Das Stuttgarter Barock-Collegium erhielt Standing Ovations für seinen Auftritt in Altensteig. Foto: Kosowska-Németh Foto: Schwarzwälder Bote

Konzert: Stuttgarter Barock-Collegium gestaltet Stunde der Kirchenmusik im Gedenken an Jürg Wieber

Altensteig. Die jüngste Stunde der Kirchenmusik gestaltete sich nachdenklicher als sonst. Sie war dem Gedenken an Jürg Wieber gewidmet. Mit einem exklusiven wie bewegenden Konzert ehrten die Instrumentalisten des Stuttgarter Barock-Collegiums den passionierten Musiker, Pädagogen und Gründer der Christophorus-Kantorei Altensteig Wieber.

Zu seinen damaligen Schülern zählt der heutige Kirchenmusikdirektor, Organist und Kantor an der Evangelischen Stadtkirche Karlsruhe Christian-Markus Raiser. Dem alten Mentor verdankt er entscheidende Impulse seines Werdegangs, nun revanchierte er sich bei ihm gemeinsam mit den Stuttgarter Top-Instrumentalisten Eckhard Schmidt und Rudi Scheck (Trompete, Corno da caccia) für die musikalische und menschliche Fürsorge von damals.

Viele Gäste besuchten das Konzert. Neben der Wiebers Witwe fanden sich in der Altensteiger Stadtkirche auch ehemalige Lehrer von Christophorus-Gymnasium sowie vom Nagolder OHG ein, wo Raiser ab der 11. Klasse den Musikleistungskurs besuchte und Abitur machte. Die Wiedersehensfreude war nicht zu übersehen. Den liturgischen Anteil der Andacht übernahm Pfarrer Klaus-Peter Lüdtke.

Die Aussagekraft der Musik bedurfte keiner Worte, keiner Lobrede auf den vor fast einem Jahr verstorbenen Wieber, und nur die fromme Bitte "Entziehe dich eilends, mein Herze, der Welt" aus einer Kantate von Johann Sebastian Bach enthielt einen Hinweis auf den eigentlichen Konzertcharakter "in memoriam". In der für Trompete, Corno da caccia (Jagdhorn) und Orgel bearbeiteten Arie hallten Zuversicht, Hoffnung und eine rührende Heiterkeit, die das gesamte Programm von Barock bis zur Gegenwart kennzeichnete und bestimmte.

Den gemeinsamen Nenner der Werke von William Corbett, Georg Philipp Telemann, Francesco Manfredini und Jean Françaix bildete das homogene und klar konturierte Klangbild. Für die silberne Helligkeit der Trompeten und Jagdhörner suchte Raiser ähnlich klingende oder kontrastierende Registerfarben so sorgfältig aus, so dass sich die Klangpracht der Rohlf-Orgel mit der Strahlkraft der Bläser in einer mächtigen Verflechtung der Farben und instrumentalen Virtuosität vereinigte. Zum Vorschein kamen sowohl die einwandfreie Intonation als auch einheitliche Artikulation mit dem überaus präzisen Staccato der Bläser sowie ihre höchsten, emporsteigenden finalen Töne.

Große Beachtung schenkte das Publikum den Orgel-Einleitungen zu den Gemeindeliedern, wo Raiser seine imponierend reiche improvisatorische Gabe und ein ungewöhnliches Harmonie-Gespür zutage brachte. Das Vorspiel zu "Was mein Gott will" aus dem Jahre 1529 erschien im Licht einer "modernen Renaissance", in "Der Mond ist aufgegangen" setzte der Organist auf feine Dynamik, in der die Splitter des Themas mal in hohen Register, mal im Basspedal aufflackerten.

Außer zwei Sätzen aus einer Sonate von Felix Mendelssohn-Bartholdy trug Raiser solistisch das "Pastorale" des zeitgenössischen Tschechen Zdanek Pololánik vor. Zwar schieden sich hier die Publikumsgeister, weil der obsessive, schwindelerregende Walzer-Charakter des zweiten Teils dem irreführenden Titel gewaltig trotzte, doch mit dieser Interpretation verfestigte Raiser seinen Ruf als ein hervorragender und ideenreicher Orgel-Virtuose.

Die stehende Ovation galt der Kunst der Gastmusikern, zugleich aber applaudierten die Anwesenden dem Menschen Wieber, der das Musikleben in Altensteig nachhaltig beeinflusste und bereicherte.