Hildegard Diemer in Aktion Foto: Bantle

Einige Jahrhunderte alt war die einst mächtige, als Naturdenkmal eingestufte Linde am Treppenaufgang hin zur katholischen Kirche von der Niedereschacher Ortsmitte aus gesehen. Nun wurde ein Kunstwerk daraus.

Niedereschach - In den vergangenen Jahren war nicht zu übersehen, dass der in die Jahre gekommene Baum langsam stirbt. Ständig mussten abgestorbene und verdorrte Äste entfernt werden, um die vielen Menschen die den Treppenaufgang, sei es zum Besuch der Kirche des Friedhofs oder der Schule, vor herabfallenden Ästen zu schützen.

Vor diesem Hintergrund musste die alte, unter Naturschutz stehende Linde nach Prüfung und vorheriger Absprache mit Baumexperten und der Naturschutzbehörde im vergangenen Jahr gefällt werden (wir berichteten).

"Wunderschöner Korpus" bleibt stehen

Als der Baum von der Krone her zurückgeschnitten wurde, kam den Beteiligten rund um Ortsbaumeister Hartmut Stern und Bauhofleiter Markus Stern die Idee, einige Meter des aus Sicht von Markus Stern "wunderschönen Korpus" stehen zu lassen und daraus mit Hilfe eines Motorsägenkünstlers ein Holzkunstwerk zu schaffen.

Man knüpfte Kontakte zur Kettensägenkünstlerin Hildegard Diemer aus Ellwangen, die man in Niedereschach durch ein von ihr geschaffenes Holzkettensägekunstwerk beim Sinkinger Taubenmarkt bereits bestens kennt. Mit eingebunden wurde mit Blick auf das Motiv des Kunstwerkes die katholische Kirche in Gestalt der Pfarrgemeinderatsvorsitzenden Christine Blessing.

Man einige sich auf eine Art "Lebensbaum", der verdeutlichen soll, dass der an markanter Stelle unterhalb der Kirche stehende Baum über Jahrhunderte hinweg eine Art "Stätte der Begegnung" war, an der im Laufe der Jahrhunderte viele Menschen, ob jung oder alt, vorbeigekommen sind und sicher auch immer wieder einen bewundernden Blick auf die mächtige und das damalige Ortsbild prägende Linde geworfen, den Schatten unter dem Baum nutzten oder dort hin und wieder auch ein "Schwätzchen" gehalten haben. Dass die zurückliegenden Jahrhunderte, ähnlich wie bei Menschen im Laufe eines Lebens, auch bei der Linde "Lebensspuren" hinterlassen haben, zeigen die vielen "Knorpel", "Wirbel" und "Wulste" am verbliebenen Reststamm, die Diemer in kreativer Weise ganz bewusst mit in ihr Gesamtwerk eingebunden hat, ebenso wie viele von der Witterung verursachte Risse und sonstige Spuren.

Jüngst war Hildegard Diemer in Aktion und verwandelte den aus Sicherheitsgründen rundherum eingerüsteten "Korpus" in ein aussagekräftiges Holzkunstwerk. Bei ihrer schweißtreibenden und körperlich harten Arbeit zeigte sich schnell, dass die alte Linde innen bereits viele Hohlräume hat. "Die Linde wäre in absehbarer Zeit nicht nur gestorben, sondern wohl mit nicht absehbaren Folgen für Leib und Leben der dort stets zahlreich vorbeikommenden Menschen auch abgebrochen oder umgestürzt."

Risse und Hohlräume werden zu "Habitat"

Dem Gedanken eines Lebensbaumes entsprechend verwandelte Diemer den Restbaumstamm der Linde nicht nur in ein Kunstwerk, sondern die Risse und Hohlräume nutzend auch in ein "Habitat", in das mit Sicherheit viele auch seltene Insekten, Diemer denkt da beispielsweise an die "Blaue Biene", Einzug halten werden. Und damit sich diese Insekten in den Rissen und Hohlräume auch wohl fühlen werden und das Kunstwerk und Habitat möglichst lange erhalten bleibt, haben Bauhofleiter Markus Stern, Christine Blessing und die Künstlerin beschlossen, den Restbaumstamm oben mit einem kleinen "Blechdächle" zu versehen, damit nicht zu viel Wasser in den Hohlraum innerhalb des Stammes eindringen kann. Zur vollen Geltung kommen wird das Kunstwerk und Habitat, das naturbelassen bleibt, wohl erst, wenn das Gerüst wieder abgebaut ist. Doch schon als Hildegard Diemer noch in voller Aktion war, deutete sich an, dass da ein kleines Meisterwerk in der Entstehung ist.