OB Fritz Kuhn hat sich entschieden: Er schlägt dem Gemeinderat vor, Wohnungsbau im Park der Villa Berg nicht zu genehmigen. Foto: Leif Piechowski

Die Bedenkzeit ist vorbei: Im Interview mit den Stuttgarter Nachrichten spricht sich OB Fritz Kuhn erstmals gegen Wohnungsbau im Park der Villa Berg aus – klipp und klar. Er will, dass die Stadt die Villa Berg saniert, die alten Fernsehstudios abreißt und den Park erweitert.

Stuttgart - Die Bedenkzeit ist vorbei: Im Interview mit den Stuttgarter Nachrichten spricht sich OB Fritz Kuhn erstmals gegen Wohnungsbau im Park der Villa Berg aus – klipp und klar. Er will, dass die Stadt die Villa Berg saniert, die alten Fernsehstudios abreißt und den Park erweitert.

Herr Kuhn, die Villa Berg steht schon lang leer und verfällt. Ob die Stadt im Park Wohnungsbau anstelle der Fernsehstudios zulässt, ist auch seit Jahren ungeklärt. Höchste Zeit für eine Ansage vom OB.
Es stimmt, die Bevölkerung will wissen, was mit dem wertvollen Ensemble von Villa und Park geschieht. Der Investor dringt auch auf Planungssicherheit. Daher sage ich als OB deutlich: Ich möchte, dass wir der Stadt und ihrer Bevölkerung die Villa und den Park zurückgeben. Dazu werden wir einen Zielantrag formulieren und dem Gemeinderat noch vor den Sommerferien vorlegen. Wir wollen die Villa erhalten und den Park wieder aufbauen. Das ist der entscheidende Punkt, das ist eine historische Chance. Und wie die Villa später genutzt wird, werden wir nicht jetzt nebenbei auf der Überholspur mitentscheiden.

Sie entscheiden sich also klar gegen den Wohnungsbau anstelle der nicht mehr genutzten Fernsehstudios?
Der Bau der Studios im Park war eine Nachkriegssünde. Sie rückgängig zu machen ist eine historische Gelegenheit. Das geht nur, wenn wir dort keinen Wohnungsbau zulassen. Denn die Wohnungen würden ja auch wieder 100 Jahre dort stehen.

Der Stadt und ihrer Bevölkerung zurückgeben – heißt das, so ein Denkmal darf nicht in den Zugriff eines Privatunternehmens kommen?
Ja, aber es geht dabei nicht nur um eine Formalität. Ich bekam und bekomme oft zu hören, „Herr Kuhn, ich erkenne mein Stuttgart nicht wieder“. Ich spüre das große Anliegen, Werte zu erhalten. Ich verstehe das – auch in diesem speziellen Fall. Villa und Park gehören zusammen. Sie sind ein hochwertiges Ensemble in reizvoller Lage. Ich will den Menschen auch nur zurückzugeben, was ihnen schon einmal gehörte. 1912 kaufte die Stadt die Villa mit einem Park ohne bauliche Fremdkörper. Leider gab sie Villa und Teile des Parks nach dem Krieg an den Süddeutschen Rundfunk weg.

Der Investor PDI, der Villa und Fernsehstudios aus der Insolvenzmasse der Häussler-Unternehmensgruppe übernehmen will, erkennt keinen wirklichen Gewinn für den Park. Weil es nämlich den Gutbrodbau weiter gebe.
Das ist eine von Interessen geleitete Erklärung. Man kann versuchen, die Probleme so groß zu machen, dass am Ende gar nichts passiert. Natürlich ist das Thema Renaturierung im Grunde erst abgearbeitet, wenn alle Einbauten der Nachkriegszeit aus dem Park entfernt sind. Aber der Gutbrodbau wird noch vom SWR genutzt. Ich will darüber nicht spekulieren. Die Beseitigung der Fernsehstudios ist auf jeden Fall ein erster wichtiger Schritt.

PDI warnt, die Beseitigung der Fernsehstudios und die Sicherung der Standfestigkeit des Gutbrodbaus würden fünf Millionen Euro kosten. Wissen Sie, worauf Sie sich einlassen?
Ich bin mir sicher, es ist der richtige Weg. Den Hang bekommen wir auch in den Griff. Im Übrigen werden in unserem Zielantrag zumindest Eckdaten für die Finanzierung enthalten sein, zu denen auch Abrisskosten für die Studios und die Sicherung des Hangs von etwa fünf Millionen Euro zählen.

„Ich halte unseren Zielantrag für mehrheitsfähig“

Selbst Sympathisanten einer solchen Haltung in der Grünen-Fraktion warnen, die Finanzierung sei problematisch.
Die Finanzierung klappt nur mit Hilfe des Stadtsanierungsprogramms von Bund und Land, indem wir das Sanierungsgebiet Stuttgart-Ost erweitern. Und auch nur dann, wenn wir die zu erwartenden Mittel über vier oder fünf Jahre darauf verwenden. Dazu kommen noch Erlöse, die wir durch Wohnbebauung auf einer Fläche des Gartenamts am Rande des Parks erzielen werden. Das ist der Grundstock, um einen Aufwand von mindestens 15 Millionen Euro zu finanzieren. Vielleicht bleiben auch noch Restkosten übrig. Dazu kommen dann jährliche Unterhaltskosten. Ich werde den Gemeinderat unmissverständlich fragen, ob er sich das im Interesse der Bevölkerung leisten will oder nicht.

Sind Sie sich einer Mehrheit sicher, wenn es selbst bei den Grünen Sorgen gibt?
Ich habe natürlich bei den Grünen sondiert. Ich glaube, sie werden sich auf der Linie Parkerweiterung statt Wohnungsbau im Park zusammenfinden. Bei der SPD erkenne ich ohnehin eine klare Haltung in diesem Sinne. Und zumindest die CDU im Stuttgarter Osten sieht das so. Ich halte unseren Zielantrag für mehrheitsfähig.

Wenn die Finanzierung Jahre in Anspruch nimmt, kommt die Initiative der Verwaltung dann nicht zu spät für die Rettung der Villa?
Es kommt nicht darauf an, alles in einem Jahr zu finanzieren. Erst kommt die Sicherung des Parks gegen Wohnungsbau, dann die Sicherung und Sanierung der Villa und schließlich die Beseitigung der Fernsehstudios.

Der Investor wird beklagen, die Stadt habe sich früher nicht um die Liegenschaften bemüht, jetzt wolle sie ihn plötzlich ausbooten und alles zum Schnäppchenpreis übernehmen. Ist das nicht wirklich ungehörig?
Ich bitte Sie! Die Stadt muss im Rahmen der Rechtslage jederzeit die Möglichkeit haben zu entscheiden, was richtig und wichtig für sie ist. Investoren sind uns willkommen, aber es gilt das Primat der politischen Entscheidung. Die Stadt muss abwägen, ob sie dem Plan des Investors folgen will oder ob sie eigene Pläne hat. Wenn sie will, wird es keinen Wohnungsbau im Park geben.

Wenn PDI ausscheidet, ist auch die Varieté-Lösung für die Villa vom Tisch. Was dann?
Sich jetzt auf die Nutzung der Villa festzulegen, wäre ein schwerer Fehler. Das muss noch nicht entschieden werden. Ich bin ein Freund eines Film- und Medienhauses. Aber das braucht nach meinem Verständnis einen großen Vorführraum und zwei weitere, kleinere Vorführräume sowie Räume für Arbeitsgruppen. In der Villa existieren neben dem ehemaligen Sendesaal aber kaum Nebenräume. Das Filmhaus könnte in der Villa funktionieren, aber vielleicht gibt es auch einen viel besseren Standort. Ganz wichtig ist mir aber: Ob sich die Stadt ein Film- und Medienhaus leisten will, muss zuerst in den Haushaltsberatungen geklärt werden. Denn ein solches Medienhaus hat ja auch jährliche Betriebskosten. Wir dürfen das Projekt nicht durch die Hintertür einfach so in die Villa reinschmuggeln.

Dann doch lieber die John-Cranko-Schule dort unterbringen? Die FDP möchte so einen kostspieligen Neubau vermeiden.
Dazu ist die Villa zu klein.