Weil der Verkehr in der Poststraße schon seit drei Wochen fließt, musste das traditionelle Durchschneiden eines Bandes als symbolische Freigabe in Windeseile über die Bühne gehen. Fotos: Köncke Foto: Schwarzwälder Bote

Feierstunde: Für einen kurzen Moment ruht der Verkehr in der Altensteiger Unterstadt noch einmal

Für einen kurzen Moment wurde die Poststraße gesperrt und mit kleinen Scheren ein grüngelbes Band durchschnitten: Die Durchfahrt durch die Altensteiger Unterstadt war damit auch offiziell freigegeben.

Altensteig. 20 Stehtische hatte man auf den Marktplatz gestellt, mit alkoholfreien Getränken und 250 A-förmigen Brezeln ("A" wie "Altensteig") bestückt, mit kleinen Kürbissen und einem Blumengesteck dekoriert, aus dem der Flyer über die Bewerbung der Stadt für die Gartenschau herausragte – die Entscheidung der Jury, ob Altensteig den Zuschlag erhält, soll noch in diesem Monat fallen.

Entlang der Poststraße standen wie an einer Perlenschnur aufgezogen Oldtimerfahrzeuge, wie die "Wanderdüne" von Mike van Severen, ein weißer Mercedes 190, Baujahr 1964, und der Opel Blitz von Hermann Armbruster, der bereits 470 000 Kilometer auf dem Buckel hat und 29 Jahre alt ist. Nach dem offiziellen Teil der Feierstunde wurde zu einer Miniausfahrt in Richtung Rosenstraße gestartet.

Eingefunden hatten sich auf dem neu gestalteten Marktplatz Vertreter des Regierungspräsidiums Karlsruhe und der Kommunalentwicklung Baden-Württemberg, Landrat Helmut Riegger aus Calw, Kommunalpolitiker und Geschäftsleute aus der Stadt, Mitarbeiter beteiligter Baufirmen und zahlreiche Altensteiger Bürger.

Seit drei Wochen rollen Fahrzeuge mit Tempo 30 bereits vom neuen Postplatz über den gepflasterten Marktplatz bis zur Sternenbrücke und in umgekehrter Richtung. Trotzdem hielt Bürgermeister Gerhard Feeß in seiner Ansprache den jetzigen Zeitpunkt der Verkehrsfreigabe für passend. Erstens, weil noch Restarbeiten zu erledigen seien, zweitens, weil er den Abschluss mehr als zweijähriger Bauarbeiten eines zehn Millionen Euro teuren Großprojekts zur Stadtentwicklung, den Abbau von Barrieren, das neue Einkaufserlebnis durch breitere Gehwege, eine Geschwindigkeitsreduzierung in der Ladenstraße, 51 Parkplätze, ein neues Beleuchtungskonzept, den Wasserlauf auf dem Marktplatz als Anziehungspunkt für jung und alt als deutliche Steigerung der Aufenthaltsqualität in der Flößerstadt bewusst vor Augen führen wollte.

Zum Schluss hatte der Rathauschef noch einen Wunsch an Riegger. Nach dem Bau der "tollen" Ortsumfahrung würde er sich wünschen, dass der Schwerlastverkehr möglichst aus der Altensteiger Innenstadt herausgehalten werde, ohne – wie in einer anderen Stadt im Landkreis – ein Durchfahrtverbot zu verhängen.

Der Calwer Landrat kann sich nach eigener Aussage noch gut an den 3. Mai 2018 erinnern, als mit dem traditionellen Baggerbiss das Großvorhaben in Altensteig auf den Weg gebracht wurde. Was in Altensteig zweieinhalb Jahre später alles bewegt und erreicht worden sei, verdiene allergrößten Respekt. "Eine Stadt lebt von Veränderungen, sie muss sich der Zeit anpassen", schrieb er "Besserwissern" und Kritikern ins Stammbuch. Zumal der ländliche Raum für Einwohner großer Städte wie Stuttgart und Böblingen als Wohn- und Lebensmittelpunkt immer interessanter und attraktiver werde. Eine Innenstadt ohne Lastwagen-Verkehr sei auch ein Anliegen von ihm, was sich aber nicht immer verwirklichen ließe, weil auch noch andere staatliche Stellen ein Wörtchen mitreden würden.

Projektleiter Andreas Bayer vom städtischen Hochbauamt ging detailliert auf die sechs Jahre dauernde Planungs- und Umsetzungsphase ein, die mit der Ausschreibung eines Ideenwettbewerbs und der Entscheidung über zwölf Entwürfe ihren Anfang genommen, allen Beteiligten einen hohen, persönlichen Einsatz abverlangt habe und deren Verwirklichung ein finanzieller Kraftakt gewesen sei.

Für den Werberingvorsitzenden Uwe Seeger war der 11. Juni 2018 "kein gewöhnlicher Tag". An diesem Tag sei die Poststraße wegen Bauarbeiten für den Durchgangsverkehr gesperrt worden – auch mit Folgen für sein Modegeschäft. Die Kundenfrequenz habe abgenommen, der Umsatz sei zurückgegangen und bei manchen Einzelhändlern hätten sich Existenzängste eingestellt. Im Laufe der Zeit habe man gelernt, mit der Situation umzugehen, was auch während der Corona-Pandemie geholfen habe. "Wir sind noch alle da, kein Geschäft musste bisher schließen", rief Seeger den Zuhörern auf dem Marktplatz zu und bedankte sich bei "vielen, treuen Kunden", die dazu beigetragen hätten.

Nach dem offiziellen Teil lud Bürgermeister Feeß die Besucher ein, sich mit Brezeln und Getränken an den Stehtischen zu stärken. Und die ersten Oldtimer-Fahrzeuge setzten sich zur Rundfahrt in Bewegung.