Foto: VSSE e.V./Christoph Göckel

Weil Erntehelfer aus Osteuropa nicht einreisen können, ist der Gemüseanbau in Gefahr

Ortenau - Das Wetter hat die Menschen in der Region in den vergangenen Tagen verwöhnt. Grund auf eine gute Spargelsaison zu hoffen – aber nicht in der Corona-Krise: Erntehelfer können nicht anreisen, weil die Grenzen für sie geschlossen sind.

Gute Wetterbedingungen 

Die Wetterbedingungen sind bisher gut gewesen. Der Winter war zwar nicht sehr kalt, der Spargel benötigt etwas Frost, um zu reifen. Das werde aber sicher kompensiert durch die zunehmende Bodenwärme, sagt Harald Heitz vom Spargel- und Erdbeerhof Hügel & Heitz in Neuried-Altenheim.

"Unsere Böden sind schwer und im Moment auch sehr nass, darum werden wir den Spargel nicht vortreiben. Bis zur Ernte dauert es noch zwei bis drei Wochen." Heitz nennt einen weiteren Grund dafür, dass er die Ernte nicht bewusst vorziehen wird: Die Erntehelfer können im Moment nicht nach Deutschland kommen. Sie kommen jedes Jahr hauptsächlich aus Polen und Rumänien, berichtet Heitz, was im Moment durch die Corona-bedingten Reisebestimmungen nur erschwert möglich ist.

"Die Erntehelfer möchten bei uns arbeiten und werden das sicher auch, allerdings noch nicht jetzt." Auswirkungen auf die Preise werde das aller Voraussicht nicht haben, Heitz geht davon aus, dass sie sich im vergleichbaren Rahmen bewegen wie 2019.

Letztes Jahr war ertragreich 

Das Jahr 2019 war laut dem Statistischen Landesamt ein gutes Spargeljahr. Der Anbauumfang, die Fläche, nahm im vergangenen Jahr um 1,2 Prozent zu, der Ertrag sogar um 17 Prozent. Nun überschlagen sich auch bei den Gemüseanbauern seit Tagen die Ereignisse wegen des Coronavirus.

Darüber informiert der Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer (VSSE). Dort gehen ständig Anrufe von den Bauern ein, die wissen möchten, ob und wie ihre Erntehelfer noch nach Deutschland kommen können. Die Lage ist angespannt und die Problematik trifft nicht nur den Spargelanbau, sondern den gesamten Gemüseanbau sowie die übrige Landwirtschaft.

Spargelernte: Vorstand ist beunruhigt 

Simon Schumacher, Vorstandssprecher und Geschäftsführer des VSSE, zeigt sich im Gespräch mit der unserer Zeitung beunruhigt: "Die Frühlingstemperaturen in den vergangenen Tagen haben dafür gesorgt, dass es mit der Ernte mit aller Gewalt losgehen muss. Aber es fehlen die Erntehelfer."

Die Grenzen von Ungarn und Rumänien sind geschlossen, in der Ukraine gibt es seit Dienstag Einschränkungen bei Inlandsreisen. "Wir haben große Angst, dass Rumänien eine Ausgangssperre verhängt und hoffen, dass die Erntehelfer ausreisen dürfen und Ungarn dazu gebracht wird, Transit zuzulassen", so Schumacher.

Engpass bei vielen Gemüsesorten befürchtet 

Es geht nicht nur um die Spargelernte: "Alles andere Gemüse und Obst müsste jetzt angebaut werden, wir schaffen uns sonst einen Gemüseengpass", betont der Sprecher des VSSE. Mit Erdbeeren ist zwei Wochen nach dem Spargel zu rechnen.

Schumacher gibt zu bedenken, dass Spanien und Italien als Obst- und Gemüselieferanten aufgrund von Covid-19 zunächst einmal komplett wegfallen werden. Wie die Ernten in Marokko und Südamerika ausfallen werden, sei ungewiss. Außerdem würden diese Gebiete zunächst einmal die eigene Bevölkerung versorgen.

Keine einfache Lösung in Sicht 

Nach Ansicht von Schumacher ist es keine einfache Lösung, Menschen, die beruflich viele soziale Kontakte haben und jetzt ohne Arbeit sind, auf die Höfe zu holen: "Sie könnten andere anstecken und die Höfe müssten geschlossen werden." Die Erntehelfer aus Osteuropa seien tendenziell weniger infiziert. "Wenn sie in Deutschland sind, wird versucht, ihre Kontakte einzuschränken, die Einkäufe werden zentral organisiert." So soll vermieden werden, dass sich die Arbeiter infizieren.

Hoffnung auf mehr Wertschätzung der Landwirtschaft

Klaus Dorner, Lahrer Kreisverbandsvorsitzender des BLHV, rechnet nicht mit Lieferengpässen. Jedoch könne sich Deutschland nicht mehr komplett selbst versorgen. "Vielleicht rückt durch die Krise die Landwirtschaft wieder mehr in das Bewusstsein der Bevölkerung und auch, dass es für ein Land wichtig ist, zumindest eine Grundversorgung aus eigener Produktion sicherstellen zu können.

"Noch vor ein paar Wochen habe man den Eindruck gehabt, man brauche in Deutschland keine Landwirtschaft und man könne "die Bevölkerung von Blümchenwiesen ernähren".

Das sagt Peter Hauk dazu

"Gerade bei den Sonderkulturen, wie zum Beispiel im Obst- oder Gemüseanbau, sind unsere Bauern auf die Mithilfe von Erntehelfern aus Osteuropa angewiesen. Die aktuelle Krise darf nicht dazu führen, dass aufgrund zu großer Bürokratie die Landwirte auf der Strecke bleiben, weil Arbeitskräfte nicht einreisen können", sagte Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) am Sonntag in Stuttgart. Grenzüberschreitendes Reisen aus berufsbedingten Gründen, wozu auch die Saisonarbeit zählt, ist weiterhin zulässig. Als Nachweis für die berufsbedingte Reise diene eine Pendlerbescheinigung, dies müsse auch für Saisonarbeitskräfte gelten, zumal dann, wenn sie nicht aus Corona-Risikogebieten kommen. Zudem forderte Hauck von der Bundesregierung schnellstens pragmatische Lösungen, um es etwa auch Asylbewerbern, Flüchtlingen, Hartz-IV-Empfängern oder Empfängern von Kurzarbeitergeld zu ermöglichen, auf den Feldern zu arbeiten. Unter www.daslandhilft.de startet der Maschinenring Deutschland ab heute, Montag, eine bundesweite Jobbörse für Erntehelfer. Dort können sich Bürger melden, die den Bauern unter die Arme greifen wollen. Der VSSE gibt unter www.vsse.de zudem ständig neue Informationen für die betroffenen Landwirte. Das Gleiche gilt für den Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband, der unter www.blhv.de informiert.