Bisher gibt es rund 900 Erdgas-Tankstellen in Deutschland. Foto: Erdgas Mobil

Gasautos sind bisher eine Randerscheinung auf dem deutschen Automarkt. Der VW-Konzern engagiert sich nun stark für Wagen mit Erdgas – doch Mercedes streicht wegen schwacher Nachfrage das letzte Modell.

Stuttgart - Zum Dieselgipfel in Berlin machte die Gaslobby mobil. „Bei all der Diskussion um den Diesel dürfen wir nicht vergessen, dass wir mit Erdgas über einen umweltschonenden, sofort einsetzbaren Antrieb verfügen“, verkündete Timm Kehler, der Vorstand der Brancheninitiative Zukunft Erdgas, vor dem Spitzentreffen Anfang August. Die Politik müsse Anreize schaffen, um den alternativen Kraftstoff nachhaltig im Markt zu etablieren, forderte der ehemalige BMW-Manager. Die Flüssiggasbranche, die für die stärkere Verbreitung von Autogas kämpft, hieb vor dem Dieselgipfel in die gleiche Kerbe. Der Deutsche Verband Flüssiggas (DVFG) forderte ebenso wie die Erdgas-Initiative eine staatliche Kaufprämie von 4000 Euro, wie sie für die Anschaffung von Elektromobilen gewährt wird.

Der Vorstoß hatte indes keinen Erfolg beim Dieselgipfel, obwohl Gas im Hinblick auf Umweltschutz Vorteile hat, rechnet Timm Kehler vor: „Erdgasfahrzeuge emittieren im Vergleich zu Dieselautos mit den neuesten Abgasnormen 23 Prozent weniger Kohlendioxid, 50 Prozent weniger Staub und nahezu keine Stickoxide.“ Untermauert wird dies auch vom jüngsten Eco-Test des ADAC, bei dem Erdgasfahrzeuge als besonders sauber eingestuft wurden. Ähnlich wie Kehler argumentiert auch der Vorsitzende des DVFG, der Stuttgarter Unternehmer Rainer Scharr: Im Test unter realen Fahrbedingungen habe sich gezeigt, dass mit Autogas die Stickoxidbelastung bis zu 51-mal niedriger ausgefallen sei als bei einem vergleichbaren Dieselfahrzeug. Im Vergleich zum Benzinfahrzeug wiederum sei der Partikelausstoß um bis zu 99 Prozent niedriger. „Autogas bietet damit gleich zwei zentralen Herausforderungen der Luftreinhaltung Paroli“, sagt Scharr.

Gas ist umweltfreundlicher als Benzin und Diesel

Obwohl Wagen mit Erdgas oder Autogas die Umwelt weniger belasten als Autos mit Benzin- oder Dieselmotor, sind sie bisher nur eine Randerscheinung auf dem deutschen Automarkt. Von den 45 Millionen Personenwagen in Deutschland fahren nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts nur rund 450 000 mit Autogas. Mit Erdgas fahren sogar nur gut 77 000 Wagen. Im vorigen Jahr mussten beide alternativen Antriebe zudem einen herben Rückschlag einstecken. Autogas-Fahrzeuge verbuchten einen Rückgang von 37 Prozent. Ähnlich drastisch war der Einbruch bei den Erdgasautos.

Ausgelöst wurde dies durch eine ungewisse Zukunft bei der steuerlichen Förderung von Gasautos. Es wurde befürchtet, dass die Steuervorteile Ende 2018 ganz gestrichen werden. Zudem lösten ein großer Rückruf von VW, bei dem Gastanks ausgetauscht wurden, und die Explosion eines Gas-Touran Verunsicherung aus.

Nach langen politischen Diskussionen beschloss der Bundestag im Juni dieses Jahres, dass die steuerliche Förderung für Erdgas zunächst einmal bis Ende 2026 verlängert wird, wobei die Begünstigung bei der Energiesteuer allerdings ab 2024 Schritt für Schritt verringert wird.

Steuerbegünstigung für Autogas läuft aus

Die Steuerbegünstigung für Autogas wurde ebenfalls über 2018 hinaus verlängert, sie wird jedoch stufenweise verringert und läuft Ende 2022 schließlich ganz aus. In einem Gutachten für das Bundesverkehrsministerium, das federführend vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erarbeitet wurde, heißt es, dass die Gesamtkosten von Erdgas- und Autogasfahrzeugen ohne eine Begünstigung bei der Energiesteuer in den meisten Fällen höher lägen als die Kosten von Dieselautos. Die Bevorzugung von Erdgas gegenüber Autogas wurde damit begründet, dass Erdgasautos die Umwelt am wenigsten belasten und dieser Vorteil mit dem Einsatz von erneuerbarem Methan noch wachse. Das aus Propan und Butan bestehende Autogas biete dagegen kaum Möglichkeiten, erneuerbare Energien einzubringen.

Nach Angaben des ADAC Württemberg spielt die Kilometerleistung eine wichtige Frage bei der Beurteilung, ob sich heute ein Gasauto finanziell lohnt. Vergleichstests zeigten, dass Erdgas- und Autogasfahrzeuge vor allen Dingen für Vielfahrer interessant seien, weil die Anschaffungskosten höher sind oder Kosten für die Umrüstung von Benzin auf Gas anfallen. Bei vielen getesteten Fahrzeugen kämen die Vorteile meist ab etwa 20 000 Kilometer im Jahr stärker zum Tragen. Mit jedem Abschmelzen des Steuervorteils sei es umso wichtiger, eine Langfristrechnung aufzustellen und zu prüfen, wie lange der Wagen gefahren wird, wie viele Kilometer zurückgelegt werden und wie sich die sinkenden Steuervorteile in der Gesamtkostenrechnung bemerkbar machen.

VW will das Modellangebot Schritt für Schritt ausbauen

Die Kosten sind nach der DLR-Studie indes nur einer von mehreren Faktoren, die beim Kauf von Gasautos eine Rolle spielen. Um mehr dieser Wagen auf die Straße zu bringen, so die Gutachter, müssten auch die Verbraucher besser informiert, das Fahrzeugangebot erweitert sowie das Tankstellennetz ausgebaut werden. Diesen Argumenten stimmt auch Stephen Neumann zu, der bei VW zu einem Team gehört, das den Verkauf von Erdgasautos ankurbeln soll. Der Volkswagen-Konzern hat in diesem Jahr mit Partnern aus der Gasbranche eine Initiative gestartet, die bis 2025 eine Million Erdgasautos auf die Straße bringen will. Das Tankstellennetz soll bundesweit von derzeit rund 900 auf 2000 Standorte ausgeweitet werden.

Damit dies gelingt, ist nach Einschätzung von Neumann „viel Aufklärungsarbeit erforderlich“. Der VW-Konzern hat laut Neumann derzeit bei Erdgasautos in Deutschland einen Marktanteil von 80 Prozent und wolle sein Modellangebot Schritt für Schritt ausweiten. Seit dieser Woche können bei Audi die Kombi-Variante des A4 sowie der A5 Sportback mit Erdgasantrieb bestellt werden, die bei Audi den Zusatz „g-tron“ tragen. Audi gibt zudem ebenso wie VW beim Umtausch alter Diesel gegen schadstoffärmere Wagen eine Zusatzprämie von 1000 Euro, wenn ein Erdgasauto gekauft wird. Wer sich einen A4 Avant mit Erdgasantrieb zulegt, bei dem die Preisliste bei 40 300 Euro beginnt, kann so insgesamt 9500 Euro sparen.

Mercedes-Benz zieht sich beim Erdgas zurück

Neben Marken des VW-Konzerns bieten bisher vor allem Fiat, aber auch Opel und Mercedes-Benz Erdgasautos an. Die Stuttgarter indes wollen sich aus diesem Markt zurückziehen. Derzeit gibt es nur noch die B-Klasse mit Erdgas. Mit dem nächsten Generationswechsel wird diese Variante jedoch gestrichen. „Die Nachfrage nach Erdgasantrieben im Pkw-Segment ist deutlich zurückgegangen“, begründet ein Sprecher des Autobauers diesen Ausstieg. Opel bietet neben Erdgas- auch Autogasfahrzeuge an. Daneben gibt es laut ADAC Autogas-Varianten auch bei Ford, Kia, Hyundai, Lada und Dacia. Stefan Bratzel, Chef des Forschungsinstituts CAM in Bergisch Gladbach, sieht die Perspektiven von Gasautos skeptisch. „Ich glaube nicht, dass man in Europa viel beim Gasauto in Bewegung bringen kann“, so der Wissenschaftler. Bratzel begründet dies auch mit einer diffusen Angst der Autokäufer vor dem Gas. „Es scheint eine psychologische Abneigung zu geben“, meint Bratzel.

Eine deutliche Skepsis zeigen auch die Ergebnisse einer Umfrage, die der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) veröffentlicht hat. Der Verband wollte wissen, wie Meinungsbildner, also Politiker, Journalisten und Wissenschaftler, das Zukunftspotenzial von Erdgas einschätzen. Bei der Frage, welche Rolle Erdgas auf längere Sicht für die Mobilität spielen werde, waren besonders die Wissenschaftler sehr zurückhaltend: Nur acht Prozent der Wissenschaftler rechnen damit, dass Gas im Verkehrsbereich eine große Bedeutung gewinnen werde.