Für eine Stammzellentransplantation müssen die Gewebemerkmale zwischen Spender und Patient nahezu vollständig übereinstimmen. Spender und Empfänger sind also so etwas wie genetische Zwillinge. Als klar war, dass Gewebemerkmale des 19-jährigen Jonas zu denen eines Patienten passen, ging es so schnell wie möglich zum Hausarzt. In der dortigen Praxis wurde im Blut abgenommen, das für weitere Untersuchungen an die DKMS geschickt wurde (wir berichteten). Als der Althengstetter die Nachricht bekam, dass er ein geeigneter Spender ist, zögerte er keine Sekunde und erklärte sich bereit, sich an Tübinger Uniklinik Stammzellen entnehmen zu lassen. Die rund sechsstündige Blutentnahme war schmerzfrei. Danach bekam der 19-Jährige zu erwartende, grippeähnliche Symptome wie leichte Gliederschmerzen. Diese legten sich aber bald wieder. Entnommene Stammzellen sind 72 Stunden haltbar. Sie mussten also auf dem schnellsten Weg nach Kanada gebracht werden.
Wer genau der Empfänger ist, durfte der Althengstetter zwei Jahre lang nicht erfahren. Erst nach diesem Zeitraum können Spender und Empfänger entscheiden, ob sie Kontakt zueinander aufnehmen wollen. Nun ist die Kontaktsperre vorbei. Die beiden beiden haben bereits telefoniert und schreiben sich seit Anfang Januar E-Mails.
"Bereits sechs Monate nach meiner Spende habe ich einen Brief von ihm bekommen, allerdings noch anonym", berichtet der Althengstetter. Dann habe er erst einmal nichts mehr von dem Kanadier gehört, "schließlich haben wir das erste Mal telefoniert".
Berührendes Gespräch
Philipp Heasman, kurz Phil, lebt mit seiner Frau Kate in Thunder Bay, einer rund 100 000-Einwohner-Stadt am Oberen See in der Provinz Ontario. Er hat zwei Töchter, von denen eine im selben Ort wohnt, und zwei Enkelkinder. "Er hat zwei Jahre lang von seiner Diagnose Leukämie gewusst", berichtet Widmayer. Geschockt und sehr berührt sei er gewesen, als Phil ihm am Telefon erzählte, dass man ihm kurz vor seiner Stammzellspende gesagt habe, dass er noch rund vier Wochen zu leben habe, wenn nicht schnell ein geeigneter Spender gefunden werde.
Nach der Stammzellspende änderte sich zwei Wochen lang nichts am Gesundheitszustand, "doch dann nahm das ganze Fahrt auf". Der 68-Jährige fühle sich wieder gut, auch wenn er nicht mehr wie früher zum Eisfischen gehen könne und die Fahrten mit dem Schneemobil vermisse.
Bei der Gesundheitsversorgung müssten Kanadier in ganz anderen Dimensionen denken als Europäer. "Bis zum nächsten großen Krankenhaus in Ottawa oder Toronto sind es rund 1200 Kilometer", so Widmayer.
Etwas geplättet war der 21-jährige Althengstetter, als Phil ihn kurzerhand nach Kanada einlud und ankündigte, ein Flugticket nach Althengstett schicken zu wollen. "Er hat an August gedacht, weil sich da die Mückenplage in Grenzen hält. Er möchte mit mir zum Campen und Fischen", erzählt der 19-Jährige.
Der Termin kollidiert allerdings mit der Bachelorarbeit Widmayers. Jetzt fasst er einen Besuch im Juni ins Auge, "nachdem ich mein viermonatiges Praktikum in Meran und das in Konstanz beendet habe".
Hohe Trefferquote
An Jonas’ ehemaliger Schule wurden bereits mehrfach geeignete Stammzellspender gefunden. 473 Schüler der Hermann-Gundert-Schule und der Johann-Georg-Doertenbach-Schule auf dem Wimberg ließen sich im Februar 2008 als potenzielle Spender in die DKMS aufnehmen. Anlass war unter anderem die Leukämieerkrankung der damals 17-jährigen Mitschülerin Marina aus Weil der Stadt.
13 Stammzellenspender konnten durch die Aktion 2008 ermittelt werden. Bei der Typisierungsaktion 2010, bei der sich 361 Schüler und Lehrer registrieren ließen, gab es fünf Treffer beziehungsweise Spenden und bei der Aktion 2014 mit 458 Registrierten drei. Bei der Typisierung vor zwei Jahren ließen sich 614 Personen in die Datei aufnehmen.
"Die nächste Typisierungsaktion ist am 18. März", kündigt Rolf Schaich, einer der früheren Lehrer Widmayers, an. Und auch diesmal hoffe man auf eine hohe Trefferquote.
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