Für Alleinerziehende wird die Corona-Krise zur Existenz-Frage. (Symbolbild) Foto: dpa

Mutter schildert Alltag in Ausnahmesituation. Kinderbetreuung fällt weg, Einkommen bricht ein.  

Alpirsbach - Unzählige Tränen habe sie schon vergossen und stehe am Rande eines Nervenzusammenbruchs, sagt die alleinerziehende Mutter eines Sechsjährigen aus Alpirsbach. Normalerweise hält sie sich über Wasser, aber normal ist jetzt plötzlich nichts mehr.

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Die Frau will ihren Namen nicht öffentlich nennen, doch ihre Geschichte soll die Öffentlichkeit erfahren, denn sie ist nicht allein damit. "Ich habe Kontakt zu anderen Müttern und Vätern, die auch verzweifelt sind", sagt sie. "Ich arbeite in Vollzeit als Industriekauffrau, mein Kind wird ganztags betreut." Eigentlich sei das kein Problem. Doch dann kam die Corona-Krise.

Von heute auf morgen arm

"Zuerst meinte mein Arbeitgeber, wir finden eine Lösung, auch für die wegfallende Kinderbetreuung", erinnert sich die Betroffene. "Aber dann hieß es plötzlich von heute auf morgen: 100 Prozent Kurzarbeit auf unbestimmte Zeit." Damit gehen der Mutter nun mehr als 30 Prozent vom Bruttoeinkommen ab. Sie lebt im Moment von etwa 1200 Euro im Monat. "Und davon bezahle ich den Lebensunterhalt für mich und mein Kind, die Miete, Kindergartengebühren und alle laufenden Kosten."

Die Kindergartengebühr werde zwar gerade zurückgestellt, das bedeute aber noch nicht, dass sie im Nachhinein nicht fällig werden könne. "Wir Eltern haben nicht einmal einen Brief bekommen. Ich habe die Infos auf der Homepage der Stadt gefunden."

Land sagt Unterstützung zu

Ende März hat das Land Hilfe zugesagt. Es zahle den Kommunen über die Stadt und Landkreise für den Monat April eine Soforthilfe in Höhe von 100 Millionen Euro aus, so steht es in einer Pressemitteilung. "Das Land beteiligt sich an den Kosten, wenn Kommunen im März und April aufgrund der Corona Epidemie auf Elternbeiträge und Gebühren für geschlossene Kinderbetreuungseinrichtungen verzichten", ist dort weiter nachzulesen. Auch die Kita-Beiträge bei freien Trägern sollen bis zur Höhe des kommunalen Satzes erstattet werden.

Was bedeutet das nun konkret für die Eltern? Bleiben deren Geldbeutel unbelastet? "Unterstützung wird es geben, wie diese genau aussieht, können wir momentan aber noch nicht sagen", erklärt Christiane Conzen, Referentin des Städtetags Baden-Württemberg. Es lasse sich auch erst nach Ostern abschätzen, wie es mit der Schließung der Einrichtungen weitergehe. Hier sei noch ein wenig Geduld gefragt.

Mit Problemen alleine

"Ich finde es schade, dass alleinerziehende Eltern in dieser Krisenzeit in der Politik so wenig Beachtung finden", meint die Alpirsbacherin, die selbst politisch aktiv ist.

Informationen vom Jobcenter oder dem Arbeitgeber? Ebenfalls Fehlanzeige. Der Geschäftsführer habe ihr zwar zugestimmt, dass ihre Lage kompliziert sei, aber dem Unternehmen gehe es nun einmal auch nicht gut.

"Beim Jobcenter hieß es, der zuständige Sachbearbeiter sei gerade nicht verfügbar, ich solle eine Mail schreiben", sagt die Frau. Das tat sie seither drei Mal, eine Reaktion blieb aus. "Ich hatte noch nie Kontakt zum Jobcenter, weil ich immer alleine über die Runden gekommen bin. Da dachte ich, wenn es einmal wirklich nötig ist, wird einem dort geholfen." Nun ist die Enttäuschung groß. "Ich werde mit der finanziellen Situation komplett im Stich gelassen", bedauert sie.

Grundsicherung steht zu

"Die Mitarbeiter in den Jobcentern sind im Moment gut ausgelastet, aber sie arbeiten mit Hochdruck, um alle Anfragen zu beantworten", versichert Iris Löhner von der Bundesagentur für Arbeit. Wer gerade aufgrund von Kurzarbeit nicht über die Runden komme, habe mehrere Möglichkeiten, seine finanzielle Situation zu verbessern.

"Die Regelungen in Sachen Nebenjob sind jetzt gelockert. Man kann zusätzlich in systemrelevanten Bereichen, zum Beispiel im pflegerischen Bereich oder im Güterverkehr und der Verteilung von Lebensmitteln, arbeiten", erklärt Löhner. Mit dem dortigen Verdienst dürfe der Teil vom Gehalt aufgestockt werden, der einem durch die Kurzarbeit verloren geht.

"Wem das nicht möglich ist, weil man als Alleinerziehender zum Beispiel gerade niemanden findet, der das Kind betreut, dann kann man Grundsicherung beantragen." Die Erklärungen und Formulare dafür finden sich unter "arbeitsagentur.de/kurzarbeit". Die Hürden seien sehr gelockert worden. "Wir haben auch Servicenummern eingerichtet", sagt Löhner. "Man gibt auf der gleichen Seite online die Postleitzahl des eigenen Ortes ein und findet so die für einen zuständige lokale Servicestelle."

Miete wird unbezahlbar

Die Alleinerziehende aus Alpirsbach hofft derweil darauf, dass die Antwort vom Jobcenter kommt, bevor ihr das Geld ausgeht. Im Moment leiste lediglich das Jugendamt etwas mentalen Beistand. "Das ist viel Wert", meint sie. Ihr finanzielles Problem könne dort jedoch auch nicht gelöst werden. "Ich weiß langsam nicht mehr, wie ich in diesem Monat die Miete zahlen soll."

Aufschieben ist möglich

Eine gute Nachricht gibt es für sie dort zumindest vorerst: Zum Schutz von Mietern während der Corona-Krise hat der Bundestag ein Gesetzespaket beschlossen. Können Mieter wegen finanzieller Probleme im Zusammenhang mit Corona ihre Miete nicht zahlen, darf der Vermieter ihnen derzeit nicht kündigen, wie der Homepage der Bundesregierung unter dem Stichpunkt "Neuregelungen in der Corona-Krise" zu entnehmen ist. Der Kündigungsschutz gilt für rückständige Mieten, die zwischen dem 1. April und dem 30. Juni fällig sind.

Aber Achtung: Der Betrag muss dennoch nachgezahlt werden. Der Mieter hat bis zum 30. Juni 2022 Zeit, seine Mietrückstände auszugleichen. Auch muss der Mieter dem Vermieter glaubhaft machen können, dass seine Zahlungsprobleme mit Corona zusammenhängen.

Hoffen auf bessere Zeiten

Die Alpirsbacherin und ihr sechsjähriger Sohn hoffen auf baldige bessere Zeiten. "Wir versuchen jetzt, unsere Alltagsroutine beizubehalten", erklärt die Mutter. "Und wir sind viel im Wald unterwegs." Ein wenig Ablenkung müsse sein. Auch mache sie mit ihrem Sohn ein paar Mal- und Schreibaufgaben – Dinge, die er jetzt in der Vorschule lernen sollte. "Ich frage mich auch, wovon ich dem Kind jetzt einen Schulranzen kaufen soll", überlegt sie. "Vorausgesetzt die Schule kann angesichts der Lage im September überhaupt starten."