Das Panorama des staatlich anerkannten Luftkurortes (Bild) lädt zum Aufenthalt ein. Foto: Kijak Foto: Schwarzwälder-Bote

Workshop: Experte analysiert den Ist-Zustand des Tourismus-Standorts Altensteig

Altensteig ist eine Schul- und Kulturstadt. Gilt das auch für den Tourismus? Genügen gute Luft, viele Wander- und Radwege, eine malerische Altstadt, das Flößerfest und der Weihnachtsmarkt als Markenzeichen? In einem Workshop wurden Stärken und Schwächen des staatlich anerkannten Luftkurorts aufgezeigt.

Altensteig. Bürgermeister Gerhard Feeß stellte bei der Begrüßung im Bürgersaal des Rathauses klar, "dass wir keinen Schwenk in eine reine Tourismusstadt wie Bad Wildbad vollziehen wollen", aber "die tolle Natur, die einmalige Altstadt und unsere hervorragende Gastronomie" seien geeignet, vorhandene Potenziale zu benennen und damit das Profil zu stärken. Dazu gehört für Feeß auch, Schwächen anzusprechen und daraus Lehren zu ziehen.

Für die strategische Ausrichtung hat die Stadt das Büro Kohl & Partner aus Stuttgart engagiert, das seit Juni damit beschäftigt ist, den Ist-Zustand zu ermitteln, touristische Ziele zu formulieren und Projekte anzustoßen. Und zwar, wie beim Stadtentwicklungsprozess, unter Mitwirkung der Bürgerschaft. Das ist dem Rathauschef wichtig. Bevor an den Tischen Ideen und Vorstellungen zu Papier gebracht wurden, analysierte Touristikfachmann Sebastian Gries die aktuelle Situation.

Nur fünf Betriebe sind zertifiziert

Im vergangenen Jahr wurden in Altensteig rund 67 000 Übernachtungen gezählt. Im Schnitt blieben die Gäste 2,2 Tage in der Stadt. Gries: "Das sind deutlich weniger als in anderen Tourismusgemeinden im Schwarzwald." Übernachtet haben sie laut Statistik zu 65 Prozent in einem Hotel oder Gasthof und nur zu zwei Prozent in Privatzimmern. Und noch eine Zahl lässt für den Fachmann Rückschlüsse zu: "Jeder zweite Gast war Geschäftsreisender." Stärkster Monat ist 2015 der August mit 9598 Übernachtungen gewesen, nicht aber der Juli mit 6375 Ankünften.

Von 21 touristischen Betrieben in Altensteig ließen sich bisher nur fünf zertifizieren, darunter ein Hotel mit vier, eines mit drei und ein drittes mit zwei Sternen. Schade findet der Diplom-Betriebswirt, dass der Luftkurort in den Internet-Buchungsportalen "nicht stattfindet". Dabei sei klar: "Wer nicht online ist, der ist nicht am Markt." Er würde seine Urlaubsreise nur noch im Internet buchen. Bei der Bewertung der gastronomischen Betriebe in der 10 000-Einwohner-Stadt gebe es gute Kritiken ("Freundliches Personal, tolles Essen") aber auch kritische Stimmen ("einige Häuser sind sehr reparaturbedürftig, andere haben ein schlechtes Preis-Leistungsverhältnis").

"Die historische Altstadt ist leer"

Dass es in Altensteig keine eigenständige Informations-Anlaufstelle gibt, ist für Gries ein Negativum. So bleibe alles am städtischen Kulturamt mit zwei Vollzeit- und einer Halbtagskraft hängen, außerdem am Bürgerbüro im Rathaus und im Café Wohnzimmer, "das ab Januar 2017 verpachtet wird", gab Gries eine Neuigkeit bekannt.

Dann wartete der Touristiker mit einer provokanten Schlagzeile auf: "Es gibt nix, was zu einem längeren Aufenthalt in Altensteig reizt". Die historische Altstadt sei leer: "Keine Menschen, kein Geschäft, kein Handel". In wenigen Minuten "ist man durch". Aufgrund des großen Verdrängungswettbewerbs könne Altensteig als Urlaubsort nicht nur eine intakte Landschaft, viele Wander- und Radwege anführen. "Das bieten alle anderen Tourismusorte im Schwarzwald auch". Der Gast habe das Gesamterlebnis im Auge – von der Anreise über die Stadt bis zum Ausflugsziel. Andererseits würden Menschen angesichts großstädtischer Hektik ihre Freizeit gerne in einer naturnahen, intakten Landschaft ohne negative Umwelteinflüsse verbringen; und da könne Altensteig mit Blick auf den Ballungsraum Stuttgart durchaus punkten. Auffällig sei auch, dass der "klassische Urlaub" mit einem mehrwöchigen Aufenthalt an einem Ort der Vergangenheit angehöre. "Die Menschen verreisen heute öfter, kürzer und spontaner." Genau deshalb dürfe man den Tagestourismus in Altensteig nicht unterschätzen, sieht Kulturamtsleiter Christoph Oldenkotte einen "nicht zu vernachlässigenden Umstand". Dem pflichtete Gries bei.