Die Aufkleber auf dem "Spotzer" Foto: Schwarzwälder Bote

Oldtimer: Die anrührende Geschichte eines dreirädrigen Invalidenfahrzeugs, das nach Simmersfeld kam

Stefan Seeger aus dem Simmersfelder Ortsteil Beuren ist ein leidenschaftlicher Sammler von historischen Fahrzeugen. Eines davon ist ein 70 Jahre altes dreirädriges Invalidenfahrzeug, das von seinem einstigen Besitzer liebevoll "Spotzer" genannt wurde. Die Geschichte hierzu geht auf die Zeit um den Zweiten Weltkrieg zurück.

Simmersfeld. Drei Jahrzehnte befand sich ein historisches Gefährt auf drei Rädern, Baujahr 1950, aus der Offenbacher Krankenfahrstuhlfabrik Petri & Lehr im Dornröschenschlaf und schlummerte in der Garage seines Vorbesitzers. Aufgrund einer Suchanfrage im Internet entwickelte sich der Kontakt zwischen Stefan Seeger aus Simmersfeld und dem im fränkischen Scheinfeld lebenden Dieter Richter, der im Besitz des Invalidenfahrzeugs war. Dieses hatte einst sein Vater Franz gefahren und ihm den Beinamen "Spotzer" verpasst. Stefan Seeger, selbst bereits Eigentümer eines solches Fahrzeugs, kaufte dem Franken das dreirädrige Gefährt ab und hauchte ihm neues Leben ein.

Vor Kurzem waren Dieter Richter und seine Ehefrau Carmen zu Besuch in Beuren und erzählten dabei die Geschichte des "Spotzer": Dem Vater von Dieter Richter, Franz Richter, Jahrgang 1916, wurden beide Unterschenkel amputiert. Im Jahr 1943 wurde dem Bordmechaniker des Transportfliegers JU 52 das erste Bein entfernt. Ihm war während des Zweiten Weltkriegs in Russland wegen fehlender Winterbekleidung der Fuß abgefroren.

1946 wurde der Kriegsversehrte mit seiner Familie aus dem Sudetenland, dem heutigen Tschechien, vertrieben. Alle Deutschen in der Gemeinde Meretitz im damaligen Landkreis Kaaden mussten sich damals innerhalb von 24 Stunden am Bahnhof einfinden. Jede Familie durfte höchstens 50 Kilo Gepäck mitnehmen. Dann ging es bei minus 15 Grad in Viehwaggons Richtung Westen. Vorher, so die Schilderungen seines Sohnes Dieter Richter, mussten im Wohnhaus die Betten frisch bezogen und der Haustürschlüssel ins Schloss gesteckt werden. Auf diesem Weg sollten die nachfolgenden neuen Bewohner alles geordnet vorfinden.

Einige Monate nach dieser Aussiedlung in die bayerische Gemeinde Neustadt an der Aisch, die Erfrierungen an Franz Richters zweitem Bein waren zwischenzeitlich fortgeschritten, musste auch dieses in der neuen Heimat oberhalb des Knies amputiert werden.

Der Kriegsversehrte bewohnte inzwischen gemeinsam mit Frau und Tochter ein ihm zugewiesenes altes Gemeindehaus mit ebenerdigen Wohnräumen. Der beidseitige Beinverlust ließ ihn jedoch nicht resignieren. Mit einem von Hand angetriebenen Drei-Rad-Rollstuhl fuhr er zu den Dörfern in der Umgebung und verkaufte Messer an die Bewohner, um seine Familie zu ernähren. Manche Tage war er deshalb bis zu 60 Kilometer unterwegs. Später wurde ihm dann eine Kriegsrente bewilligt.

Trotz seiner Behinderung wollte er die Welt erkunden

1950 kaufte er für 2500 Mark das Drei-Rad-Sonderfahrzeug der Offenbacher Krankenfahrstuhlfabrik Petri & Lehr. Der Krieg hatte Franz Richter seiner Jugend und auch seiner Gesundheit beraubt. Trotzdem wollte er die Welt erkunden und unternahm mit dem Gefährt, dem er den Namen "Spotzer" gab, zahlreiche Ausflüge mit Zielen in Bayern, Österreich und der Schweiz. Zur Erinnerung kaufte er überall Aufkleber, die das Gefährt auch heute noch zieren. Und wenn unterwegs eine Reparatur notwendig war, so erledigte das Franz Richter selbst.

Nunmehr hat das Gefährt in der Sammlung von Stefan Seeger in Beuren ein neues Zuhause gefunden. Der Sammler hat es wieder in Gang gesetzt und unternimmt damit regelmäßige Ausfahrten durch den Schwarzwald. Beim Besuch von Vorbesitzer Dieter Richter durfte dieser ebenfalls eine Runde mit dem historischen Gefährt drehen.