Die Polizei abgehängt – ein junger Mann stand nun für seine spektakuläre Flucht vor Gericht. (Symbolfoto) Foto: Hoffmann – stock.adobe.com

Junger Alpirsbacher muss sich vor Gericht verantworten. Polizisten werden abgehängt und fahren gegen Baum.

Eine wilde Verfolgungsjagd mit der Polizei lieferte sich im April vergangenen Jahres ein junger Mann aus dem Raum Alpirsbach. Nun musste er sich deswegen vor dem Amtsgericht Oberndorf verantworten.

Alpirsbach - In Fluorn-Winzeln hatten die Ereignisse vor zehn Monaten ihren Ursprung, die einen Anfang-20-Jährigen Alpirsbacher letztendlich auf die Anklagebank gebracht haben. Auf der Hauptstraße bemerkte der junge Autofahrer einen entgegenkommenden Streifenwagen, woraufhin er abbog und beschleunigte, um einer Kontrolle zu entgehen.

So stand es in der Anklageschrift geschrieben, die die Staatsanwältin zum Auftakt der Gerichtsverhandlung verlas. Auf Blaulicht und Stopp-Signale der Polizei habe er nicht reagiert. Die ungeplante Fahrt ging weiter über Hochmössingen und Römlinsdorf, über Straßen sowie Feldwege. Die Polizei habe es nicht geschafft, das Auto einzuholen. Die Verfolgungsjagd endete damit, dass die Polizei abgehängt wurde und auch noch auf einem Baum landete. Der Angeklagte habe sich "zum Führen eines Fahrzeugs als ungeeignet" erwiesen, so die Staatsanwältin.

Begegnung mit Baum verhindert weitere Verfolgung

Wenngleich der junge Mann geständig war, blieb zum Hergang der Situation noch einiges zu klären.

"Ich war mit einem Freund am Steinbruch in Römlinsdorf, Alkohol trinken", erklärt ein Freund des Angeklagten im Zeugenstand zu dem besagten Abend. Der Angeklagte sei dazugestoßen. Er habe die Freunde gefragt, ob sie in Rottweil etwas essen gehen wollen. Daraufhin habe er, der Zeuge, dem Angeklagten seinen Autoschlüssel gegeben, damit er fahren konnte.

In Fluorn-Winzeln legten die drei einen Stopp an der Sparkasse ein. "Danach haben wir auch schon das Polizeiauto gesehen und sind in Panik geraten, weil wir zu dritt waren und die Coronaregeln besagten, dass sich nur zwei Haushalte treffen dürfen", so der erste Zeuge. "Und dann sind wir halt vor der Polizei weggefahren." Ob die Freunde versucht hätten, den Angeklagten von der unüberlegten Aktion abzuhalten, wollte der Richter wissen. "Nein, wir auf der Rückbank waren beide ziemlich betrunken und ich habe selber nicht richtig nachgedacht", kam die Antwort. Ob er seinem Freund noch einmal sein Auto geben würde? "Ich würde wohl niemandem so schnell mehr mein Auto geben", meint der 21-Jährige.

"Ich hatte Angst, dass er dann einen Unfall baut"

Der nächste Zeuge ist der dritte Freund im Bunde. Sein Kumpel sei "mäßig schnell gefahren", nicht gerast. Und warum hat auch er nichts zum Freund gesagt? "Ich hatte Angst, dass er dann einen Unfall baut", sagt er. "Wenn er nur mäßig schnell gefahren ist, warum sollte er dann einen Unfall bauen?", fragte die Staatsanwältin weiter. "Der Weg war hubbelig und schlecht befahrbar. Und ein Unfall kann ja immer passieren", lautete die Antwort.

Der Polizist, der mit seinem Kollegen am besagten Tag die Verfolgung aufnahm, hat die Geschwindigkeit der Flüchtenden anders in Erinnerung. In der Kapfstraße, in die die jungen Männer abgebogen seien, bestehe ein Tempo 30 Limit. Hier sei das Auto schätzungsweise 100 Kilometer pro Stunde gefahren, gab der Polizist an. Außerorts habe es weiter beschleunigt.

Womöglich hätten sich die Streifenpolizisten gar nicht weiter für das Auto der drei Männer interessiert, wären die nicht abrupt ohne zu blinken abgebogen, als ihnen der Dienstwagen entgegen kam. "Es war offensichtlich, dass da jemand nicht kontrolliert werden will", erinnerte sich der Beamte. Daraufhin haben die beiden die Verfolgung aufgenommen. Und nach wenigen Minuten nur noch die Rücklichter der Flüchtenden gesehen. Es folgte der Zusammenstoß mit einem Baum. Es entstand ein größerer Sachschaden, die Polizisten blieben jedoch unverletzt.

Wie jedoch kam es beim Angeklagten zu einer solchen Reaktion? Er hat für seine jungen Jahre eine bewegte Vergangenheit vorzuweisen. Er ist in den vergangenen Jahren schon mehrmals mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Vorgeworfen wurde ihm unter anderem Beleidigung, Fahren ohne Fahrerlaubnis und Körperverletzung. In einigen Fällen bekam er Verwarnungen, Geldstrafen oder Arbeitsstunden auferlegt. Schulische Probleme resultierten zudem aus seiner ADHS-Erkrankung. Die Jugendgerichtshelferin bescheinigte ihm Entwicklungsdefizite und ein häufig "nicht steuerbares impulsives Verhalten", das sich auch bei der Flucht vor der Polizei gezeigt hätte. Er handle unüberlegt und begebe sich in Situationen, deren Folgen er nicht absehen könne. Aus diesem Grund könne das Jugendstrafrecht noch angewandt werden.

800 Euro Geldstrafe, Verwarnung und Führerscheinentzug

Trotz allem sieht sie aktuell keine schädlichen Neigungen und prognostiziert dem Angeklagten gute Entwicklungsaussichten. Er macht eine Ausbildung, die ihm nach eigener Aussage wichtig ist. Seine Arbeit setzt jedoch Mobilität voraus. Daher sei er bestrebt, seinen Führerschein schnell wieder zu bekommen.

Alles habe sich bestätigt, wie es in der Anklageschrift stand, resümierte die Staatsanwältin. Die Freunde haben sich sehr zurückhaltend ausgedrückt, dennoch sei letztendlich klar geworden, dass die Situation nicht harmlos war. Der Angeklagte habe sich des verbotenen Kraftfahrzeugrennens schuldig gemacht, wenngleich es kein Rennen im herkömmlichen Sinne war. Zugute halten könne man ihm seine schwierige Vergangenheit und dass die Tat spontan war. "Jetzt gibt es vielleicht noch eine Verwarnung und ein Bußgeld von 800 Euro, aber nächstes Mal dann nicht mehr."

"Der Angeklagte hat die Tat eingeräumt", begann der Verteidiger sein Plädoyer. "Er hatte Angst und es folgte eine Kurzschlusshandlung." Alles sei sehr schnell gegangen. Er habe schon für den Fehler bezahlt, weil er keinen Führerschein mehr hat, auf den er beruflich angewiesen ist. Mit der Geldstraße zeigte sich der Verteidiger einverstanden, nicht aber mit einem weiteren Führerscheinentzug. Der Führerschein sei schon seit sechs Monaten sichergestellt und das sei lange genug.

Das Urteil ist ein Mittelweg: Das Jugendstrafrecht wurde angewandt. 800 Euro Geldstrafe in Raten sowie eine Verwarnung und keine Möglichkeit auf die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis vor Ablauf weiterer drei Monate erwarten den Angeklagten. "Und ob es den Führerschein in drei Monaten einfach so zurück gibt, ist auch nicht sicher. Das entscheidet die Fahrerlaubnisbehörde."

Ja, die Geldstrafe in dieser Höhe tue weh und das müsse sie auch, so der Richter. "Ihnen muss klar sein, dass das das letzte Mal gewesen sein muss, dass Sie sich etwas zu Schulden kommen lassen haben." Sein Verhalten sei rücksichtslos gewesen. "Wäre Ihnen jemand vor das Auto gelaufen, hätten Sie nichts mehr tun können. Und der wäre jetzt vielleicht mausetot", macht er dem Angeklagten klar. "Sie wollten die Polizei abhängen, was Ihnen ja zugegeben auch noch gelungen ist", sagt der Richter. Das Verhalten zeuge aber nicht gerade von Reife. "Solche Verfolgungsjagden machen sich vielleicht im Vorabendkrimi gut. Aber auf der echten Straße haben die nichts verloren."

Kommentar: Gutes Beispiel

Von Katja Fuchs

Am Amtsgericht Oberndorf bekommt man vielleicht einen Zug ab, wenn es zu den Fenstern hineinschneit, oder man wird heiser, weil man sich durch Masken und Glasscheiben anschreien muss. Aber eins steht fest: Corona bekommt dort so schnell niemand. Alles erdenkliche ist getan, um das zu verhindern. So musste Richter Graf-Frank die Vernehmung des Angeklagten unterbrechen, als ein Piepsen ertönte. Alles wurde stehen und liegen gelassen. Das Piepsen war aber kein Feueralarm, es kam vom Tisch des Richters. Nanu? Hat der Gerichtschef etwa sein Handy angelassen? Nein. Es war das Messgerät für den CO2-Gehalt in der Luft. So wurde augenblicklich eine Pause eingelegt. Mit gutem Beispiel geht das Gericht in Sachen Virenbekämpfung voran. Wenn es um die Gesundheit geht, kann sogar die Rechtssprechung warten – zumindest fünf Minuten lang.