Update Winfried Kretschmann und Nils Schmid haben Koalitions-Vertrag unterzeichnet.

Stuttgart - Sechseinhalb Wochen nach der Landtagswahl ist die grün-rote Koalition in Baden-Württemberg perfekt. Die beiden Verhandlungsführer Winfried Kretschmann (Grüne) und Nils Schmid (SPD) unterzeichneten am Montag in Stuttgart an einem geschichtsträchtigem Ort den Koalitionsvertrag - im alten Landtagsgebäude wurde 1952 der Südweststaat gegründet. Auch SPD-Landtagsfraktionschef Claus Schmiedel und die Grünen-Landesvorsitzenden Silke Krebs und Chris Kühn setzten ihre Namen unter die Koalitionsvereinbarung.

Beide Regierungspartner hatten am Wochenende auf getrennten Parteitagen einstimmig für die gut 80 Seiten starke Vereinbarung votiert. Am Donnerstag soll Kretschmann vom Landtag zum ersten grünen Ministerpräsidenten gewählt werden. Dann können Grüne und SPD nach 58 Jahren die CDU von der Regierung ablösen.

"Der Aufbruch in die Moderne dieses Landes beginnt"

Kretschmann sagte, Grün-Rot sei ein gemeinsames Projekt. „Ich freue mich auf ein gemeinsames Regieren mit unseren sozialdemokratischen Partnern.“ Der SPD-Landesvorsitzende Schmid meinte: „Der Aufbruch in die Moderne dieses Landes beginnt.“

Der Koalitionsvertrag sieht unter anderem den raschen Ausstieg aus der Atomkraft, umfassende Bildungsreformen sowie Steuererhöhungen für eine bessere Kinderbetreuung vor. Kretschmann sagte, seine Regierung werde den Dialog mit der Bürgerschaft ernst nehmen. „Dann wird sich der Koalitionsvertrag in dem einen oder anderen Punkt ändern.“

Mit Spannung wird am Donnerstag die Wahl des neuen Ministerpräsidenten erwartet. Die grün-rote Koalition hat zwar mit ihren 71 Mandaten vier Stimmen mehr als CDU und FDP zusammen. Kretschmann braucht aber eine Stimme mehr als die der Hälfte der 138 Mitglieder des Landtags und damit 70 Stimmen, um gewählt zu werden.

Damit darf nicht mehr als einer der 36 Grünen-Abgeordneten oder der 35 Sozialdemokraten im Parlament fehlen oder mit Nein stimmen - sonst könnte Kretschmann bei der Wahl durchfallen. Es sind zwar unbegrenzt weitere Wahlgänge möglich, die Hürde bleibt aber unverändert hoch.

Zuvor kommt an diesem Mittwoch der Landtag zur konstituierenden Sitzung zusammen und bestimmt die neue Parlamentsspitze. Der scheidende Finanzminister Willi Stächele (CDU) soll neuer Landtagspräsident werden. Die CDU ist zwar künftig in der Opposition, sie stellt aber noch immer die stärkste Fraktion und hat nach parlamentarischem Brauch das Vorschlagsrecht.

Wolfgang Drexler gilt als gesetzt

Die Nominierung Stächeles ist allerdings in die Kritik geraten. Die bisherigen Oppositionsfraktionen Grüne und SPD lasten ihm an, dass er als Finanzminister den vom bisherigen Regierungschef Stefan Mappus (CDU) im Geheimen eingefädelten Rückkauf der Landesanteile am Energiekonzern EnBW für 4,7 Milliarden Euro per Notbewilligungsrecht genehmigte und dabei den Landtag umging.

Grüne und SPD sehen die verfassungsmäßigen Rechte des Parlaments als Haushaltsgesetzgeber verletzt und haben deshalb Klage beim Staatsgerichtshof eingereicht. Sollte das oberste Verfassungsgericht des Landes ihr stattgeben, würde Stächele aus Sicht der künftigen Regierungsfraktionen Grüne und SPD als oberster Repräsentant des Landtags untragbar.

Für die Wahl des Landtagspräsidenten genügt die einfache Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen. Enthaltungen werden als nicht abgegebene Stimmen gezählt. Wie Grüne und SPD angesichts der EnBW-Vorgeschichte stimmen werden, ist aber noch nicht geklärt.

Der bisherige stellvertretende Landtagspräsident Wolfgang Drexler (SPD) gilt für eine weitere Amtszeit als gesetzt. Um einen weiteren Vize-Präsidenten-Posten konkurrieren derzeit noch die Grünen-Abgeordneten Brigitte Lösch und Muhterem Aras. Welche der beiden Stuttgarter Parlamentarierinnen ins Rennen geht, wollen die Grünen an diesem Dienstag in der Fraktionssitzung festlegen.