Seit nun genau 425 Jahren gibt es die Apirsbacher Klosterschule nicht mehr. Ihre historischen Spuren bleiben erhalten. Fotos: Michel Foto: Schwarzwälder Bote

Geschichte: Im April 1595 wird die Alpirsbacher Klosterschule nach fast 40 Jahren geschlossen / "Fleis aufs studirenn gelegt"

Im Frühjahr 1556 kamen die ersten Novizen ins obere Kinzigtal, im Frühjahr 1595 gingen die letzten 14 Schüler der Alpirsbacher Klosterschule. Vor 425 Jahren wurde das Ende der Einrichtung besiegelt. In dem Kloster war der geistliche Nachwuchs der evangelischen Kirche unterrichtet worden.

Alpirsbach (cw). Wegen ihres Widerstands gegen die Reformation mussten die Alpirsbacher Mönche ihr Kloster ab 1535 verlassen. Durch die seit Anfang 1556 gültige neue Klosterordnung Herzog Christophs sollten 14 Männerklöster durch Umformung in Schulen reformiert werden. Nach fast 40-jährigem Bestehen aber wurden sechs Klosterschulen, darunter die im oberen Kinzigtal, wieder geschlossen. Drei weitere waren bereits 1583 dichtgemacht worden. Wirtschaftliche Motive hatten über den kirchlichen Ansatz gesiegt. Das geht aus einem Beitrag über die Alpirsbacher Klosterschule hervor, den der Kirchenhistoriker Hermann Ehmer für das 2001 vom Landesdenkmalamt in Stuttgart herausgegebene wissenschaft-liche Standardwerk "Alpirsbach. Zur Geschichte von Kloster und Stadt" geschrieben hat.

Ende April 1556 kam eine Abordnung von Regierungsbeamten nach Alpirsbach, um mit dem Prälat über die Einführung der Klosterschule zu verhandeln. Dabei einigte man sich auf eine Art Hausordnung. Demnach sollte jeder Novize sein eigenes Bett und Schulbücher mitbringen. Vom Kloster bekamen die Schüler lange schwarze Röcke, die "bis under die halben waden" reichten. Vereinbart wurde auch, dass die Erwachsenen zu jeder Mahlzeit ein halbes Maß Wein und die Schüler ein Quart, also ein Viertel, bekommen.

Schüler wohnten in den früheren Zellen der Mönche

Noch im Beisein der Kommission wurde die Alpirsbacher Klosterschule gegründet: Der Prälat nahm einen Präzeptor, wie ein Lehrer im Mittelalter genannt wurde, und zwei 14-jährige Schüler auf. Der alte Abt Jakob und die Klosterschüler kamen aber offenbar nicht gut miteinander aus. So berichteten Pfarrer Severus Bersinus und Klosterverwalter Konrad Maier am 6. Dezember 1560, dass der Abt den Schülern in den Herbstferien ihre Bücher weggenommen habe. Zwei Gesangbücher habe er zerschnitten, und den Psalter, das Buch der Psalmen, wollte er nicht mehr herausgeben. Zudem hätten die Schüler nachts öfter "ungestim poldern und rumplen" gehört, was sie in Furcht und Schrecken versetzt habe. Dahinter steckte wohl der Abt, mutmaßten Bersinus und Maier. Nachweisen konnten sie ihm allerdings nicht, dass er den nächtlichen Lärm verursacht hatte.

Nach weiteren Klagen musste der katholische Abt 1562 das Kloster verlassen und wurde inhaftiert. Somit konnte der Herzog im Kloster einen neuen, evangelischen Vorsteher einsetzen. Nachfolger von Abt Jakob wurde der bisherige Pfarrer und Spezialsuperintendent von Böblingen, Balthasar Elenheinz.

Die Scholaren, wie die Schüler genannt wurden, wohnten in den früheren Zellen der Mönche in Alpirsbach. An den Wänden finden sich auch heute noch Zeichnungen, Sprüche und Initialen der Jugendlichen. Insgesamt besuchten rund 200 Jungen im Alter von zehn bis 16 Jahren die Klosterschule. Nach zwei oder drei Jahren in Alpirsbach wechselten sie auf eine höhere Klosterschule. Einige Exponate im Alpirsbacher Klostermuseum dokumentieren den Alltag der Scholaren im Unterricht und in der kargen Freizeit. Neben Papierfragmenten aus Schulbüchern, Hausarbeiten, Kritzeleien und Karikaturen der Klosterschüler traten beim Alpirsbacher Klosterfund 1958 auch ein leinener Büchersack, Schreibzeug und lederne Accessoires zutage, wie das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg mitteilt. Klosterschülern, so vermutet die Behörde, gehörten wohl auch drei Hemden und ein Wams, die bei den Restaurierungsarbeiten gefunden wurden. Wer den Alpirsbacher Klosterfund besichtigen will, muss sich allerdings noch gedulden. Denn derzeit ist das Klostermuseum wegen der Corona-Pandemie geschlossen.

Weg zu Grammatik, Dialektik und Rhetorik führte über Latein

Die Aneignung der lateinischen Sprache prägte den Unterricht. Nur über Latein führte der Weg zu Grammatik, Dialektik und Rhetorik – Wissenschaften, die für die Theologie unabdingbar waren. Die Ausbildung war auf den Beruf des Predigers ausgerichtet. Weitere Unterrichtsfächer waren Griechisch und Musik. Schon den damaligen Schülern war klar, wie aus dem Bruchstück einer Hausarbeit hervorgeht, dass "einer in einer stund am morgen mehr im studieren ausricht, dan in zweyen nach mittag". Mancher Faule aber habe "mehr lust zum schlaff".

Erhalten ist auch der Entwurf eines Briefs, den ein Lehrer an den Vater eines Schülers geschrieben hat. Drei Jahre lang habe der Junge in der Klosterschule "als ein discipulus verharret" und dabei "sein müglichen Fleis aufs studirenn gelegt". Nun werde er "mit gnaden aus dieser schul abgefordert" und, so hoffte der Präzeptor, "firderlichst ihm selber und allen den seinen ein ehr, zier und freud sein".

Die in den Rechnungsauszügen ausgewiesenen Kosten für den Betrieb der Alpirsbacher Klosterschule waren nicht hoch, wie Ehmer bilanziert. Dennoch wurde sie auf Betreiben von Herzog Friedrich, der 1593 die Regierung übernommen hatte, aus Spargründen geschlossen. Ende April 1595 kamen die 14 Jungen aus Alpirsbach in die Klosterschule Adelberg bei Göppingen. Vorsteher Johann Konrad Piscarius und der Verwalter blieben im Kloster, ebenso der erste Präzeptor Wolfgang Hitzler, dem die Pfarrstelle übertragen wurde. Der zweite Lehrer, Georg Bömler, wurde an die Lateinschule in Neuenstadt am Kocher versetzt. Die Stelle des Klostervorstehers, des Prälaten oder Abts, blieb in Alpirsbach erhalten, bis die altwürttembergische Verfassung 1806 aufgehoben wurde.