Wolfgang Frankholz (links) wurde in der Montagsakademie von Reinhard Kafka über seine Erlebnisse als "Kriegskind" befragt und erhielt als kleines Dankeschön ein Geschenk. Foto: Köncke Foto: Schwarzwälder-Bote

In der Altensteiger Montagsakademie schildern "Kriegskinder" ihre Erlebnisse und Erfahrungen

Von Manfred Köncke

Altensteig. Ein lieber Vater, ein prügelnder Vater und einer, dessen Wesensart sich seinen Kindern erst aus Briefen erschloss, die sie 1982 von der Mutter in drei Schuhkartons überreicht bekamen. Die Erfahrungen der "Kriegskinder", die in der Montagsakademie zur Sprache kamen, sind vielschichtig.

Richtig kennengelernt hat der frühere Rektor des Altensteiger Christophorus-Gymnasiums das Familienoberhaupt – abgesehen von kurzen Urlaubsaufenthalten und am Krankenlager – letztlich nur durch die weit mehr als 400 Schreiben, die er als Kompanieführer aus Russland, Belgien, Frankreich und den baltischen Staaten per Feldpost "an meine Lieben daheim" schickte.

Was der heute 84-jährige Lehrer als Kriegskind erlebte, darüber hat ihn der Geschäftsführer der evangelischen Erwachsenenbildung, Reinhard Kafka, in der Altensteiger Montagsakademie interviewt. Und nach der obligatorischen Kaffeepause berichteten einige Zuhörer im katholischen Gemeindehaus, wie es ihnen in dieser Zeit erging, welche Grenzerfahrungen sie an der Schwelle zwischen Leben und Tod gemacht haben und warum in der Familie später über die Zeit zwischen 1933 und 1945 so wenig – wenn überhaupt – gesprochen wurde.

Eigentlich wollte Andrea Seefeld vom Stuttgarter Hospitalhof an diesem Nachmittag im katholischen Gemeindehaus über den "Umgang mit dem großen Schweigen" berichten. Wegen einer starken Erkältung musste sie passen, und Wolfgang Frankholz sprang ein.

Krieg, Flucht, Vertreibung, existenzielle Bedrohung: 40 Prozent der deutschen Bevölkerung "waren nach dem Zweiten Weltkrieg traumatisiert", und die Hälfte von ihnen "wird bis heute damit nicht fertig", hat Kafka einer Umfrage entnommen.

Für Frankholz waren die letzten Kriegsjahre – der Vater kehrte 1944 schwer verletzt von der Front zurück und starb am 11. Mai 1945 an Sumpffieber – und die Zeit danach "alles andere als leicht". Noch mehr aber habe das für seine Mutter gegolten, die mit 43 Jahren ihren Ehemann verlor, mit den Kindern vor feindlichen Fliegerangriffen häufig in den Keller flüchten musste – und bei einer Tante Zuflucht suchen musste, nachdem eine Bombe das Wohnhaus zerstört hatte.

Pfarrer Thomas Essrich berichtete beim anschließendem Gedankenaustausch von einem völlig veränderten Vater und Spätheimkehrer, der bei den Kindern plötzlich "Zucht und Ordnung" für angebracht hielt und sie bei jeder Kleinigkeit – besonders, wenn die Schulnoten nicht seinen Erwartungen entsprachen – verprügelte, so dass es selbst seine Ehefrau zum Schluss nicht mehr ausgehalten und ihn verlassen habe.

Ganz anders hat Erwin Blau seinen Papa erlebt. "Er war lieb zu uns Kindern, wenn er auf Heimaturlaub war", selbst, als er erst nach einer fünfeinhalbjährigen Kriegsgefangenschaft in die Heimat zurückkehrte. Jürg Wieber wurde mit 15 Jahren als Luftwaffenhelfer eingezogen. Er wollte Testpilot bei einer Fluggesellschaft werden. Der 87-Jährige überstand die Kriegsjahre nach eigener Aussage ziemlich unbeschadet. Heinrich Knecht ist 1935 in Geislingen an der Steige zur Welt gekommen. Als Kind habe er mitbekommen, wie ein jüdischer Schuhladen von den Nazis zerstört wurde. Friderun de Jong erzählte von ihrer Mutter, die – als der Krieg anfing – auf der Karriereleiter schon weit oben gestanden habe, plötzlich ihre Zelte in Deutschland abbrach und in Portugal in einem Diplomatenhaushalt arbeitete. Später hat Friderun de Jong erfahren, dass ihre Mutter das Treiben der Nazis nicht länger mitansehen wollte.