Die Verhandlung wird am 21. Mai vor dem Nagolder Amtsgericht fortgesetzt. Foto: Köncke

Mediziner des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Verteidiger stellt Beweisanträge. Verfahren vertagt.

Altensteig/Nagold - Die Staatsanwaltschaft Tübingen wirft einem Arzt aus dem Oberen Nagoldtal sexuellen Missbrauch einer 22-Jährigen aus Altensteig vor. Der Beschuldigte hat gegen den erlassenen Strafbefehl Einspruch erhoben.

Die Verhandlung vor dem Nagolder Amtsgericht wurde aufgrund zahlreicher Beweisanträge der Verteidigung und einem Befangenheitsantrag gegen den Richter nach sechs Stunden unterbrochen. Die Prozessbeteiligten einigten sich auf eine Fortsetzung des Verfahrens am 21. Mai.

Der Humanmediziner ist in Berlin gemeldet, betreibt seine Praxis aber seit 22 Jahren im Nordschwarzwald. "In der ganzen Zeit ist nie etwas in dieser Richtung vorgefallen", erklärte Verteidiger Winfried Gaiser gleich zu Beginn der Verhandlung und verweigerte auf Nachfrage des Richters Angaben über die Vermögensverhältnisse seines Mandanten.

Wegen starker Bauchschmerzen und Blähungen hatte die junge Frau ihren Hausarzt aufgesucht. Als sich der Gesundheitszustand nicht besserte und auch Medikamenten nicht ansprachen, empfahl ihre Mutter den Angeklagten, bei dem sie selbst in Behandlung gewesen sei und mit dem sie gute Erfahrungen gemacht habe. Nach einer ausführlichen Anamnese begann die Behandlung im Mai 2017. Die 22-Jährige musste sich bis auf die Unterwäsche ausziehen, dann setzte der Arzt Akupunkturnadeln an. Dass er sie anschließend noch massiert habe, habe sie irritiert, sagte die junge Frau vor Gericht aus. Weil es sich aber um eine fernöstliche Behandlungsmethode handelte, ließ sie das nach eigener Aussage zu.

Bei den ersten von insgesamt 19 Terminen sei auch alles korrekt verlaufen und die Schmerzen zurückgegangen. Deshalb sei sie bereit gewesen, die fälligen Kosten – pro Behandlung 83 Euro – zu bezahlen. Am Ende hatte sich die Rechnung auf rund 1500 Euro summiert.

Misstrauisch sei sie geworden, als der Mediziner sie mit "Hallo, mein Schatz" und Handkuss begrüßt habe, ihr Komplimente zu ihren "wohlgeformten Beinen", zur "sexy Unterwäsche" und den "schönen Ohren" gemacht habe. Als er ihr einen Kuss auf die Unterhose gedrückt, die Innenseite der Oberschenkel einmal bis zum Genitalbereich massiert und versucht habe, sie auf den Mund zu küssen – "ich habe noch rechtzeitig den Kopf zur Seite gedreht" – sei sie aufgesprungen, habe sich angezogen und mit lautem Knall die Tür zugeschlagen.

Sie sei danach ziemlich durcheinander gewesen und habe lange Zeit unter Schlafproblemen gelitten. Ihr Freund, mit dem sie seit November 2017 in einer gemeinsamen Wohnung lebt, sagte als Zeuge vor Gericht aus, er habe zur Anzeige bei der Polizei geraten. Gegen den von der Staatsanwaltschaft veranlassten Strafbefehl erhob der Mediziner Einspruch. "Hat er Ihnen erklärt, dass die Massage Teil des Behandlungskonzepts ist?" Das sei nicht der Fall gewesen, beantworte die 22-Jährige die Frage des Richters.

Bevor er näher auf den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs einging, konfrontierte Verteidiger Wilfried Gaiser die junge Frau wiederholt mit den gleichen Fragen und unterstellte ihr Rassismus.

Schließlich griff Richter Martin Link ein und versuchte, anstelle der mehr und mehr verunsicherten 22-Jährigen die gestellten Fragen nach Rücksprache mit ihr klar zu beantworten – und wurde vom Verteidiger prompt der Befangenheit bezichtigt. Darüber wurde an anderer Stelle des Gerichts allerdings abschlägig entschieden.

Nach diversen Beweisanträgen des Verteidigers, die jedes Mal schriftlich formuliert und abschlägig beschieden wurden, wirkte Staatsanwältin Edith Zug zunehmend genervt, der Nebenkläger einer Calwer Kanzlei schüttelte wiederholt den Kopf, und auch Richter Martin Link wirkte sichtlich angestrengt.

Letztlich einigten sich die Beteiligten auf eine Vertagung des Verfahrens.