Allianz-Leben-Vorstand Volker Priebe: „Wir erfüllen die zugesagten Garantien, und zwar ohne Wenn und Aber.“ Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Bei der Altersversorgung setzen die Deutschen auch in der Niedrigzinsphase weiter auf Sicherheit. „Selbst Menschen, die bewusst nach mehr Chancen suchen, wollen Sicherheit für ihr eingezahltes Geld“, sagt der neue Allianz-Leben-Vorstand Volker Priebe.

Stuttgart – - Herr Priebe, Sie sind seit Jahresbeginn im Vorstand der Allianz Lebensversicherung. Soll man Sie dazu in Zeiten der Niedrigzinsen beglückwünschen oder besser nicht?
Ich freue mich über alle Glückwünsche und ich freue mich auf die neue Aufgabe. Am 1. März bin ich seit 16 Jahren bei der Allianz. Die Herausforderungen sind nicht neu: Wir beschäftigen uns schon seit Jahren mit der Frage, wie wir unsere Angebote auf den geänderten Kundenbedarf im Niedrigzinsumfeld anpassen. Es ist wichtig, den Bedarf der Kunden im Blick zu halten, der sich auch durch die Digitalisierung ändert.
Was haben Sie sich zum Ziel gesetzt?
Gerade im gegenwärtigen Umfeld brauchen die Kunden einen starken Partner und der möchten wir sein. Als großer internationaler und sehr breit diversifizierter Kapitalanleger kann die Allianz ihre Stärken ausspielen. Das trifft sowohl für die Altersvorsorge zu als auch für die Absicherung von existenziellen Lebensrisiken: Berufsunfähigkeit, Pflege, Tod des Versorgers in der Risikolebensversicherung.
Sie bieten die klassische Lebensversicherung mit einem Garantiezins nicht mehr aktiv an. Halten Sie Ihr eigenes Produkt für überholt?
Die langlaufenden Garantien der klassischen Lebensversicherung gehen im gegenwärtigen Niedrigzinsumfeld zu Lasten der Rendite. Deshalb bieten wir vier Konzepte an, bei denen die Kunden wählen können, wie viel Sicherheit und wie viel Renditechancen sie in der Ansparphase wünschen. Mittlerweile entscheiden sich 90 Prozent aller Kunden im Privatgeschäft für eines dieser neuen Konzepte und in der betrieblichen Altersvorsorge sind es zwei Drittel.

Wie man für die Rente richtig spart, erklärt zudem der Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, Niels Nauhauser, im Video:

Alles ohne Garantie?
Es gibt keine Garantieverzinsung, aber am Ende der Ansparphase wird die Summe der eingezahlten Beiträge garantiert. Bei Rentenversicherungen nennen wir bereits bei Abschluss eine garantierte Mindestrente, damit die Menschen ihre Altersvorsorge planen können. Und nur mit einer Rentenversicherung haben Sie garantiert lebenslang ein zusätzliches Einkommen.
Eingezahlte Beiträge heißt nicht nur Sparbeiträge unter Abzug der Kosten?
Nein. Wenn Sie 100 Euro einzahlen, sind 100 Euro am Ende garantiert. Das darzustellen, war im Übergang von 2016 auf 2017, als der Garantiezins von 1,25 auf 0,9 Prozent abgesenkt wurde, nicht selbstverständlich. Doch wir bleiben dabei: Die eingezahlten Beiträge sind garantiert und gleichzeitig bieten wir mit unseren Angeboten attraktive Renditechancen. Nicht jeder Anbieter hat das geschafft.
Und wie risikofreudig sind die Kunden bei den neuen Konzepten?
Die Menschen in Deutschland setzen heute nicht mehr auf den Garantiezins angesichts der seit Jahren niedrigen Zinsen. Sie möchten mindestens Sicherheit für ihr eingezahltes Geld und eine Mindestrente, mit der sie planen können. Bei einigen Produkten der Allianz können sich die Kunden heute schon für eine geringere oder keine Beitragsgarantie entscheiden. Dafür wird ein höherer Anteil der Beiträge am Kapitalmarkt angelegt. Aber sogar bei sehr kapitalmarktnahen Angeboten wie Allianz Invest Flex mit bis zu 70 frei wählbaren Fonds entscheiden sich drei von vier Kunden für 100 Prozent Beitragserhalt. Das heißt: Selbst Menschen, die bewusst nach mehr Chancen suchen, wollen Sicherheit für ihr eingezahltes Geld. Die überwältigende Mehrheit setzt auf 100 Prozent Beitragserhalt.
Verstehen Sie, wenn Versicherer Kunden mit hochverzinsten Altverträgen nahelegen, alte Verträge zu kündigen und das Geld zu nehmen oder es in einen anderen Vertrag zu stecken?
Über Wettbewerber möchte ich mich nicht äußern. Für unser Haus gilt: Der Kunde hat einen langlaufenden Vertrag mit uns abgeschlossen, und wir sehen keinen Anlass, daran etwas zu ändern. Wir erfüllen die zugesagten Garantien, und zwar ohne Wenn und Aber.
Einige Versicherer prüfen die Auslagerung von zu teuer gewordenen Verträgen an Spezialplattformen. Planen Sie so etwas?
Nein. Der Verkauf von Lebensversicherungsbeständen ist für uns in Deutschland überhaupt kein Thema.
Die Digitalisierung bringt Versicherungs-Start-ups hervor, die ganz ohne klassische Versicherungsvertreter auskommen. Die Produkte werden über eine App angeboten. Wie wichtig ist der Versicherungsvertreter noch für Sie?
Beratung spielt in der Altersvorsorge eine wichtige Rolle und sie sollte auch entsprechend honoriert werden. Gleichzeitig beobachten wir, wie die automatisierte Beratung bei den Kunden akzeptiert wird und bieten auch an einige Produkte online an – von der Beratung bis zum Abschluss. Wir stellen dabei fest, dass auf jeden Kunden, der zum Beispiel eine Risikolebensversicherung online abschließt, vier Mal so viele Kunden kommen, die sich zwar zunächst online informieren, aber den Vertrag persönlich bei einem Vermittler abschließen und dort noch offene Fragen klären.
Banken wird häufig entgegengehalten, dass sie ihre Kundendaten zu wenig nutzen, um Produkte aus diesem Wissen zu entwickeln. Wie sieht das bei Ihnen aus?
Lebensversicherer werten schon lange gewisse Daten ihrer Kunden aus – zum Beispiel wie lange Menschen leben oder wie häufig sie berufsunfähig werden. Das Wissen daraus ist wesentlich für unsere Angebote. Wir verschließen nicht die Augen davor, dass noch mehr möglich wäre. Ich halte es aber nicht für selbstverständlich, dass Kunden ihre Daten zum Beispiel aus Fitnessarmbändern mit uns teilen und akzeptieren, dass wir neue Versicherungsangebote daraus entwickeln. Eins muss klar sein: Die Daten gehören den Kunden.
Fürchten Sie, dass die Internetkonzerne Amazon, Google, oder Facebook, die über einen Schatz an Kundendaten verfügen, im Versicherungsbereich angreifen?
Die Menge der verfügbaren Daten ist das eine. Das Produkt Lebensversicherungen ist aber sehr reguliert, um hohe Standards beim Verbraucherschutz sicherzustellen. Ich denke an Geldwäschevorschriften, Informationspflichten auf nationaler und europäischer Ebene, das Versicherungsvertragsrecht. Sie brauchen zudem Know-how in der Kapitalanlage. Nach meiner Wahrnehmung schauen sich die großen Internetkonzerne sehr genau an, was alles noch daran hängt.
Die Digitalisierung erfolgt in rasantem Tempo. Sind Sie als Versicherungsriese nicht ein langsamer Dampfer, der gegen kleine Schnellboote – die Start-ups – antreten muss?
Das sind neue Herausforderungen für die gesamte Branche. Wir haben uns als Allianz vorgenommen, neue Entwicklungsschritte noch konsequenter als bisher mit dem Kunden zu testen. Wird das Neue angenommen, machen wir weiter, wird es abgelehnt, stoppen wir die Entwicklung. Zudem wollen wir die Kompetenzen im Haus noch agiler zusammenbringen – abseits von tradierten Organisationsformen. So haben wir hier in Stuttgart am Sitz der Allianz Leben eigene Räume angemietet, wo kleine Teams agil an neuen Produktideen und an deren Anwendung in der digitalen Welt arbeiten und sie unmittelbar mit Kunden testen.