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Der Gründervater der Hilfsorganisation Menschen für Menschen, Karlheinz Böhm, zieht sich allmählich zurück - seine Frau Almaz kann man als die ideale Nachfolgerin bezeichnen.

Stuttgart - Der Gründervater der Hilfsorganisation Menschen für Menschen, Karlheinz Böhm, zieht sich im Alter von 81 Jahren als ihr erster Repräsentant allmählich zurück - seine Frau Almaz kann man als die ideale Nachfolgerin bezeichnen.

Grau gemusterter Blazer, rosa Top, Perlenkette, goldene Ringe, dezentes Make-up: Es ist eine elegante Frau, die da zum Redaktionsgespräch ins Pressehaus Stuttgart kommt. Doch das eigentlich Faszinierende an Almaz Böhm sind diese funkelnden Augen, die Wachheit und Lebensfreude ausstrahlen.

Allmählich tritt sie aus dem Schatten des sendungsbewussten und charismatischen Ex-Schauspielers Karlheinz Böhm, der die Hilfsorganisation Menschen für Menschen 1981 ins Leben gerufen und durch seinen Filmruhm zum Erfolg geführt hat. Mit Charme und derselben Leidenschaft, die auch ihren Gatten auszeichnet, hat die 45-jährige Äthiopierin mittlerweile die Führungsrolle in der Stiftung übernommen. Und sie sieht sich dafür bestens gewappnet: "Ich kenne Menschen für Menschen jetzt seit 23 Jahren, mein Mann hat mich überall mitgenommen, hat mir Türen geöffnet." Karlheinz habe ein festes Fundament gebaut, und jetzt sei sie "sehr, sehr glücklich" über diese Aufgabe. "Sie ist motivierend, sie macht mich stolz."

Dreimal im Jahr ist sie mehrere Wochen lang in Äthiopien unterwegs, sonst geht sie in Europa auf Werbetour, daneben betreut sie ihre beiden Kinder Nicolas und Aida, die in Salzburg zur Schule gehen. Mit eiserner Disziplin bringt sie alles unter einen Hut. "Wenn man gut organisiert ist, kann man auch viel schaffen." Vier Millionen Menschen profitieren von der Stiftungsarbeit in Äthiopien, das zu den ärmsten Ländern der Welt gehört - das sind immerhin fünf Prozent der Bevölkerung.

Am Anfang des Gesprächs gibt sich Almaz Böhm zurückhaltend, sie wirkt fast etwas schüchtern. Leise und konzentriert antwortet sie auf die Frage nach der aktuellen Lage in dem afrikanischen Land, wo Menschen für Menschen in mehreren Regionen tätig ist: "Die Entwicklung schreitet schneller voran als erwartet, doch im Bildungsbereich und im Gesundheitswesen braucht das Land weiter Unterstützung."

Integrierte Förderung heißt die Formel, mit der Menschen für Menschen den Äthiopiern auf die Sprünge helfen will - zusammen mit der Bevölkerung werden verschiedene Projekte vorangetrieben und miteinander verknüpft: Neue Straßen machen entlegene Gebiete zugänglich, Bauern erhalten beim Ackerbau und in der Viehzucht Unterstützung, um bessere Erträge zu erzielen, zudem geht es um Wiederaufforstung und eine bessere Wasserversorgung. "Wenn man konsequent bleibt, sieht man auch die Früchte", sagt Almaz Böhm.

Besonders am Herzen liegt ihr die Schulbildung, schließlich ist die Hälfte der Bevölkerung unter 18 Jahre alt: "Die jungen Menschen müssen eine Chance haben." Und so hat Menschen für Menschen 2008 mit dem Bau von 38 Schulen begonnen. Zweifel am Sinn von Entwicklungshilfe weist sie mit der gleichen inneren Überzeugung zurück, wie es zuvor auch Karlheinz Böhm getan hat. Es könnten doch die reichen Länder nicht glücklich sein, wenn andere am Boden krebsen.

Almaz Böhm hat sich warm geredet. Beim Thema Aidsbekämpfung weist sie auf das Fingerspitzengefühl hin, mit dem sich Menschen für Menschen engagiert. Im Rahmen der Aufklärungskampagne kämen speziell geschulte Äthiopier zum Einsatz, und die würden in einem lockeren Rahmen - zum Beispiel beim Kaffee am Nachmittag - das Thema ansprechen und enttabuisieren. Im Übrigen seien die Tests für die Bevölkerung mittlerweile eine Selbstverständlichkeit - die Familien junger Paare, die heiraten wollten, würden darauf bestehen.

Keine Frage, Almaz Böhm kennt die Mentalität ihrer Landsleute, und diese Erfahrung kann sie für ihren Job gut gebrauchen. Stichwort Frauenförderung: Sie ist hocherfreut, dass sich Frauen durch die Kleinkreditprogramme der Stiftung in ihren Dörfern neue Erwerbsquellen erschlossen hätten und damit mehr Respekt in der Gesellschaft erfahren würden.

Zumindest indirekt mit Frauenförderung zu tun hat auch der von Menschen für Menschen entwickelte Holzsparofen, den Almaz Böhm als besonders segensreichen Mosaikstein bei der Entwicklung ihres Landes preist. Der würde nicht nur den Waldbestand schonen, sondern jungen Äthiopierinnen, denen traditionell "die ganze Schlepperei" aufgehalst wird, die Möglichkeit geben, einträglicheren Arbeiten nachzugehen - sie müssten nicht mehr täglich Brennmaterial heranschaffen, sondern nur noch einmal in der Woche. Zudem würde der Ofen die Augen weniger reizen.

"Schwarze Sissi" - so taufte sie einst der Boulevard. Der Name fällt auch im Redaktionsgespräch - und Almaz Böhm lacht herzlich. Die Sissi-Filme, die ihren Mann berühmt machten, hat sie sich vor über 20 Jahren angeschaut - ohne Ton. Damals konnte sie noch kein Deutsch, aber sie war unendlich fasziniert. Heute beherrscht sie die Sprache perfekt - und die Begeisterungsfähigkeit hat sie sich erhalten.