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Strittig: Per Gesetz sind Sport- und Kulturveranstaltungen an Karfreitag verboten.

Berlin - "Öffentliches Tanzen ist heute verboten" - diese Worte sind wie Musik in den Ohren von Menschen, die den Kulturkampf lieben. Kurz vor Karfreitag keimt eine Debatte um den Schutz des Feiertags auf. Ist der "Stille Freitag" heute überhaupt noch sinnvoll?

Tanzverbot? Wo gibt's denn sowas? Antwort: in Deutschland! Doch diese regional unterschiedliche Gesetzeslage an gewissen "stillen Feiertagen" wie Karfreitag, Allerheiligen oder Totensonntag ist vielen Leuten nicht bewusst und wirkt auf sie wie ein Überbleibsel aus einem Land ohne Spaß.

"Der Taliban lässt grüßen", polterte der Frankfurter Gastronom Ralf Scheffler vom Kulturzentrum Batschkapp kürzlich in einer Mitteilung: "Tanzverbot, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Solche Maßregelungen erwartet man heutzutage zu Recht nur noch in den Herrschaftsbereichen der Steinzeit-Islamisten." Was war geschehen? Die Stadt Frankfurt hatte Mahnschreiben an Disco-Besitzer verschickt, weil Bürger gepetzt hatten, dass dort Veranstaltungen geplant seien, die möglicherweise verboten gehörten.

Seit 1952 verboten

Nach einem Landesgesetz von 1952 darf in Hessen am Karfreitag sowie den Osterfeiertagen von jeweils 4.00 Uhr morgens bis 12.00 Uhr mittags nicht öffentlich getanzt werden.

Das finden jetzt auch die Grünen falsch, obwohl sie das Gesetz während ihrer Regierungszeit in Hessen unverändert ließen. Die Landtagsabgeordnete Sarah Sorge findet das Verbot nicht zeitgemäß. Die Jugendorganisation der hessischen Grünen rief für Freitag zu einem Flashmob, also zu einem über Handy und E-Mails organisierten Protestauflauf in Frankfurt auf. Auch die Jungen Liberalen sagen: "Niemand wird in seiner Glaubensausübung gehindert, wenn Menschen andernorts feiern."

Das sieht Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU) anders: Hessen sei ein christlich-abendländisch geprägtes Land. Daher sei es "richtig und wichtig, dass es an den höchsten christlichen Feiertagen des Jahres nicht Ramba-Zamba rund um die Uhr" gebe.

Passt nicht in die Zeit

Auch im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen gibt es eine Diskussion: Ein Verbot von Unterhaltungsveranstaltungen an kirchlichen Feiertagen passe nicht mehr in die Zeit, sagte Grünen-Landeschef Sven Lehmann der "Rheinischen Post". Doch dem Motto "Wer gackert, muss auch ein Ei legen", das zu Ostern passen würde, will er dann doch nicht folgen. Lehmann erklärte, die rot-grüne Regierung plane keine Änderung des Feiertagsgesetzes im Land.

Die Grünen wollten aber eine Debatte anstoßen. Christen dürften den anderen nicht vorschreiben, wie sie den Tag verbringen. "Unsere Gesellschaft ist nicht nur christlich geprägt, sondern vielseitig - auch jüdisch, muslimisch und säkular." Beim Feiertagsthema herrscht offenbar gelb-grüne Einigkeit: Die NRW-FDP teilte mit, auch sie sei offen "für moderate Veränderungen am Feiertagsgesetz".

Die Kirchen, die seit Jahren immer mehr Mitglieder verlieren, wollen selbstverständlich diese Bastion nicht aufgeben: "Wer die Aufhebung der besonderen Feiertagsruhe am Karfreitag propagiert, fordert nichts anderes als mehr Werktage", sagte Nikolaus Schneider, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland und Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland.

In Berlin ist alles anders

Auslöser der NRW-Debatte waren umstrittene Aufführungen an einigen Bühnen, die für Karfreitag geplant waren. Nach einem Hinweis der Bezirksregierung verlegte aber beispielsweise das Essener Aalto-Theater die Premiere einer Puccini-Oper auf Gründonnerstag vor.

In jedem Bundesland ist die Lage anders. In Berlin zum Beispiel besonders liberal - Hasser der Hauptstadt würden es wohl verwahrlost nennen. Doch auch von dort kommen Stimmen, die am Tanzverbot festhalten wollen. Maria Flachsbarth, die Beauftragte der CDU-Bundestagsfraktion für Kirchen und Religionsgemeinschaften, sagte, der Verzicht auf öffentliche Sportveranstaltungen, Tanz oder Theater sei an Karfreitag richtig. "Für solche Veranstaltungen gibt es in unserer Gesellschaft nun wirklich ausreichend Gelegenheit." Der Karfreitag sei ein Tag der Stille und der Besinnung, der allen Menschen zugutekomme.

Stephan Büttner, der Geschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Discotheken- und Tanzbetriebe, glaubt das nicht. Er sieht stark veränderte Bedürfnisse in der Gesellschaft. Viele Menschen fragten am Vorabend und in den frühen Morgenstunden eines Feiertages Gastronomie, Musik und Tanz nach. Verbote sind deshalb für ihn "antiquierte Relikte aus vergangenen Zeiten".