Schuhmachermeister Hans Lengwins schließt die Tür zu seinem Geschäft und seiner Werkstatt dauerhaft. Foto: Stadler

Schuhmachermeister Johann Lengwins hat eine schwere Entscheidung getroffen: Er schließt sein Geschäft in der Rosenstraße. 55 Jahre wurden in der dortigen Werkstatt fachmännisch Schuhe aller Art repariert und Maßschuhe gefertigt.

Altensteig - Die Tür dauerhaft zu schließen und nicht mehr in der Schuhmacherwerkstatt zu stehen und seiner Berufung nachzugehen, war für Johann Lengwins kein leichter Schritt. Der heute 83-Jährige ist mit Leib und Seele Schuhmachermeister und die Arbeit war für ihn nie eine Last, sondern immer Freude, Therapie und Erfüllung zugleich. Trotz seines fortgeschrittenen Alters war er in den vergangenen Jahren, wenn auch mit reduzierten Öffnungszeiten, an zwei Wochentagen für seine treuen Kunden Anlaufstelle, wenn es um neue Schuhsohlen, einen kaputten Reißverschluss oder sonstige Reparaturen, beispielsweise eine sich lösende Naht an Reiterstiefeln ging.

Aber nicht nur diese Arbeiten zeichneten den Meister seines Fachs aus, er fertigte auch Maßschuhe für seine Kundschaft an. Einige seiner Kunden halten ihm bereits seit seiner Geschäftseröffnung in Altensteig die Treue und werden seine in der Stadt einmaligen Dienste schmerzlich vermissen.

Das Ladengeschäft in der Rosenstraße 54 war nicht nur eine Annahme- und Abholstelle für Reinigung und Wäscherei oder zu reparierende Schuhe. Johann (genannt Hans) Lengwins und seine Frau Irmgard nahmen sich stets Zeit für ihre Kunden und hatten immer ein offenes Ohr für einen Plausch, der über das übliche Beratungs- oder Verkaufsgespräch hinaus ging. Und gerne würde Hans Lengwins auch weiterhin für seine Kundschaft in geringem Umfang tätig sein, aber gesundheitliche Gründe lassen dies nicht mehr zu.

Mit der Schließung des Geschäftes und damit auch der Einstellung der Schuhmacherwerkstatt verschwindet aus Altensteig ein traditionelles Handwerk, das als eines der ältesten gilt – schon Moses und Josua trugen Fußbekleidung, während die Römer Schuhe mit hohen Absätzen, genannt Kothuren, trugen. Hans Lengwins erlernte den Beruf des Schuhmachers in Rottenburg.

Rund 10.000 Paar Schuhe jährlich

Er musste während seiner Lehrlingszeit die Strecke von Baisingen zum Lehrbetrieb mit dem Fahrrad absolvieren. Den Bus konnte er aus Kostengründen nur im Winter benutzen.

Mit dem Gesellenbrief in der Tasche, ging es nach seinen Lehrjahren zum Arbeiten nach Sulz, Stuttgart und Gottmadingen an der Schweizer Grenze. Sein weiterer Berufsweg führte Lengwins über die väterliche Werkstatt zurück nach Horb und seinem früheren Ausbildungsbetrieb, der dortigen Firma Edel und von dort nach Altensteig. Dazwischen, im Jahr 1962, schloss er, teils in Abendkursen, die Schuhmacherfachschule in Stuttgart-Feuerbach mit Erfolg ab und hielt den Meisterbrief in den Händen.

In Altensteig erfüllte er sich seinen Wunsch nach Selbstständigkeit und einem eigenen Schuhmacherbetrieb, zunächst in den gepachteten Werkstatträumen des ehemaligen Schuhhauses Seeger in der Rosenstraße 47, gegenüber seinen späteren Geschäftsräumen. Das dortige Gebäude kaufte er in den 1980er-Jahren, baute es mit Hilfe seines Onkels zum Wohn- und Geschäftshaus um. In der über den Geschäftsräumen liegenden Wohnung lebt Lengwins zusammen mit seiner Frau Irmgard nach wie vor.

Bevor Billigschuhe den Markt fluteten, verkaufte das Ehepaar Lengwins Gesundheitsschuhe und hochwertige Hausschuhe, aber auch Pflegemittel, Einlegesohlen und weitere Artikel rund um Füße und Schuhe, während durch den Schuhmachermeister rund 10 000 Paar Schuhe jährlich repariert wurden. Aus dieser Zeit stammt auch eine Leihgabe in Form einer alten Schuhmacherwerkstatt mit Werkzeugen und Zubehör, die Hans Lengwins dem Museum im Schloss Altensteig überließ und die auch heute noch dort besichtigt werden kann. Oft konnte man dem Schuhmachermeister dort bei verschiedenen Veranstaltungen, wie dem Handwerkerhof, einen Blick über die Schulter werfen und ihm Fragen zu seiner Arbeit stellen, während er die Kunst des traditionellen Schuhhandwerks vorführte.

In seiner über fünfeinhalb Jahrzehnte andauernden Tätigkeit stellte Hans Lengwins nahezu 700 Paar Maßschuhe nach teils eigenen Entwürfen von Hand her.

Er engagierte sich als Schriftführer und stellvertretender Obermeister in der Innung. Von 1987 bis zur Auflösung der Innung im Jahr 1996 bekleidete er dann das Amt des Innungs-Obermeisters. Da es ihm bislang nicht gelungen ist, einen Nachfolger zu finden, stehen die Schuhmacherwerkstatt und die Verkaufsräume vorerst leer.