben habe. Und jedem von ihnen liege der Erhalt der Lebensgrundlagen am Herzen. Aber die Bauern könnten die Last nicht alleine tragen. Geschweige denn noch weiter steigenden Arbeits- und Investitionsaufwand zu noch niedrigeren Preisen bieten. Das Bauernhofsterben spreche seine eigene Sprache: Alleine in den vergangenen elf Jahren hätten in Deutschland 107 000 Höfe dicht gemacht. Derzeit gebe es in Deutschland nur noch 266 000 Höfe.

Gesamtgesellschaftliche Herausforderung

Das junge Paar nimmt nicht nur die Politik in die Pflicht. Es spricht von einer gesamtgesellschaftlichen Herausforderung. Der Verbraucher fordere Lebensmittel in höchster Qualität zu möglichst niedrigen Preisen. Deshalb wolle man nun ein Bewusstsein dafür schaffen, wie es überhaupt zu einer guten Qualität der Lebensmittel komme. Die Menschen könnten sich beispielsweise fragen, was sie selbst tun können, sei es beim Arten- oder beim Klimaschutz. Wen man an den Steingärten in vielen Neubaugebieten vorbeigehe oder lese, dass die Deutschen in diesem Jahr so häufig wie noch nie geflogen seien, dann passe manches nicht mehr zusammen. "Wenn wir bei all den Themen vorwärtskommen wollen, müssen wir das gemeinsam tun", sagen die beiden Junglandwirte.

Das grüne Kreuz ist mit keiner Forderung verbunden. Es ist ein stiller Protest und ein Appell an alle, "nicht nur von einer einzigen Berufsgruppe zu fordern und diese zu belasten". Die Symbole sollen als Mahnung an die Gesellschaft verstanden werden, sich des Werts der heimischen Landwirtschaft bewusst zu werden. Um Öffentlichkeit herzustellen, bedient sich der Hauptinitiator der Aktion "Grünes Kreuz", der Landwirt Kremer-Schillings, des Zitats "Was einer nicht schafft, das schaffen viele". Deshalb wird das Mahnzeichen in diesen Tagen wohl noch in viele Äcker in Deutschland gerammt – nicht nur in Ottenbronn auf dem Feld der Holzäpfels an der Straße zwischen Neuhengstett und Hirsau.