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Für Nachwuchs besteht größte Gefahr. Ehepaar durchstreift Felder und bringt Tiere in Sicherheit.

Altensteig - Der Traktor mit dem Kreiselmäher kommt näher und näher. Ängstlich duckt sich das Rehkitz ins hohe Gras. Zu spät. Dabei hatte die Jägerin den Landwirt am Vortag extra darauf aufmerksam gemacht.

Zwischen Ende April und Mitte Juni bringt die Ricke zum Schutz vor Fresstieren im Wald ihr Kind im hohen Gras einer Wiese zur Welt. Dort wird es auch von der Mutter gesäugt.

Rehkitze laufen nicht weg

Im Mai beginnt in der Regel die Heuernte. Bei unsicherer Wetterlage geschieht das häufig unter Hochdruck. Wird das Rehkitz nicht entdeckt, besteht höchste Lebensgefahr. Statt wegzulaufen, bleibt das Junge beim Geräusch von Mähmaschinen reglos liegen und wird schlimmstenfalls getötet. Um das zu verhindern, streifen Jäger und Jagdpächter in dieser Jahreszeit verstärkt durch Felder und Wiesen.

Eine von ihnen ist Elisabeth Wackenhut aus Altensteig. Vor zehn Jahren hat sie ihr "grünes Abitur" gemacht und kümmert sich seitdem um den Schutz heimischer Wildtiere und die Sicherung ihrer Lebensgrundlagen. Mit Ehemann Paul als Begleiter und dem Deutsch-Drahthaar "Anka" war sie wochenlang unterwegs und hatte einen scharfen Blick auf alles, was sich im Gras bewegt.

"Manchmal merke ich das erst im letzten Augenblick", ist die Mit-Jagdpächterin nach eigener Aussage überrascht, wie gut sich das Tier mit den schwarzen Knopfaugen und dem gefleckten Fell versteckt. Trotz des geringen Eigengeruchs habe ihr Jagdhund das Rehkitz häufig vorher aufgespürt. "Man darf es auf keinen Fall anfassen", ermahnt die erfahrene Jägerin Spaziergänger. Beim Geruch von Menschen könne das Kitz von der Mutter nicht erkannt oder sogar verstoßen werden. Bei ihrer Suche habe sie wiederholt Neugeborene gesichtet.

Kurz bevor der Landwirt das Wiesenstück abmäht, – "meistens muss ich bei ihm nachfragen" – legt sie das Junge mit Handschuhen in einen durchlöcherten Pappkarton mit Grasbüscheln, stellt diesen in den Schatten und lässt das Tier kurze Zeit später wieder frei. Damit es dazu erst gar nicht kommt, würde sie einen Tag vorher Wildscheuchen und optisch-akustische "Rehkitzretter" in der Mitte der Wiese aufstellen, um die Geiß "zu beunruhigen", damit sie und ihr Kind den Standort verlassen. Einmal sei alle Mühe umsonst gewesen. "Dabei habe ich den Landwirt rechtzeitig informiert, dass in seiner Wiese ein Rehkitz liegt."

Wenn man sich nicht daran hält, könnte für diesen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz eine Geldstrafe drohen, erläutert Hegeringleiter Fabian Müller die Rechtslage. Wünschenswert sei eine gute Zusammenarbeit auf beiden Seiten. "Wir tun alles, um den Landwirt zu unterstützen" ergänzt die engagierte Jägerin.