Verhandlung: Nagolder Amtsgericht lässt Vorwürfe gegen 20-Jährigen fallen

Altensteig/Nagold. Eine Ohrfeige, die vielleicht gar keine war, diplomatische und abgesprochene Zeugenaussagen, ein Taschenmesser als Einschüchterung, die Verteidigung der Familienehre und ein genervter Richter: Wegen Bedrohung und Körperverletzung musste sich ein 20-jähriger Altensteiger vor dem Amtsgericht Nagold verantworten. Nach Anhörung von sechs Zeugen wurde der Angeklagte freigesprochen.

Die zur Diskussion stehenden Vorfälle spielten sich an zwei aufeinanderfolgenden Tagen im November 2019 vor dem Wohnhaus des Beschuldigten und an einer Bushaltestelle in der Altensteiger Bahnhofstraße ab. Ein Schüler aus einem Nachbarort behauptete, der Angeklagte habe ihn mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen. Das sei eine Lüge, verteidigte sich der 20-Jährige, obwohl die Familienehre "beschmutzt" worden sei.

Sein jüngerer Bruder sagte in der Verhandlung aus, der 16-Jährige aus dem Nachbarort habe seine Mutter und ihn nach einem Streit "Hurensöhne" genannt und später per Whatsapp angekündigt, mit einem Messer vor dem Wohnhaus aufzutauchen. "Dass ich das gemacht habe, tut mir leid", entschuldigte sich der 16-Jährige in der Verhandlung. Richter Martin Link redete ihm ins Gewissen: "Das war nahe an einer Straftat."

Der Angeklagte berichtete, er habe vom Fenster aus gesehen, wie der 16-Jährige ein Taschenmesser zückte. Er habe ihn zur Rede gestellt und aufgefordert, das Weite zu suchen. Dass er gedroht habe, ihm sonst das Genick brechen oder ihn zu töten – wie der Kläger behauptet – "stimmt nicht".

Am Spätnachmittag des folgenden Tages hat der Angeklagte den Schüler mit anderen Jugendlichen an der Bushaltestelle beim Feuerwehrhaus entdeckt und wollte wissen, warum er Familienangehörige beleidigt habe. Dass er ihn bedroht und ins Gesicht geschlagen habe, wie es in der Anklageschrift heißt, treffe nicht zu. Genau das aber behauptete eine in der Verhandlung forsch auftretende 15-jährige Zeugin bei der Polizei. Nach bohrenden Fragen des genervten und zum Schluss aufgebrachten Richters gab die damalige Freundin des 16-Jährigen zu, die Unwahrheit gesagt zu haben.

Auch die Aussagen anderer Zeugen aus der Clique hielt der Richter für wenig glaubwürdig. "Da wurden bewusst Absprachen getroffen", stand auch für Staatsanwalt Burkhard Weber fest. Er beantragte, den Angeklagten vom Vorwurf der Bedrohung freizusprechen. Holger Frietsch von der Jugendgerichtshilfe Calw erklärte, der 20-Jährige habe auf ihn einen guten Eindruck gemacht.

Nach einem Blick des Richters ins Bundesstrafregister – "keine Eintragungen" – wurde das Verfahren eingestellt.