Die Fenster konnten bei dieser Bauweise einfach ausgetauscht und repariert werden (oben). Foto: Fischer

Die Schwarzwälder Baukultur ist die Antwort auf viele Probleme der heutigen Zeit, meint Architekt Hardy Happle. Für unsere Schwabo-Sommerserie berichtet er über die Vorteile der alten Bauweise mit Modulen und Holz.

Mittleres Kinzigtal - "Das Schwarzwaldhaus ist der Inbegriff der Nachhaltigkeit: Durch den modularen Aufbau, die Reparaturfähigkeit und die wenige Energie im Unterhalt", sagt der Wolfacher Architekt Hardy Happle. Die seit Jahrhunderten existierende alte Baukunst sei die Antwort auf viele Probleme der heutigen Zeit. "Für die Planung braucht es keine künstliche Intelligenz, sondern Handwerker mit Know-how. Die haben wir zum Glück hier im Schwarzwald – noch", so Happle.

Fenster der Schwarzwaldhäuser sind austauschbar

Als Beispiel nennt der Architekt die Fenster der alten Kirnbacher Schwarzwaldhäuser, die alle dieselbe Größe haben. Die elf Sprossen können zwischen den acht großen und drei kleinen Glasscheiben beliebig hin- und hergeschoben werden. So kann ein großes kaputtes Fenster trotzdem ein kleineres ersetzen, weil das Glas nicht wie bei Neubauten maschinell exakt zugeschnitten sein muss. "Diese Kreislaufwirtschaft ist hocheffizient und ressourcenschonend. Heute sind alle Teile am Haus standardisiert und bis ins kleinste Detail geplant, aber deshalb auch nicht austauschbar", erklärt Happle den Gedanken des Schwarzwald-Baustils.

Damals musste das Material nie komplett weggeschmissen werden, sondern erfüllte immer noch einen Nutzen. Das Ziel der zeitweise als "Arme-Leute-Architektur" verschrienen Bauweise war laut Happle, aus möglichst wenig Holz mit wenig Zeit und Aufwand viele funktionale Häuser zu bauen.

Hölzer kommen ganz ohne Nägel aus

"Der Schwarzwaldhof ist clever, weil dort 60 Prozent weniger Holz als bei einem Blockhaus verbaut werden muss und die Höfe dank der ineinandergesteckten Holzbalken komplett ohne Nägel auskommen. Lediglich an den Ecken stehen Holzpfeiler, die einzigen drei Metallteile waren die Schlösser an der Tür zum Hof, zum Getreidelager und zum Keller", berichtet Happle, der in einem umgebauten alten Schwarzwaldhaus lebt und sich mit seinem Architekturbüro auf die Restaurierung solcher Bestandsgebäude spezialisiert hat. Jedes Holzstück könne mit zwei Mann ausgetauscht werden.

Auch bei der Beschaffung der Materialien für diese alte Baukunst, die bis ins 16. Jahrhundert zurückgeht, wurde auf Nachhaltigkeit geachtet: "Das Holz dafür stammte aus dem Wald vorm Haus und der Stein für die Böden aus dem Dorf", erklärt der Kirnbacher Hundeliebhaber.

Weil früher meist Familien mit Landwirtschaftsbetrieb in den Häusern wohnten, die ihr Geld hart erarbeiten mussten, mussten die Häuser schnell und einfach gebaut sein. Die typischen Schwarzwaldhäuser, die heute auch noch exemplarisch im Gutacher Vogtsbauernhof zu sehen sind, haben unter anderem ein markantes vorstehendes Dach aus Holzschindeln, das den Regen fernhält.

Häuser sind für alle Höhenlagen gerüstet

Das zusammengefügte Holzhaus sei in niedrigeren Lagen wie in Kirnbach, aber auch im Hochschwarzwald auf 1200 Höhenmetern universell einsetzbar, "die Technik funktioniert immer". Auch die Größe sei erweiter- oder verkleinerbar – von einem kleinen Einfamilienhaus bis hin zu einem umgebauten Mehrfamilienhaus mit mehreren Wohnungen.

Neben der einfachen Bauweise benötige ein Schwarzwaldhaus auch keine zahlreichen unterschiedlichen Stoffe wie Tapeten, Dämmmaterial oder Heizungen: "Mein Haus ist quasi nicht gedämmt und ich heize nur mit Holz, das teilweise auch noch von ausgetauschten alten Holzbalken der Wände stammt." Auch das sei ein ausgeklügeltes System: Auf dem Ofen kann gekocht werden und es gebe immer heißes Wasser, der Rauch beheizt die Stube, zieht weiter in die Räucherkammer, konserviert dort die Lebensmittel und hält später die Insekten fern. Der Glanzruß aus dem Kamin werde zu Dünger für die Erdbeeren, zu Waschmittel oder Schießpulver.

Der Rauch, der durch das gesamte Haus bis hinüber in den Stall ziehe, verhindere auch das Modern der Viehställe. "Das sind gleich zehn Funktionen in einem und eine Ressourcenökonomie, wie wir sie heute gar nicht mehr kennen", stellt Happle dar. "Der Schwarzwaldhof ist wie ein Organismus, der vom Menschen gesteuert wird, aber er erfüllt zahlreiche natürliche Funktionen und alles ist ein durchdachtes System."

All dies sei laut Happle Grund genug, in die Restaurierung dieser alten Gebäude zu investieren oder die alte modulare Bauweise als Vorbild zu nehmen und mit modernen Standards weiterzuentwickeln. "Der Schwarzwaldhof ist das beste Beispiel, wie man mit mehr Bewusstsein für das große Ganze bauen und im Einklang mit der Natur leben kann."

Aktueller Stand

Der Verein Bauwerk Schwarzwald geht von rund 5000 alten, noch heute existierenden Schwarzwaldhöfen aus. Die meisten davon stehen natürlich in Süddeutschland, also im Schwarzwald. Der Hoftyp wurde im 16. Jahrhundert nach Vorbild der Bauweise von Bodensee und Franken-Hohenlohe belebt.